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       # taz.de -- Polizeigewalt in Argentinien: Härte gegen Händler aus Senegal
       
       > In Argentinien werden Straßenhändler aus dem Senegal häufig zu Opfern von
       > Polizeigewalt. Aber sie wissen sich zu wehren.
       
   IMG Bild: Hoffen auf einen würdevolleren Ort für ihre Arbeit: Straßenhändler in Buenos Aires 2017
       
       BUENOS AIRES taz | Jawara lässt seine T-Shirts im schwarzen Plastiksack.
       Aufmerksam beobachtet er die patrouillierenden PolizistInnen auf der
       anderen Straßenseite. Jawara (Name geändert, die Red.) ist einer von rund
       14.000 ambulanten HändlerInnen im Großraum von Buenos Aires.
       
       Er ist wortkarg. Wenn er spricht, dann in Wolof, seiner Muttersprache. Ein
       paar Brocken Spanisch kann er inzwischen. Für die Polizei ist der
       Senegalese ein mantero, ein illegaler Straßenverkäufer. Mantero ist
       abgeleitet von manta, der Decke, auf der der 28-Jährige auf dem Gehweg
       seine Waren ausbreitet und die er schnell zusammenraffen und in den
       Plastiksack stopfen kann.
       
       Im Stadtteil Flores im Südwesten von Buenos Aires reihen sich Groß- und
       Einzelhandelsgeschäfte aneinander, ergänzt durch das Angebot vieler
       Straßenhändler. Verkauft werden vor allem Bekleidung und Schuhe in allen
       Preisklassen. Entsprechend groß sind Kundenandrang und Nachfrage.
       
       Seit Jahren gehen Behörden, Polizei und Justiz immer härter gegen den
       ambulanten Straßenhandel vor. Einen Dialog mit der Stadtregierung gibt es
       nicht. 2012 organisierten sich die StraßenhändlerInnen als „Vendedores
       Libres“ (freie Verkäufer). Die alternative Gewerkschaft des informellen
       Sektors zählt heute 1.200 Mitglieder. Einmal pro Woche ist Versammlung.
       „Und wenn nötig, machen wir spontan eine Versammlung auf der Straße“, sagt
       Generalsekretär Omar Guaraz. Immer wieder geht es um die kurzzeitigen
       Festnahmen und die Verfahren, die die Justiz einleitet, um mit einer
       Abschiebung zu drohen.
       
       Seit zehn Jahre ist Guaraz Straßenhändler. „Jawara und ich, wir teilen uns
       diesen Hauseingang“, schmunzelt er. „Die Stadtregierung bietet alles auf,
       um den Straßenhandel auszumerzen, sie vertreibt, verhaftet, beschlagnahmt“,
       sagt Guaraz. Im April 2018 wurden 28 Senegalesen, vier Peruaner und zwei
       Argentinier bei einem riesigen Polizeieinsatz geschlagen, gefesselt und
       festgenommen. Auf dem Kommissariat wurden sie in Handschellen für Stunden
       ohne Wasser, Essen oder Zugang zu Toiletten eingesperrt, erzählt Guaraz.
       
       ## 5.000 SenegalesInnen
       
       Das [1][Handy-Video] ist verwackelt. Es zeigt, wie eine Menschenmenge die
       Festnahme eines Afrikaners durch die Polizei verhindert. Am Ende brandet
       Applaus auf. Der Vorfall ereignete sich am 7. August in der Stadt La Plata,
       65 Kilometer von Buenos Aires entfernt. „Solche Szenen erleben wir fast
       täglich“, sagt Omar Guaraz. Die wenigsten enden so wie die in La Plata.
       Meist blieben Blutlachen auf den Gehwegen zurück. Angst zu verbreiten sei
       die Taktik von Polizei und Behörden, besonders unter den senegalesischen
       Händlern „Das ist nicht einfach nur blanker Rassismus. Die Senegalesen
       haben keine Angst. Das wollen sie brechen“, sagt er.
       
       Rund 5.000 SenegalesInnen leben in Argentinien. Ihre Asylanträge werden in
       der Regel abgelehnt. Das Verfahren kann sich jedoch über viele Jahre
       hinziehen. Ihr Aufenthaltsstatus in dieser Zeit schließt eine Abschiebung
       aus und erlaubt eine Beschäftigung.
       
       Informeller Straßenhandel ist in Argentinien kein Delikt. Solange die
       ambulanten HändlerInnen mit ihrem Angebot für die umliegenden Geschäfte
       keine unmittelbare Konkurrenz darstellen, sind sie zu dulden. Wer jedoch
       von einer Patrouille verscheucht wird, aber an anderer Stelle sein Angebot
       wieder auslegt, handelt gegen eine offizielle Anweisung. „So stellt die
       Polizei jenen Ordnungsverstoß her, den sie für eine Festnahme braucht“,
       sagt Guaraz. Von den 2018 vorübergehend festgenommenen 1.200 HändlerInnen
       stammten 1.100 aus dem Senegal. „Wegen ihrer Hautfarbe erkennt man sie
       sofort“, sagt Omar Guaraz.
       
       Jawara hatte bislang Glück. Aber schon mehrfach wurde ihm seine Ware
       abgenommen. Markenpiraterie lautet stets die Begründung für die
       Beschlagnahme seiner T-Shirts, auf denen bekannte Logos prangen. Einige
       dieser Firmen drängten die Justiz zum Eingreifen – mit Erfolg. Der
       Modekonzern Chanel lud vergangenen April in die französische Botschaft, um
       den Chefs der Gendarmerie und der Stadtpolizei zu danken.
       
       9 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=sKUDHUQInnU
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
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