# taz.de -- Wahlausgang in Israel: Ein deutliches Signal
> Der weltlich-nationale Avigdor Lieberman ist einer der Sieger der Wahl in
> Israel – ein klares Zeichen gegen die Politik der orthodoxen Parteien.
IMG Bild: Avigdor Lieberman verlangt gleiche Rechte und gleiche Pflichten für alle Bürger
Noch vor Auszählung aller Stimmen steht eines fest: Israels orthodoxe
Parteien sind gleichzeitig Gewinner und Verlierer [1][der
Parlamentswahlen]. Gewinner, weil die beiden orthodoxen Listen Schas und
UTJ die Zahl der Mandate insgesamt leicht erhöhen konnten. Verlierer, weil
sie seit Jahrzehnten zum ersten Mal ernsthaft Gefahr laufen, nicht Teil
einer Regierungskoalition zu sein.
Das klare Votum für Avigdor Lieberman, der mit neun Mandaten für seine
weltlich-nationale Partei Unser Haus Israel, Israel Beitenu, fast doppelt
so gut abschnitt wie bei den Wahlen im April, ist Indikator dafür, dass
Sorge und Unmut angesichts der wachsenden Macht der Frommen im Land wächst.
Lieberman sagt dem orthodoxen Establishment den Kampf an. Gleiche Rechte
und gleiche Pflichten für alle Bürger verlangt er, vor allem in der Frage
des Militärdienstes. Bei den Wahlen ging es nicht nur um die beiden Köpfe
[2][Benjamin Netanjahu] und Benny Gantz, sondern auch um die Trennung von
Staat und Religion.
Nirgends ist das Wahlverhalten disziplinierter als bei den Orthodoxen. Man
wählt, weil der Rabbiner es sagt, und man wählt, was er sagt. Die Parteien
wachsen im gleichen Tempo wie die orthodoxe Bevölkerung. Schon heute kommt
jeder vierte Erstklässler aus dem orthodoxen Sektor. Seit Staatsgründung
halten die Rabbiner ein Monopol auf sämtliche Familienrechte. Wer nicht
nach religiösen Regeln heiraten will, muss ins Ausland reisen. Das müsse
aufhören, findet Lieberman. Die Einführung standesamtlicher Eheschließungen
steht seit Jahren auf seiner Agenda. Bislang hielten ihn jedoch die frommen
Koalitionspartner von einer Umsetzung ab.
Was besonders teuer zu stehen kommt, ist das religiöse Bildungssystem.
Israels Fromme genießen Sonderrechte, von denen die arabischen Bürger nur
träumen können: kulturelle Autonomie. Dabei würde der arabischen Minderheit
nur ein kleiner Spielraum im staatlichen Lehrplan schon reichen. Nur zur
Geschichte der Juden auch die Geschichte der Palästinenser unterrichten zu
dürfen, wünschen sie sich. Vergeblich.
Was den arabischen Bürgern verwehrt bleibt, ist für Israels Orthodoxe
selbstverständlich. In ihren Schulen werden Talmud und Thora unterrichtet,
während Englisch und Mathematik auf der Strecke bleiben. Mit Folgen für das
Bruttosozialprodukt: Immer weniger Steuerzahler müssen immer mehr Bürger
mitfinanzieren. Eine Koalition ohne orthodoxe Beteiligung könnte den
Privilegien der Frommen ein Ende machen. Jetzt endlich rückt die Trennung
von Staat und Religion in greifbare Nähe.
18 Sep 2019
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## AUTOREN
DIR Susanne Knaul
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