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       # taz.de -- Ruandischer Rebellenführer im Kongo: Beim Frühstück erschossen
       
       > Sylvestre Mudacumura wird bei einer Armeeoperation getötet. Er war
       > Militärchef der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR.
       
   IMG Bild: Bis zu Mudacumuras Tod gab es von ihm nur dieses Uralt-Foto auf seinem alten Armeeausweis
       
       Kampala taz | Der tödliche Schuss traf den Rebellengeneral offenbar beim
       Frühstück. Ein Teelöffel liegt zwischen den Beinen der blutverschmierten
       Leiche in Flecktarnuniform. Mit dem Oberkörper lehnt der tote 70-jährige
       gegen eine Hütte aus Bananenstauden. Sein Kopfhaar ist grau, der Mund
       geöffnet, die Zunge hängt heraus.
       
       Das am Mittwochmorgen im Ostkongo aufgenommene Foto des toten Sylvestre
       Mudacumura ist der finale Beweis für das Ableben eines der grausamsten
       Kriegsverbrecher Afrikas. Der oberste Militärführer der ruandischen
       Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die seit
       Jahrzehnten im Osten der Demokratischen Republik Kongo ihr Unwesen treibt,
       wurde am Mittwoch frühmorgens im Nyanzale-Wald tief im Dschungel der
       Provinz Nord-Kivu getötet.
       
       Nach ersten Informationen war Mudacumura in einer gemeinsamen
       Militäroperation von Kongos und Ruandas Armeen aufgestöbert worden. Die
       beiden Staaten arbeiten seit Beginn der Präsidentschaft von Felix
       Tshisekedi im Kongo gegen bewaffnete Gruppen zusammen.
       
       Die UN-Mission im Kongo versuchte am Mittwoch, den Tatort mit einem
       Hubschrauber anzufliegen, um die Leiche zu bergen. Doch dies war aufgrund
       andauernder Kämpfe nicht möglich.
       
       ## Strikt hierarchische Truppe
       
       Der Tod des FDLR-Militärchefs ist ein entscheidender Einschnitt. In der
       FDLR-Führungsriege tummeln sich zahlreiche mutmaßliche Anführer und Täter
       des Völkermordes in Ruanda 1994. Sie hatten sich nach dem Massenschlachten
       an über einer Million Tutsi in ihrer Heimat ins Nachbarland Kongo
       zurückgezogen, um sich dort neu zu formieren. Seitdem greift die FDLR nicht
       nur regelmäßig Ruanda an, sondern ist auch für zahlreiche Massaker im Kongo
       selbst verantwortlich.
       
       Die FDLR gilt als strikt hierarchische Truppe, deren bewaffeneter Arm
       [1][sämtliche Befehle des obersten Militärchefs] bedingungslos ausführte.
       Ohne ihn ist sie militärisch führungslos.
       
       Mudacumura hatte in den 1980er Jahren unter dem damaligen ruandischen
       Präsidenten Juvenal Habyarimana eine steile Armeekarriere absolviert. Er
       schloss die Militärakademie als Leutnant ab, wurde dann 1985 zur
       Weiterbildung in die Bundesrepublik Deutschland geschickt und konzentrierte
       sich in seiner Ausbildung an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg
       auf Funk- und Übertragungstechnik.
       
       Er wurde nach seiner Rückkehr 1986 in Ruandas Präsidentengarde aufgenommen,
       war zeitweilen einer von Habyarimanas persönlichen Leibwächtern. Die Nähe
       zum verehrten Hutu-Präsidenten verlieh ihm später unter den im Kongo
       versprengten flüchtigen ruandischen Hutu-Soldaten hohes Ansehen.
       
       Unter seiner Führung schlugen sich 2002 Tausende dieser Kämpfer, die
       eigentlich zur Demobilisierung zusammengezogen worden waren, in die Wälder
       des Ostens durch und [2][errichteten ihren Staat im Staate], von dem aus
       sie Ruanda zurückerobern wollten. In den letzten Jahren war die FDLR
       allerdings [3][immer schwächer geworden.]
       
       ## Bei der Bundeswehr Deutsch gelernt
       
       In Hamburg hatte der spätere Rebellengeneral [4][Deutsch gelernt]. Bis
       zuletzt begrüßte er seine Truppen in Kongos Dschungel beim Morgenappell mit
       einem deutschen „Guten Morgen“, der taz schrieb er einst SMS mit
       Weihnachtsgrüßen auf Deutsch.
       
       Aber Interviews und Fotos hat er nie zugelassen. Als die UN-Mission im
       Kongo (Monusco) 2014 Militäroperationen plante, um Mudacumura zu schnappen,
       hatten die Blauhelme keine Ahnung, wie er aussieht. Selbst der
       Internationale Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag, der Mudacumura seit 2012
       mit Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die
       Menschlichkeit sucht, besaß nie ein aktuelles Fahndungsfoto.
       
       Dass nun das Foto seiner Leiche die Runde macht, ist daher kein Wunder. Ein
       interessantes Detail: Seine Flecktarnhose ist eine brandneue ruandische
       Armeeuniform.
       
       Mudacumura ist bereits der zweite Anführer, den die FDLR dieses Jahr
       verliert. Im April verstarb FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka,
       politischer Anführer der Miliz, in Mannheim im Krankenhaus an Organversagen
       ausgelöst durch HIV/AIDS. Er hatte seit 2009 in Hochsicherheitstrakt von
       Stuttgart-Stammheim gesessen, in erster Instanz hatte das Oberlandesgericht
       Stuttgart ihn 2015 verurteilt, ein Revisionsverfahren war noch anhängig.
       
       Der ICC hatte derweil öfter versucht, den alten Mudacumura zum Aufgeben zu
       bewegen, vergeblich. Die US-Regierung hatte fünf Millionen Dollar für die
       Ergreifung des Rebellenchefs ausgeschrieben, auch dies vergeblich.
       
       „Fall abgeschlossen“, hieß es nun am Mittwoch aus Den Haag. Kongos
       Armeesprecher Leon Kasonga warnt nun andere Rebellengruppen im Kongo: „Wir
       werden sie behandeln wie Mudacumura und seine Bande“.
       
       18 Sep 2019
       
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