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       # taz.de -- Bildungspolitik in Österreich: Wen würden unsere Kinder wählen?
       
       > Österreich wählt am Sonntag den Nationalrat. Deswegen werden gerade mal
       > wieder Bildungsreformen gefordert. Kennen wir eh.
       
   IMG Bild: Muslimische Kinder als Wahlkampfsujet und realitätsferne Konzepte: Bildungspolitik 2019
       
       Es ist [1][Wahlkampf in Österreich]. Die Zeit, in der Politiker*innen, die
       seit Jahren im Amt sind, plötzlich Versprechen abgeben, bei denen man sich
       fragt, wieso sie nicht längst eingehalten wurden. Was die Bildungspolitik
       betrifft, herrscht seit Jahrzehnten Stillstand, verantwortlich dafür: die
       Interessenunterschiede der zwei großen politischen Lager.
       
       Das eine fordert eine Gesamtschule für alle 10- bis 14-Jährigen, das andere
       setzt auf separierende Bildungspolitik, aktuell in Form von extra
       Deutschförderklassen und einem Verbot von Kopftüchern für Schülerinnen und
       Lehrerinnen.
       
       Andere religiöse Symbole dürfen übrigens bleiben. Als kürzlich wegen
       Renovierungsarbeiten die Kreuze in einer Volksschule in Niederösterreich
       abgehängt wurden, beschwerten sich Eltern prompt beim Bürgermeister.
       Norbert Hofer, Spitzenkandidat der rechten FPÖ, die laut Umfragen trotz
       [2][Ibiza-Affäre] Zweite werden könnte, kritisiert in seiner Rede am
       Parteitag, dass in Lesebüchern für Kinder ein Junge namens Mehmet an
       Spielplätzen und Moscheen, aber an keiner Kirche vorbeigehe. „Es gibt in
       dieser Welt, in die unsere Kinder hineingesetzt werden, in Volksschulen in
       Wien keine Kirchen mehr, es gibt nur Moscheen.“
       
       Altkanzler Sebastian Kurz, der laut Umfragen bei der Nationalratswahl am
       Sonntag vorne liegt, will zudem ein neues Unterrichtsfach einführen:
       „Staatskunde“. Laut eigenen Angaben sollen den Schüler*innen „die Grundzüge
       unserer Verfassung, des Rechtsstaates und welche Werte und Traditionen uns
       prägen, gelehrt werden“.
       
       ## Gesamtschule? Ja woher denn?
       
       Ich finde ja, dass die Idee von einem solchen Fach nicht neu ist, sondern
       seit Jahren unter dem Begriff „Politische Bildung“ von Pädagog*innen
       eingefordert wird. Philipp Mittnik, Hochschulprofessor für Geschichts- und
       Politikdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Wien, der auch das Zentrum
       für Politische Bildung leitet, kritisiert die Idee von der „Staatskunde“ in
       einem Kommentar als eine „Art Leitkulturschulung durch die Hintertür“.
       
       Der Bildungsteil in den Wahlprogrammen der anderen Parteien geht dagegen
       völlig unter und wirkt, als hätte man ihn einfach aus dem letzten Wahlkampf
       übernommen. Jo eh, wie man in Wien sagen würde, die Forderung nach einer
       Gesamtschule ist berechtigt, aber gleichzeitig ein leeres Wahlversprechen.
       Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Gesamtschule in den nächsten fünfzig
       Jahren nicht umgesetzt wird, weil in Österreich politische Parteien an
       Schulen noch immer viel zu großen Einfluss haben und die Sozialdemokraten
       und die Volkspartei einander in dem Punkt nichts schenken.
       
       Muslimische Kinder als Wahlkampfsujet auf der einen Seite und
       realitätsferne Konzepte auf der anderen – einen greifbaren Mehrwert für
       Schüler*innen und Pädagog*innen erkenne ich nirgends. „Wen würde das Klima
       wählen?“ plakatieren die Grünen aktuell in ganz Österreich – „wen würden
       die Kinder wählen?“, frage ich mich gerade.
       
       26 Sep 2019
       
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