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       # taz.de -- Die Wahrheit: Menetekel ohne Ekel
       
       > Klimaerhitzung und Alltagskultur: Wie die neue Umweltschutzpartei KPSdU
       > mit ihren bewegenden Klimaklagen die Welt aufrüttelt.
       
   IMG Bild: Oh Tannenbaum, wie grün sind deine Wellen!
       
       Der Spot beginnt mit der samtenen Musik eines Rachmaninow-Klavierkonzerts.
       Zu sehen sind Maiglöckchen, in all ihrer unschuldigen Schönheit. Die Kamera
       gleitet über einen Waldboden, überall recken die kleinen weißen Blüten keck
       ihre Hälse gen Himmel. „Unsere Maiglöckchen …“, sagt eine sanfte Stimme,
       gefolgt von einem dissonanten, aufschreckenden Gitarrenriff, „… sind jetzt
       Aprilglöckchen!“
       
       Mit solchen Botschaften in Fernsehspots startet eine neue
       „alltagsökokulturelle Gruppierung zur näheren Betrachtung von Flora und
       Fauna“ ihre Kampagnen. Unter dem etwas sperrigen Namen „Klimapartei Save
       die Umworld“ (KPSdU) will sie in die Parlamente und das Bewusstsein der
       Bundesbürger drängen. Mit ihren Themen wollen sie die Menschen berühren und
       bewegen – mehr jedenfalls als die altgrünen Apparatschiks mit ihren öden
       wissenschaftlichen Tabellen. Endlich sollen Symptome der Erdüberhitzung
       nachvollziehbar werden.
       
       „Schon Ende Januar verspüren die Menschen Frühlingsgefühle. Pfingstrosen
       blühen zu Ostern, schon im Glutmonat Mai verdorren sie. Man spricht
       mittlerweile vom Wonnemonat März“, entrüstet sich die
       KPSdU-Generalsekretärin Leonie Blum. Und die junge Aktivistin mit dem
       zarten Teint nennt weitere Beispiele der Vervorzeitigung: Die Weinlese sei
       Mitte Juli erledigt. Oder der heimische März-Flieder, der noch vor zwei
       oder drei Dekaden im April kaum grüne Blätter hatte.
       
       Mittlerweile hat die KPSdU erste strategische Bündnispartner gewonnen. Der
       Verband Deutschen Liedgutes gab kürzlich bekannt: „Der März ist gekommen,
       die Bäume schlagen aus“ werde die alte Volksweise klimabedingt ab sofort
       heißen. „Klimawandel und Temperaturanstieg werden immer greifbarer“, so
       Leonie Blum verzweifelt. „Alles kahl macht der Mai“, werde man bald sagen
       müssen. „Im Jänner der Bauer die Rösslein einspannt“, wisse man in den
       hochalpinen Regionen Österreichs.
       
       ## Christmas in Badeshorts
       
       Gegründet hatte sich die KPSdU auf der Christmas-Beachparty am Berliner
       Wannsee. Weiße Weihnachten sind seit Jahren schon unbekannt, „abgesehen von
       einzelnen Gebieten im Hochgebirge, die aber kein Christkind findet“, klagt
       Leonie Blum, die stets einen verwelkten Blütenkranz im kurzen blonden Haar
       trägt. Verstört berichtet sie von Weihnachten auf der Südhalbkugel, wo das
       Fest hochsommerlich im Bikini und mit Flipflops an den nackten Füßen
       gefeiert wird. Man wolle „die Transformation solcher Erfahrungen in den
       Norden“ vorantreiben. Längst schon werden Schlitten nicht mehr von
       Rentieren, sondern von Segways und E-Scootern gezogen.
       
       Noch ist unklar, ob Begriffe wie Herbst und Winter in Zukunft überhaupt
       noch eine Berechtigung haben, erklärt die hochsensible Klimakämpferin.
       Eventuell werde das Wort Winter ganz abgeschafft und durch „Strahling“
       ersetzt, was die angenehme Atmosphäre eines novemberlichen Früh- oder
       Spätherbstes, der dann Anfang Januar in den Vorfrühling übergeht,
       ausdrücken soll.
       
       Und erst die Fauna. „Wo kein Winter, da auch kein Winterschlaf“, weiß Blum.
       Bären verzichten inzwischen ganz darauf, mit noch unabsehbaren Folgen. Es
       könnte zu massiven Honigplünderungen kommen. Auch Murmeltiere machen durch.
       In Punxsutawney, Pennsylvania ist der Murmeltiertag abgeschafft. Bill
       Murray ist aus seiner Zeitschleife erlöst. Vereinzelt gibt es eben auch
       Nutznießer des Klimawandels.
       
       ## Von Nix kommt nix
       
       „Oma, was ist ein Schneemann?“, diese Frage auf selbst gemalten
       [1][Plakaten] bei Fridays for Future hat viele Menschen gerührt. Homo
       nixensis, wie der Lateiner den lustigen Schneemann nannte, gibt es seit
       Langem nur noch unter Laborbedingungen. „Dass Schnee auf lateinisch nix
       heißt, war doch immer schon ein Menetekel“, sagt Leonie Blum.
       
       Auch was Eisbären waren, wissen Kinder nicht mehr – es sei denn, sie
       erinnern sich an die letzten auf Eisschollen treibenden Exemplare im
       Fernsehen, die zu Klängen Wagners der untergehenden Glutsonne
       entgegentrieben. Dass es keinen Schnee mehr gibt, trifft besonders die
       Schneehasen. Sie sind so gut wie ausgestorben, Wölfe lachen sich scheckig,
       mit welch plumpen Mitteln sich die letzten Exemplare zu tarnen versuchten,
       wenn sie weiße Tischdecken über ihr Fell ziehen, um nicht entdeckt zu
       werden.
       
       In der Hochsteppe am Himalaya wurde kürzlich die Leiche des letzten Yetis
       entdeckt. „Komplett dehydriert“, erklärt erschüttert KPSdU-Chefin Blum,
       „die Evolution kann schon lange nicht mehr mit dem rapiden
       Temperaturanstieg mithalten.“
       
       Bald werden auch die Eisheiligen eisfrei haben. Tauheilige nennt man sie
       bereits jetzt. „Und das ist nur die Vorstufe zu den Heiß- oder
       Schweißheiligen“, warnt Leonie Blum, die bittere Tränen in ihren
       Blütenhaarkranz weint, wenn sie an den kommenden April denkt, einen Monat,
       über den es einst hieß: Der macht, was er will. Bald produziert er nur noch
       heiße Luft.
       
       24 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.westfalen-blatt.de/Ueberregional/Fotostrecken/3703517-Fridays-for-future-das-steht-weltweit-auf-den-Plakaten
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Müllender
       
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