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       # taz.de -- Kommunalwahlen in Norwegen: Polit-Landschaft wird aufgemischt
       
       > Die Grünen legen massiv zu und werden in Oslo drittstärkste Kraft.
       > Ergebnisse von Rechtspopulisten und Sozialdemokraten rutschen in den
       > Keller.
       
   IMG Bild: Grund zum Feiern: Lan Marie Berg, die Spitzenkandidatin der Grünen
       
       Stockholm taz | Sie taten sich lange schwer, Norwegens Grüne. Gegründet
       1988, krebste die Miljøpartiet De Grønne (MDG) bei den Wahlen zwei
       Jahrzehnte lang unter einem Stimmenanteil von einem Prozent herum. Bei der
       Parlamentswahl 2017 kam sie auch nur auf 3,2 Prozent. Doch nun könnte der
       Knoten geplatzt sein.
       
       Am Montag wählten die NorwegerInnen ihre Volksvertretungen in den 356
       Kommunen des Landes. Dieses Votum zur Mitte der Legislaturperiode des
       Storting in Oslo war eine „Protestwahl“, wie das norwegische Fernsehen NRK
       noch in der Wahlnacht analysierte, „die die politische Landschaft Norwegens
       dramatisch verändert hat“.
       
       Landesweit kamen die Grünen auf 6,7 Prozent, in Oslo verdoppelten sie ihren
       Stimmenanteil auf 15,2 Prozent und wurden drittstärkste Kraft. Und auch
       1.500 Kilometer nördlich der Hauptstadt, da, wo die Barentssee beginnt,
       verhalf das Klimathema den Grünen zum Aufschwung. In Vardø, der
       nordöstlichsten Gemeinde des Landes, wurden sie mit 22,4 Prozent
       zweitstärkste Partei.
       
       „Es war das Klima, das die Leute hat grün stimmen lassen“, ist Lan Marie
       Berg, MDG-Spitzenkandidatin in Oslo, sicher. Sie bedankte sich „bei allen
       Jugendlichen und ihrem Klimastreik sowie bei den Eltern und Großeltern, die
       skandierten: „Wir wollen unsere Mautzone behalten.“
       
       ## Auto als Gewinnerthema
       
       Ironischerweise war bei der Kommunalwahl neben dem Klima auch das Auto ein
       Gewinnerthema. Eine „Volksaktion gegen mehr Mautgebühren“, die sich gegen
       steigende Kosten für das Autofahren wendet, kam landesweit zwar nur auf 2,3
       Prozent, in Norwegens zweitgrößter Stadt Bergen aber mit 17 Prozent vor der
       MDG auf Platz drei. Auch in Oslo stimmten 6 Prozent für sie.
       
       Neben Klima und Auto hatten Norwegens traditionelle „Volksparteien“, die
       sozialdemokratische Arbeiterpartei und die konservative Høyre, aber
       offenbar auch beim dritten großen Wahlthema – den tiefer werdenden Gräben
       zwischen Stadt und Land und einer wachsenden Zentralisierung – vielen
       WählerInnen keine befriedigenden Antworten zu bieten. Mit knapp 45 Prozent
       lag der gemeinsame Stimmenanteil beider Parteien so niedrig wie noch nie.
       
       Alle vier Parteien der gegenwärtigen Regierungskoalition verloren. Die
       rechtspopulistische Fortschrittspartei (FrP) schnitt mit 8,3 Prozent so
       schlecht ab wie seit 1991 nicht. In Oslo wurde sie mit 5,3 Prozent nur
       achtstärkste Partei und wurde nicht nur von den Mautgegnern, sondern auch
       von den sozialistischen Parteien Linkssozialisten und Rødt abgehängt.
       
       Seit 2013 Bestandteil der von Høyre geführten Regierungskoalition, ist die
       FrP deutlich auf Schrumpfkurs, seit das Migrationsthema für viele ihrer
       bisherigen WählerInnen an Brisanz verloren zu haben scheint.
       
       ## Deutliche Mitte-links-Mehrheit
       
       Auch die Sozialdemokraten hatten landesweit seit über 100 Jahren kein so
       schlechtes Ergebnis, verloren aber vorwiegend zugunsten der kleineren
       Parteien des linken Spektrums. In Oslo verbuchten sie ein Minus von 12
       Punkten und kamen auf 20 Prozent. Grüne und Sozialisten verbesserten sich
       auf 31,5 Prozent.
       
       Unter dem Strich gebe es mit über 55 Prozent eine Mitte-links-Mehrheit in
       Norwegen, sagt Johannes Bergh, Wahlforscher am Sozialforschungszentrum in
       Oslo: „Eine deutliche rot-grüne Welle. Hält sie an, haben wir in zwei
       Jahren einen Regierungswechsel.“
       
       10 Sep 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Wolff
       
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