# taz.de -- Deutschland geht auf Italien zu: Jeden vierten Flüchtling aufnehmen
> Innenminister Horst Seehofer will jeden vierten auf See geretteten
> Flüchtling aufnehmen. Damit sendet er ein Signal an Italiens neue
> Regierung. Machen andere Länder mit?
IMG Bild: Juli 2019: Ein Boot der Hilfsorganisation „Mediterranea Saving Humans“ vor Italiens Küste
Berlin dpa | Im Ringen um die Verteilung von Migranten auf europäische
Staaten ist die Bundesregierung bereit, jeden vierten in Italien
ankommenden Bootsflüchtling aufzunehmen. Das [1][sagte Innenminister Horst
Seehofer der Süddeutschen Zeitung]. „Ich habe immer gesagt, unsere
Migrationspolitik ist auch human. Wir werden niemanden ertrinken lassen.“
Die Gespräche liefen noch, wenn aber alles wie besprochen bleibe, „können
wir 25 Prozent der aus Seenot geretteten Menschen übernehmen, die vor
Italien auftauchen. Das wird unsere Migrationspolitik nicht überfordern.“
Zugleich werde er darauf dringen, gerettete Migranten noch in Italien einer
Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, kündigte Seehofer an.
Die Bundesregierung habe auch bisher schon rund ein Viertel der aus dem
Mittelmeer geretteten Menschen aus Italien übernommen: „An diesem Schlüssel
ändert sich nichts“, erklärte Seehofer. Es sei aber höchste Zeit, sich von
dem „quälenden Prozedere“ zu verabschieden, bei dem in der Vergangenheit
Flüchtlinge von jedem einlaufenden Rettungsschiff einzeln über Europa
verteilt werden mussten – und das teils erst nach langem Gerangel, bei dem
sich ein Mitgliedstaat nach dem anderen für nicht zuständig erklärte. In
den zurückliegenden zwölf Monaten kamen laut Bundesinnenministerium 561
Bootsflüchtlinge über Italien nach Deutschland.
Auf der Suche nach einer Lösung, wie Bootsflüchtlinge innerhalb der EU
verteilt werden sollen, könnte es bald greifbare Fortschritte geben. Für
den 23. September hat Malta Vertreter Deutschlands, Frankreichs, Italiens,
des EU-Ratsvorsitzenden Finnland sowie der EU-Kommission zu einem Treffen
in die maltesische Stadt Vittoriosa eingeladen, um eine vorläufige
Quotenregelung zu finden. Im Oktober soll der Vorschlag den Staats- und
Regierungschefs vorgelegt werden.
## Hoffen auf Italiens Kooperationsbereitschaft
„Die Erwartung ist, dass weitere Staaten sich anschließen“, sagte Seehofer.
Nach Darstellung der Süddeutschen Zeitung und der Bild-Zeitung ist
angeblich auch Frankreich bereit, 25 Prozent der in Italien anlandenden
Bootsflüchtlinge aufzunehmen.
Italien und Malta hatten zuletzt [2][immer wieder Schiffen mit geretteten
Migranten an Bord die Einfahrt in ihre Häfen untersagt]. Die Menschen
mussten daraufhin oft für mehrere Wochen auf den Schiffen ausharren.
Im Falle Italiens war bis vor kurzem Innenminister und
Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini von der rechten Lega
hauptverantwortlich für den knallharten Kurs in der Migrationspolitik. Nach
dem jüngsten Regierungswechsel in Rom hoffen die europäischen Partner nun
wieder auf mehr Kooperationsbereitschaft seitens der italienischen
Regierung – und könnten ihrerseits geneigt sein, Hilfe anzubieten, um den
innenpolitischen Druck auf die neue Mitte-Links-Koalition des parteilosen
Regierungschefs Giuseppe Conte zu lindern.
## Kritik von FDP-Chef Christian Lindner
Seehofer hatte erst am Mittwoch seine Hoffnung auf einen Neuanfang mit der
[3][neu vereidigten italienischen Innenministerin Luciana Lamorgese]
ausgedrückt. Er setze auf „eine gute und verlässliche Zusammenarbeit“,
sagte Seehofer nach einem Telefonat mit Lamorgese – und lud sie für
kommenden Mittwoch zu einem Besuch nach Berlin ein. „Dabei werden wir
vorrangig die gemeinsamen Interessen und Leitlinien in der
Migrationspolitik ausloten“, kündigte der Minister an. Über Salvini, der in
Italien nach wie vor sehr populär ist, hatte Seehofer dagegen im Mai
gesagt: „Da ist eine Vertrauensbasis kaum möglich.“
Kritik an der Zusage, 25 Prozent der in Italien ankommenden Flüchtlinge
aufzunehmen, kam von FDP-Chef Christian Lindner. Dem Redaktionsnetzwerk
Deutschland (RND/Samstag) sagte Lindner mit Blick auf Bundeskanzlerin
Angela Merkel: „Ich warne Frau Merkel davor, einer so hohen Quote
zuzustimmen, denn wir haben über Jahre die Hauptlast in Europa getragen.“
Eine von Seehofer ins Spiel gebrachte Regelung, wonach Flüchtlinge zunächst
zu Ausschiffungsplattformen in Nordafrika gebracht werden sollten, um dort
ihr Asylverfahren abzuwickeln, ist wohl vorerst vom Tisch. „Dazu braucht es
ein bis zwei Länder in Nordafrika, die das befürworten“, sagte Seehofer.
„Die gibt es nicht.“
14 Sep 2019
## LINKS
DIR [1] https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-seenotrettung-italien-mittelmeer-1.4599747
DIR [2] /Einzelne-duerfen-Alan-Kurdi-verlassen/!5624145
DIR [3] /Neue-italienische-Innenministerin/!5620849
## TAGS
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Horst Seehofer
DIR Italien
DIR Europäische Union
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Horst Seehofer
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Italien
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Schwerpunkt Flucht
DIR Schwerpunkt Flucht
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Vor Treffen zur Seenotrettung auf Malta: Eine solidarische Lösung muss her
Wenn Seenotretter Flüchtende an Bord nehmen, geht das Geschacher los,
welches Land sie aufnimmt. Nun soll eine Zwischenlösung her.
DIR Seehofers Vorstoß zur Seenotrettung: „Weise ich aufs Schärfste zurück“
Der Innenminister verwahrt sich gegen Kritik an seinem
Seenotrettungsvorstoß. Es gebe in der EU die Chance auf „ein neues Kapitel
der Zusammenarbeit“.
DIR Seenotrettung auf dem Mittelmeer: „Ocean Viking“ rettet weiter
Erst am Wochenende hat das Schiff „Ocean Viking“ über 80 Menschen aus
Seenot gerettet. Jetzt haben die Helfer erneut 109 Überlebende an Bord
gebracht.
DIR Seehofers Zusage an Italien: Regieren statt AfD kopieren
Der Innenminister hat angekündigt, jeden vierten Bootsflüchtling aus
Italien aufzunehmen. Eine verspätete Lektion aus der Bayernwahl?
DIR Rettungsschiff „Ocean Viking“: Deutschland nimmt 24 Gerettete auf
Das Schiff „Ocean Viking“ hatte 82 Menschen aus Seenot gerettet.
Deutschland, Frankreich und Italien wollen je 24 der geretteten Menschen
aufnehmen.
DIR Rettungsschiff „Ocean Viking“: Italien lässt Flüchtlinge an Land
Das Schiff „Ocean Viking“ hatte über 80 Menschen aus Seenot gerettet. Nun
können die Flüchtlinge in Italien von Bord gehen. Die UN hofft auf weitere
Unterstützung.
DIR Seenotrettung im Mittelmeer: Eine humanitäre Pflicht
Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und der Kirche fordern: Eine
politische Lösung für die Aufnahme von aus Seenot Geretteten muss dringend
her.
DIR Einzelne dürfen „Alan Kurdi“ verlassen: Hickhack vor Malta
Das Rettungsschiff meldet einen Suizidversuch an Bord. Kurz darauf dürfen
einige Gerettete in Malta an Land. Auf dem Mittelmeer gibt es derweil
weitere tragische Szenen.
DIR Noch acht aus Seenot Gerettete an Bord: Malta lehnt „Alan Kurdi“ weiter ab
Über eine Woche sucht das Seenotrettungsschiff „Alan Kurdi“ nach einem
sicheren Hafen. Malta lehnt das Schiff weiterhin ab – trotz eines
Suizidversuchs.