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       # taz.de -- Syrien-Gipfel in der Türkei: EU blickt argwöhnisch nach Ankara
       
       > Aus Idlib fliehen Menschen Richtung Türkei. Drei Machthaber besprechen,
       > wie es in der letzten Kampfregion in Syrien weitergehen soll.
       
   IMG Bild: Nach einem Luftangriff in Idlib
       
       Istanbul taz | Wenn sich heute in Ankara der türkische Präsident Recep
       Tayyip Erdoğan, sein russischer Kollege Wladimir Putin und der iranische
       Machthaber Hassan Rohani treffen, werden Kanzlerin Angela Merkel und andere
       europäische Regierungschef ganz genau zuschauen. Denn vom Ausgang dieses
       Treffens könnte abhängen, ob sich demnächst wieder tausende Menschen aus
       Syrien auf den Weg nach Europa machen.
       
       Es geht um die rund drei Millionen Menschen, die in der letzten noch von
       Rebellen kontrollierten Provinz in Nordsyrien leben. [1][Seit April greifen
       syrische und russische Truppen] die Rebellen und Dschihadisten-Gruppen ohne
       Rücksicht auf zivile Opfer an und haben dadurch bereits eine große
       Fluchtbewegung aus dem Süden von Idlib in Richtung türkische Grenze
       ausgelöst.
       
       Türkische militärische Beobachtungsposten, von denen nach einer
       russisch-türkischen Vereinbarung zwölf entlang den Grenzen der
       Idlib-Provinz eingerichtet wurden, konnten den Vormarsch der syrischen
       Regimetruppen nicht verhindern – im Gegenteil: Der südlichste
       Beobachtungsposten Murak ist mittlerweile komplett von Assad-Truppen
       umstellt. [2][Erdoğan hat dem wenig entgegenzusetzen] und konnte bei einem
       Blitzbesuch in Moskau vor zwei Wochen lediglich erreichen, dass die
       russische Luftwaffe vorübergehend ihre Angriffe aussetzte.
       
       Auch bei dem heutigen Treffen ist nicht damit zu rechnen, dass Putin
       Erdoğan gegenüber große Zugeständnisse macht. Der russische Präsident will,
       dass Assad über kurz oder lang wieder die gesamte Kontrolle auch über Idlib
       übernimmt; vor allem will er verhindern, dass die dort aktiven
       Dschihadisten, viele von ihnen aus Tschetschenien, Usbekistan oder auch
       Uiguren aus Westchina, in ihre Ursprungsländer zurückkehren.
       
       Sie sollen bekämpft und getötet werden, solange sie in Syrien sind. Genau
       das will Erdoğan verhindern. Er gilt als letzter Schutzpatron, mindestens
       der gemäßigten Rebellen, und er will auf jeden Fall verhindern, dass durch
       die Kämpfe neue Flüchtlinge aus Syrien in die Türkei drängen. Für diesen
       Fall hat er Merkel bereits angedroht, dass die Leute dann weiter nach
       Europa wandern würden; die Türkei sei mit den 3,6 Millionen syrischen
       Flüchtlingen, die jetzt bereits dort leben, schon völlig überlastet.
       
       ## Pufferzone in Ostsyrien
       
       Ein Ausweg könnte eine Pufferzone östlich des Euphrats entlang der
       türkischen Grenze aber auf syrischer Seite sein, die Erdoğan gemeinsam mit
       den USA, die diese Region zusammen mit der kurdischen YPG-Miliz
       kontrollieren, einrichten will. Die YPG, die Erdoğan als Gefahr für die
       Türkei ansieht, soll aus dieser Zone vertrieben werden; stattdessen sollen
       dort Häuser gebaut werden, in die Flüchtlinge aus der Türkei nach Syrien
       zurückgebracht werden können.
       
       Dafür sucht Erdogan politische und finanzielle Unterstützung in Europa,
       denn die Kooperation mit den USA läuft bislang nicht so, wie Erdoğan sich
       das vorstellt.
       
       Kommt die Unterstützung aus Europa nicht, könnten die Zahlen der
       Flüchtlinge, die aus der Türkei auf den griechischen Ägäisinseln anlanden,
       bald wieder ansteigen. Allein im August dieses Jahres kamen 9.300
       überwiegend syrische und afghanische Flüchtlinge auf Lesbos, Kos und
       anderen Inseln an, die größte Anzahl seit dem Abschluss des
       EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens vom März 2016. Ob bewusst von der türkischen
       Küstenwache durchgelassen oder nur bedingt durch das derzeit ruhige Wetter,
       ist unklar, eine Botschaft ist es allemal.
       
       16 Sep 2019
       
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   DIR Jürgen Gottschlich
       
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