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       # taz.de -- Fußball-Nationalspielerin Almuth Schult: Baustelle Schulter
       
       > Almuth Schult hat mit schweren Verletzungen bei der WM gespielt – auf
       > eigenes Risiko. Was der DFB darüber wusste, kann auch eine TV-Doku nicht
       > klären.
       
   IMG Bild: Almuth Schult im Spiel gegen Schweden – Deutschland schied nach diesem Spiel aus
       
       Wenn ein Filmporträt einer bemerkenswerten Sportlerin mit Nahaufnahmen
       einer Operation einsteigt, bei der Skalpell, Knochen und Bänder im Detail
       zu erkennen sind, dann handelt es sich um keine herkömmliche
       Verletzungsgeschichte. Erst im Rückblick kommt heraus, welches Risiko die
       deutsche Nationaltorhüterin Almuth Schult bei der Frauen-WM in Kauf
       genommen hat.
       
       Direkt nach dem Turnier musste sie an der Schulter operiert werden. In der
       am Sonntag (23.35 Uhr/NDR) ausgestrahlten Folge der „Sportclub Story“ wird
       die lange als Verschlusssache behandelte Diagnose ausführlich behandelt.
       
       „Wir hatten drei Baustellen“, sagt Professor Mark Tauber vom Deutschen
       Schulterzentrum München. „Zum einen war die lange Bizepssehne am Anker
       gerissen.“ Die Sehne sei abgetrennt und verlagert worden. Zweite Baustelle
       sei die abgerissene Gelenkslippe gewesen, „da habe ich drei Dübel gesetzt“.
       
       Und als Drittes kam noch eine angerissene Kapsel dazu, die der Operateur
       mit einem Faden vernähte. Tauber antwortet auf die Frage, ob es normal sei,
       dass jemand damit noch eine WM bestreitet: „Definitiv nicht. Da muss ich
       größten Respekt zollen. Da scheint der Leidensdruck wirklich überwunden
       worden zu sein.“
       
       Schult hatte sich die Verletzung im Training beim VfL Wolfsburg zugezogen.
       Kurz vor dem Pokalfinale gegen den SC Freiburg. „Ich hab dann auch gesagt,
       ich beiße auf die Zähne.“ Die Schulter wurde mit Injektionen und
       Physiotherapie stabilisiert, Schult nahm Schmerzmittel. Die 28-Jährige
       schildert jedoch: „Ich habe unter solchen Schmerzen gespielt. Und auch beim
       Schlafen in der Nacht bin ich aufgewacht.“ Die WM-Teilnahme von
       Deutschlands Nummer eins war in Gefahr. Die für das junge Team in
       Frankreich als Rückhalt fest eingeplante Schult drohte auszufallen.
       
       ## Einfühlsames Bild einer besonderen Torfrau
       
       Die Torhüterin verschwieg die Schwere der Verletzung bewusst. „Dann wäre
       vielleicht ein Fehler passiert und es wäre ein Aufschrei gekommen.“
       Grundsätzlich gebe es einen großen Druck im Fußball, keine Schwäche zu
       zeigen, sagt sie: „Wenn man weiß, man wird gebraucht, geht man über
       Grenzen. Und als Torwart muss man egal in welcher Situation immer
       suggerieren, dass es einem gut geht. Man steht besser im Tor und sagt: Du
       schießt hier keinen Ball rein. Mir geht’s super. Und das musste ich leider
       dieses Jahr sehr oft schauspielern.“ Eine Anspielung auch auf ihre
       Masernerkrankung zu Jahresbeginn.
       
       Ihre Haltung erinnert ans Immer-weiter-immer-weiter-Credo eines Oliver
       Kahn. Auch der Nationaltorhüter hat einst eine schlimme Fingerverletzung im
       WM-Finale 2002 ignoriert und folgenschwer gepatzt. Schult spricht offen
       darüber, dass nicht mal ihre Mitspielerinnen Bescheid wussten. Unklar
       bleibt, in welchem Umfang Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg
       eingeweiht war. Gaben die erstellten MRT-Bilder dem medizinischen Stab der
       DFB-Frauen keine Hinweise? Oder reichten alle die Verantwortung an Schult
       weiter? Die Olympiasiegerin lächelt auch heute darüber hinweg.
       
       Schult, die für die kommenden Qualifikationsspiele für die EM 2021 gegen
       die Ukraine (5. Oktober) und Griechenland (8. Oktober) wieder von Merle
       Frohms vom SC Freiburg vertreten wird, trug am Aus im WM-Viertelfinale
       gegen Schweden (1:2) keinerlei Schuld. Auch dank ihr waren die Deutschen
       ohne Gegentor ins Viertelfinale eingezogen.
       
       Unmissverständlich erklärt sie, dass Mentalitätsmängel genereller Art im
       deutschen Frauenfußball bestehen. Ihr Vergleich: „Wenn ich in einer Firma
       bin und Chef und sortiere immer den Auszubildenden aus, der sagt: ‚Chef,
       ich glaube, wir können noch was verbessern‘, und der Chef sagt: ‚du gehst
       mir auf den Senkel, ich nehme lieber die drei, die nichts sagen‘, dann wird
       man auch in dieser Firma keine Führungspersönlichkeiten ausbilden.“
       
       NDR-Autorin Inka Blumensaat zeichnet unter dem Titel „Vom Wendland in die
       Weltklasse“ ein einfühlsames Bild einer besonderen Tofrau, die im Dörfchen
       Lomitz in der niedersächsischen Provinz über den elterlichen Bauernhof
       führt, wo sie ein paar Hundert Meter weiter mit ihren Mann lebt. Seit einem
       Dreivierteljahr ist Schult verheiratet, eigene Kinder sind ein Wunsch.
       Vorher aber will sie wieder auf den Fußballplatz zurückkehren. Ihr
       Versprechen für das noch nicht terminierte Comeback: „Ich werde stärker
       zurückkommen.“
       
       29 Sep 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Hellmann
       
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