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       # taz.de -- Abgeordnetenhaus: Senatorin: Klimanotstand ausrufen
       
       > Klimadebatte im Parlament: Regine Günther (Grüne) will diesen Schritt in
       > der Landesregierung vorschlagen.
       
   IMG Bild: Senatorin Günther (Grüne) will im Senat durchsetzen, den Klimanotstand auszurufen
       
       Der wichtigste Satz an diesem Donnerstagvormittag im Abgeordnetenhaus
       fällt, als die Debatte über Klima, Umwelt und die entsprechenden Pakete
       schon über eine Stunde läuft und kurz vor dem Ende ist. Regine Günther sagt
       ihn, die zuständige Senatorin: „Ich werde dem Senat vorschlagen, dass
       Berlin das, was die Menschen Klimanotstand nennen, offiziell anerkennt, als
       erstes Bundesland.“ Das kommt überraschend, weil die rot-rot-grüne
       Landesregierung bislang skeptisch gegenüber einem solchen Schritt wirkte,
       nachdem im August Potsdam den Klimanotstand ausrief.
       
       Dass der Satz erst am Ende kommt, hat den Nachteil, dass die anderen Redner
       nichts dazu sagen können – jedenfalls nicht in der Debatte. FDP-Mann Henner
       Schmidt schickt deswegen eine Pressemitteilung hinterher, wonach Günthers
       Ankündigung „reine Symbolpolitik“ ist: „Der Klimaschutz wird nicht dadurch
       befördert, dass man immer drastischere Begriffe wählt.“ Es fehle nicht an
       ehrgeizigen Zielen, „es fehlt in Berlin an einer zielgerichteten Umsetzung
       und an klugen Ideen“.
       
       Die Grünen-Fraktion hatte den Klimastreik von vergangenem Freitag mit weit
       über 100.000 Teilnehmer allein in Berlin zum Anlass genommen, eine Debatte
       darüber anzusetzen.
       
       Es sind gleich mehrere Fronten, die sich dabei bilden. Zum einen: alle
       gegen die CDU – weil die als einzige Fraktion das parallel zum Streik
       beschlossene Klimapaket der schwarz-roten Bundesregierung verteidigt.
       Allein für die CDU-Fraktion und ihren Redner Danny Freymark übertrifft das
       Paket der Bundesregierung das, was die rot-rot-grüne Koalition 2016 zu
       Umwelt und Verkehr in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat – und was
       Freymark „gar nicht so schlecht“ nennt.
       
       Zum anderen: die AfD gegen alle. Die spottet, Klimaschutz sei „die neue
       Religion, Greta ist der neue Messias, und die Grünen sind die Inquisition.“
       Und leugnet, dass es überhaupt einen von Menschen bewirkten Klimawandel
       gibt. Sie wirft vielmehr allen anderen vor, wichtige Themen wie Gesundheit
       in anderen Ländern zu vernachlässigen, weil man sich auf den Klimaschutz
       konzentriere – völlig den Zusammenhang zwischen Erwärmung und
       Versorgungslage ignorierend. „Halten Sie diese Rede mal in einem vom
       Klimawandel betroffenen Land!“, ruft Michael Efler von der Linkspartei
       darum der AfD zu.
       
       Und dann ist auch noch eine rot-schwarze Interessengemeinschaft für
       U-Bahn-Ausbau gegen Grüne und Linkspartei zu beobachten. Als CDUler
       Freymark den öffentlichen Nahverkehr anspricht und die Verlängerung der U8
       ins Märkische Viertel fordert, klatscht SPD-Verkehrsexperte Tino Schopf.
       Und gibt gleich doppelt „thumbs up“, als Freymark dann auch noch berichtet,
       wenn in einem Gespräch ein SPD-Kollege etwas für U-Bahn-Bau sage, würden
       sich gleich zwei Grüne dagegen stellen. Hintergrund ist, dass die
       SPD-Fraktion Senatorin Günther und ihre Koalitionspartner Grüne und
       Linkspartei seit Längerem drängt, den U-Bahn-Ausbau zu unterstützen, auch
       wenn davon nichts im Koalitionsvertrag steht.
       
       Schnell wieder auseinander sind Sozialdemokraten und CDU, als Freymark die
       geplante Tariferhöhung bei Bus und Bahn ab 2020 kritisiert. Daniel Buchholz
       kann das für die SPD-Fraktion weitgehend abwehren: Berlin sei nur ein Teil
       des Verkehrsverbunds mit Brandenburg, einige Landkreise dort hätten die
       Fahrpreise um über 10 Prozent anheben wollen. Außerdem würden Abo-Karten
       und die günstigen 4-Fahrten-Tickets keinen Cent teurer.
       
       All das rückt in den Hintergrund, als Senatorin Günther ankündigt, dass sie
       den Klimanotstand ausrufen will. Eine Bürgerinitiative hatte dafür nach
       eigener Zählung schon über 40.000 Unterschriften gesammelt und verbindet
       das mit Forderungen nach Tempo 30 berlinweit oder fleischfreiem Essen in
       staatlichen Kantinen und Mensen. Günther will konkrete Vorschläge noch
       vorlegen. „Das Thema ist noch lang nicht zu Ende“, sagt sie, „es fängt erst
       an.“
       
       26 Sep 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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   DIR Volksinitiative
       
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