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       # taz.de -- RWE baut das Portfolio um: Heuchlerische Pläne
       
       > Die RWE feiert sich dafür, dass man jetzt auf Ökoenergien macht. Dabei
       > ist der Konzern viel zu spät dran und zerstört weiterhin Dörfer für die
       > Kohle.
       
   IMG Bild: RWE-Windpark in der Ostsee vor Rügen
       
       Sie nennen sich „[1][Menschenrecht vor Bergrecht“] und hatten zumindest am
       Montag keine Chance gegen RWE: Der Essener Energiekonzern generierte eine
       Menge positiver Schlagzeilen an der Börse und in der Wirtschaftspresse. Am
       Morgen präsentierte Vorstandschef Rolf Martin Schmitz die Neuaufstellung
       des Konzerns und bastelte daraus eine Jubelmeldung.
       
       Fast zeitgleich schickten Anwohner*innen des Tagesbaus Garzweiler II einen
       Brief an Schmitz. Sie forderten eine „Klarstellung, dass in Zeiten des
       beschlossenen Kohleausstiegs und der Klimakrise keine Dörfer mehr für den
       Kohleabbau zerstört werden dürfen“. Der Konzern will die Orte Keyenberg,
       Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich und weitere trotz Kohleausstiegs
       zerstören und abbaggern. Das, obwohl [2][Berechnungen] etwa des Deutschen
       Instituts für Wirtschaftsforschung ergeben haben, dass für die Restlaufzeit
       der Kraftwerke bis 2038 mehr als genug Kohle in den vorhandenen Tagebauen
       abgebaut werden kann.
       
       Schmitz' Konzernumbau ist deshalb heuchlerisch. Bis 2040 will er RWE
       „klimaneutral“ und zu einem weltweiten Player für erneuerbare Energien
       machen. Bereits 2018 hat RWE dabei mit Eon, dem zweiten großen deutschen
       Energiekonzern, das Terrain in Sachen Energiewende abgesteckt: Die beiden
       Energiealphatiere haben die Eon-Tochter Innogy unter sich aufgeteilt. Eon
       bekommt die Stromnetze, die wegen der Energiewende digitaler und
       intelligenter werden müssen, und außerdem das Geschäft mit den Endkunden,
       also uns. RWE übernimmt dafür komplett die Stromerzeugung aus erneuerbaren
       Energien von Eon und Innogy.
       
       Kurzum, beide Konzerne kommen sich nicht in die Quere, in guter, alter
       Tradition: Seit der Weimarer Republik haben sich in Deutschland RWE und die
       Firmen, aus denen Eon im Jahr 2000 zusammenfusioniert wurden, den deutschen
       Strommarkt staatlich abgesegnet fein aufgeteilt. In den Nullerjahren
       sprachen sich die Konzerne regelmäßig ab, das Bundeskartellamt [3][sprach
       damals von einem „Duopol“].
       
       ## Kein einziges neues Windrad
       
       Die Aufteilung der Geschäfte jetzt trägt zumindest an der Börse Früchte für
       RWE, dort ist der Wert des Konzern seit Anfang des Jahres um 40 Prozent
       gestiegen. Eine innovative Leistung lässt sich in der neuen Strategie
       trotzdem nicht erkennen. Wenn RWE jetzt behauptet, zu einem der führenden
       Produzenten erneuerbarer Energien weltweit aufzusteigen, dann liegt das ja
       nicht daran, dass man die Chance frühzeitig erkannt und investiert hat.
       
       Durch den selbst ausgerufenen Aufstieg in die Ökoliga wird zunächst auch
       kein neues Windrad und keine neue Solaranlage aufgestellt – RWE übernimmt
       nur Vorhandenes und erzeugt weiterhin den meisten Strom aus Kohle. Außerdem
       kündigt Schmitz zwar 1,5 Milliarden Euro Investitionen in Ökoenergien im
       Jahr an, allerdings kaum in Deutschland. Dass man mit erneuerbaren Energien
       weltweit eine Menge Geld verdienen kann, ist seit Jahren bekannt. Für die
       späte Erkenntnis kann man Schmitz getrost die goldene Schnecke verleihen.
       
       Ein großes Opfer ist der Kohleausstieg für RWE ohnehin nicht: In
       Deutschland kassiert er dafür Milliardenentschädigungen, in den
       Niederlanden 2,9 Milliarden Euro Förderung, um Kohlemeiler auf Biomasse
       umzurüsten. Die groß angekündigte Umstellung bis 2040 ist eine Anpassung an
       politische, gesellschaftliche und ökonomische Realitäten. Der Wandel wurde
       über Jahre von Umweltverbänden, Politikern, Wissenschaftlern und all denen,
       die für die Energiewende auf die Straße gingen, erkämpft. Gegen den
       Widerstand von RWE-Managern, die sich jetzt feiern lassen.
       
       RWE ist zu den Veränderungen jetzt, metaphorisch gesprochen, geprügelt
       worden. Und am einzigen Punkt, an dem die Essener Dinosaurier aktiv positiv
       handeln könnten, da versagen sie wie eh und je: Zu einem Verzicht auf die
       mutwillige Zerstörung weiterer Dörfer für die Kohle muss RWE wohl von
       Gerichten gezwungen werden.
       
       30 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://menschenrecht-vor-bergrecht.de/
   DIR [2] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.612926.de/diwkompakt_2019-132.pdf
   DIR [3] https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2007/06_06_2007_EON-Eschwege-OLG.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ingo Arzt
       
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