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       # taz.de -- Mietendeckel Berlin: Showdown um den Mietendeckel
       
       > In zwei Wochen will der Senat über den Mietendeckel entscheiden. Die
       > Mietenbewegung ruft zur Großdemonstration auf.
       
   IMG Bild: Schon im April wurde für bezahlbaren Wohnraum demonstriert
       
       Berlin taz | Kommt der Deckel oder kommt er nicht? Und vor allem: Kommt ein
       Deckel, der auch wirklich deckeln kann? Zwei Wochen vor der
       Senatsentscheidung zum Mietendeckel, [1][die für den 15. Oktober
       angekündigt ist], wird um diese Fragen weiter gekämpft – mit zunehmend
       härteren Bandagen.
       
       „Jetzt, wo es wirklich an die Substanz des spekulativen Immobilienmarkts
       gehen könnte, werden massive Gegenkampagnen aufgefahren“, sagt Jonathan
       Diesselhorst vom Bündnis Stadt von Unten am Montag. Verschiedene
       stadtpolitische Initiativen vom Berliner Mieterverein bis zur
       Enteignungskampagne haben zu einer Pressekonferenz geladen, auf der sie
       über die für Donnerstag geplante Mietendemonstration berichten, Motto:
       „Erst richtig deckeln, dann enteignen.“ Der entscheidende Zeitpunkt sei
       genau jetzt, sagt Diesselhorst: „Wir sehen, wie Teile des Senats Angst vor
       der eigenen Courage bekommen. Aber wir wollen einen echten Mietendeckel,
       und werden uns nicht mit einem verwässerten Beschluss zufrieden geben.“
       
       Der Ende August veröffentlichte Referentenentwurf für einen Mietendeckel
       aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wurde gegenüber einem
       früheren, weitreichenderen Entwurf bereits [2][in mehreren entscheidenden
       Punkten] verändert. [3][Zuungunsten der Mieter:innen], wie Franziska
       Schulte vom Mieterverein am Montag betont: „Dass ein Absenken der Miete nur
       noch auf Antrag und unter eng definierten Bedingungen möglich sein soll,
       wird dafür sorgen, dass sich gerade für die sozial schlechter gestellten
       Mieter:innen die Dinge nicht zum Besseren wenden werden“, sagt Schulte.
       Zudem sei die Kopplung der Absenkungsmöglichkeit ans Einkommen auch
       rechtlich bedenklich.
       
       Hört man in diesen Tagen dem Regierenden Bürgermeister zu, ist allerdings
       schon fraglich, ob der Mietendeckel überhaupt eine Absenkungsmöglichkeit
       enthalten wird. „Wir werden keine Absenkungsmöglichkeit schaffen“, hatte
       Michael Müller (SPD) bereits vor zwei Wochen in einer Talkshow behauptet,
       in einem Interview bei Phoenix bekräftigte er diese Marschrichtung.
       
       Die Absenkung ist derweil [4][nicht der einzige strittige Punkt] beim
       Mietendeckel. Auch die Tatsache, dass Modernisierungen, die bis zu 15 Jahre
       her sein dürfen, die erlaubten Mietobergrenzen erhöhen sollen, stößt unter
       anderem beim Mieterverein auf Ablehnung: „Diese Modernisierungen sind ja
       bereits in den Mietspiegel eingeflossen, der die Grundlage für den Deckel
       ist, zudem haben sie sich in den meisten Fällen längst amortisiert“, sagt
       Franziska Schulte. Der Mieterverein bezweifle, dass der aktuelle Entwurf
       Erleichterungen für die Mieter:innen bringen könnte: „Wir fordern deutliche
       Nachbesserungen vom Senat.“
       
       ## Aufruf zum Kündigen
       
       Die Seite der Vermieter bläst derweil ungeachtet der Frage, ob der
       Mietendeckel überhaupt in einer wirksamen Form kommen wird, weiter zum
       Angriff. In der Branchenzeitung Das Grundeigentum etwa werden Vermieter
       aufgerufen, bei Inkrafttreten eines Mietendeckels ihren Mietern fristlos zu
       kündigen. „Die richtige Strategie aus Eigentümersicht ist deshalb, zu
       überlegen, welche Mieter am Tag des Inkrafttretens des Mietendeckelgesetzes
       gekündigt werden sollen, weil man unter den neuen gesetzlichen Vorgaben an
       sie nicht vermietet hätte, und diese Kündigungen dann auszusprechen“, führt
       der Berliner Mietrechtsanwalt Tobias Scheidecker im entsprechenden Artikel
       aus.
       
       Aus der Immobilienwirtschaft heraus wird derweil eine wohlklingend benannte
       Kampagne nach der anderen gestartet: Der Zusammenschluss „Berlin kann mehr“
       gibt sich mit dem Aufruf „Mut statt Wut“ das Aussehen einer Bürgeriniative,
       der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen macht schon länger
       unter dem Motto „Weiterdenken“ mobil, und die Deutsche Wohnen hat eine
       mehrstufige Kampagne mit dem Titel „Faires Wohnen“ gestartet. „Diese
       Versuche, mit Fake-Initiativen Bürgerwille zu simulieren, sind angesichts
       der starken Mieterbewegung zum Scheitern verurteilt“, sagt dazu der
       Mietenaktivist Michael Prütz.
       
       [5][Die Mietenbewegung] kritisiert nicht nur die Verwässerung des
       Mietendeckels, sondern auch die Verschleppung des Volksbegehrens „Deutsche
       Wohnen & Co Enteignen“, das seit Juni zur Prüfung bei der Innenverwaltung
       liegt. „Es kann nicht sein, dass direkte Demokratie auf diesem Weg
       ausgehebelt wird, deswegen erhöhen wir jetzt den Druck“, sagt Ralf
       Hoffrogge, einer der Sprecher des Volksbegehrens.
       
       Mittlerweile sei nicht nur durch zahlreiche Gutachten belegt, dass die
       angestrebten Enteignungen rechtlich möglich seien, auch die Finanzierung
       sei kein Problem: „Wenn eine einzelne landeseigene Wohnungsbaugesellschaft
       völlig überhöhte Spekulationspreise ohne Landeszuschüsse stemmen kann, dann
       kann die von uns geplante Anstalt öffentlichen Rechts auch die
       Entschädigungskosten stemmen“, so Hoffrogge mit Blick auf den am Wochenende
       bekannt gewordenen Riesen-Deal der Gewobag, die für fast eine Milliarde
       Euro 6.000 ehemals kommunale Wohnungen in Reinickendorf und Spandau
       zurückgekauft hat. Das Volksbegehren zielt auf die Kommunalisierung von
       rund 200.000 Wohnungen, deren Mieteinnahmen dann in die Landeskasse fließen
       würden. Die Entschädigungskosten bezifferte Finanzsenator Matthias Kollatz
       (SPD) zuletzt auf rund 20 Milliarden Euro.
       
       1 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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