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       # taz.de -- Nachwirkungen Blockupy-Proteste: Plastikfolie als Schutzwaffe?
       
       > Ein Aktivist legt Verfassungsbeschwerde gegen Geldstrafe ein. Er war
       > verurteilt worden, weil er sich mit Folie gegen Pfefferspray hatte
       > schützen wollen.
       
   IMG Bild: Aktivist Benjamin Ruß findet ganz und gar nicht, dass eine Plastikfolie eine „Schutzwaffe“ ist
       
       Karlsruhe taz | Kann es strafbar sein, auf seine Gesundheit zu achten? Das
       fragt sich Benjamin Ruß. Der Münchener Blockupy-Aktivist wurde zu einer
       Geldstrafe verurteilt, weil er sich mit einer Plastikfolie vor Pfefferspray
       schützen wollte. Die Plastikfolie sei eine verbotene „Schutzwaffe“,
       urteilten Strafrichter. Dagegen hat Ruß jetzt eine Verfassungsbeschwerde
       eingelegt, die der taz vorliegt.
       
       Konkret ging es um einen Vorfall im März 2015. [1][Damals protestierten
       Tausende Linke in Frankfurt am Main gegen die feierliche Eröffnung der
       Europäischen Zentralbank (EZB)], die als Symbol für Austeritätspolitik
       kritisiert wurde. Es kam zu Ausschreitungen, dabei setzte die Polizei unter
       anderem Pfefferspray ein.
       
       Als die Polizei anschließend ihre Videoaufnahmen auswertete, fiel ihr ein
       junger Mann mit einer roten Jacke auf, der zeitweise eine Plastikfolie vor
       dem Gesicht trug. Anhand seiner Jacke wurde er schnell als Benjamin Ruß aus
       München identifiziert, denn 2015 [2][agierte er auch als Pressesprecher]
       der [3][Proteste gegen den G7-Gipfel im bayerischen Elmau].
       
       Plastikfolien, wie Ruß sie trug, waren am Vorabend der EZB-Proteste
       hundertfach an Aktivisten verteilt worden. Es handelte sich um
       durchgeschnittene transparente Overheadfolien in DIN-A5-Größe mit einer
       Dicke von etwa 3 Millimetern. Sie konnten mit einem Band am Kopf befestigt
       werden und sollten die Augen gegen Pfeffersprayeinsätze schützen.
       
       Nach Ansicht von Frankfurter Strafrichtern war dies jedoch ein Verstoß
       gegen das Schutzwaffenverbot. Ruß wurde im Mai 2017 vom Amtsgericht
       Frankfurt zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Frankfurter Landgericht
       bestätigte dies im März 2019. Ruß musste 300 Euro bezahlen (30 Tagessätze).
       
       Das Schutzwaffenverbot wurde 1985 gemeinsam mit dem Vermummungsverbot ins
       Versammlungsgesetz eingeführt. Seitdem ist es verboten, bei Versammlungen
       unter freiem Himmel „Schutzwaffen“ mit sich zu führen, die Maßnahmen der
       Polizei abwehren sollen.
       
       Gemeint sind zum Beispiel Panzerungen an der Kleidung, Schutzschilde oder
       Helme. Solche Ausrüstungen dokumentierten „aufgrund ihres martialischen
       Erscheinungsbildes eine offenkundige Gewaltbereitschaft“, so damals der
       Gesetzgeber. Schutzwaffen übten zudem eine „aggressionsstimulierende
       Wirkung“ aus.
       
       ## Weder martialisch noch aggressionsstimulierend
       
       Davon ausgehend könne eine Plastikfolie nicht als Schutzwaffe behandelt
       werden, kritisiert Ruß in seiner Verfassungsbeschwerde. Sie wirke weder
       martialisch noch aggressionsstimulierend. Sie sei auch nicht dazu da, den
       Träger für körperliche Auseinandersetzungen mit der Polizei zu ertüchtigen.
       Vielmehr solle die Folie nur seine eigene Gesundheit schützen. Er habe den
       ganzen Tag nur friedlich demonstriert, das zeigten auch die Polizeivideos.
       
       Ruß beruft sich auch auf eine Polizistin, die beim Landgericht ausgesagt
       hatte. Danach solle mit Pfefferspray nur auf den Brustbereich gezielt
       werden. Gereizt werden sollten die Atemwege und nicht die Augen. Daraus
       schloss Ruß: „Wenn ich meine Augen gegen Pfefferspray schütze, schütze ich
       sie nur gegen die illegale Anwendung in die Augen sowie gegen die
       Streuwirkung von flächendeckend versprühtem Pfefferspray.“
       
       Wenn Demonstranten sich nicht gegen den illegalen Einsatz von Reizmitteln
       schützen dürften, seien die Demonstrationsfreiheit und das Recht auf
       körperliche Unversehrtheit verletzt, heißt es in der Verfassungsbeschwerde,
       die von dem Münchener Anwalt Mathes Breuer verfasst wurde.
       
       Der Einsatz von Plastikfolien ist bei Demonstrationen inzwischen zwar
       wieder etwas aus der Mode gekommen, aber Ruß findet den Gang nach Karlsruhe
       trotzdem praktisch relevant. „Wenn mir das Bundesverfassungsgericht recht
       gibt, werde ich meine Augen sofort wieder mit einer Folie schützen“, sagte
       er auf Nachfrage.
       
       1 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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