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       # taz.de -- 70. Jahrestag der Volksrepublik China: Polizeischüsse und Atomraketen
       
       > Hongkongs Polizei schießt scharf auf Demonstranten. In Peking betont
       > derweil Parteichef Xi Jinping bei einer Militärparade Chinas große
       > Stärke.
       
   IMG Bild: Hongkonger Polizisten feuern am Nationalfeiertag Tränengas auf Demonstranten
       
       BERLIN taz | „Keine Kraft kann die Grundlagen dieser großartigen Nation
       erschüttern.“ Diesen zentralen Satz seiner Rede zum [1][70. Jahrestag der
       Volksrepublik] sprach Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping bei der
       Militärparade am Dienstag auf Pekings Tiananmen-Platz. Doch in der
       autonomen Sonderverwaltungszone Hongkong 2.000 Kilometer südlich ließen
       sich Zehntausende in Trauerschwarz gekleidete Demonstranten weder von Xis
       Worten, die auch als Drohung zu verstehen waren, noch von Pekings massiver
       Schau militärischer Stärke beeindrucken.
       
       An mindestens fünf Orten Hongkongs gingen die Menschen tagsüber wie schon
       seit vier Monaten zu Zehntausenden für mehr demokratische Rechte und gegen
       Pekings Einfluss auf die Stadt auf die Straße. Demonstrationen waren im
       Vorfeld von der Polizei verboten worden. 6.000 Beamte waren im Einsatz.
       
       Blieb es zunächst friedlich, kam es später zu massiver Gewalt beider
       Seiten. Demonstranten und Polizisten schlugen aufeinander ein, die Polizei
       schoss mit Gummigeschossen und Tränengas und setzte Wasserwerfer ein.
       
       Demonstranten warfen mit Brandsätzen und Gegenständen aller Art. Sie
       griffen Regierungsgebäude, Polizeistationen und auch Geschäfte
       Peking-freundlicher Tycoone und Firmen an.
       
       ## Die Polizei schießt fünf Mal
       
       Insgesamt fünfmal schossen Polizisten bis Redaktionsschluss mit ihren
       Dienstpistolen, meist in die Luft. Doch Im Vorort Tsuen Mun wurde erstmals
       ein Demonstrant von einem mutmaßlich gezielten scharfen Schuss eines
       Polizisten in die Brust getroffen. Am Abend wurde er laut South China
       Morning Post notoperiert. Nach Auskunft der Hongkonger Krankenhausbehörde
       wurden insgesamt 31 Personen stationär behandelt.
       
       Aus Angst vor Gewalt blieben den Tag über schon zahlreiche Geschäfte
       geschlossen. Bilder aus Hongkong zeigten gespenstisch leere Straßen dieser
       sonst vor Vitalität strotzenden Wirtschaftsmetropole. Über einigen Vierteln
       standen Rauchsäulen.
       
       Vor den wenigen geöffneten Läden und Kiosken standen Demonstranten
       Schlange, um sich mit Getränken und Essen zu versorgen. Die U-Bahn schloss
       im Laufe des Tages 41 ihrer insgesamt 91 Bahnhöfe. Von der Insel Honkong
       aufs Festland nach Kowloon ging es nur noch per Fähre.
       
       ## Notstand gefordert
       
       Von Peking aus forderte der Peking-freundliche Hongkonger Abgeordnete
       Junius Ho Kwan-yiu, eine Hassfigur der Demokratiebewegung, die Regierung
       der Sonderzone zur Erklärung des Notstandes und damit zu härtestem
       Durchgreifen auf.
       
       Der Notstand würde nach dem Verständnis vieler den Weg ebnen für ein
       Eingreifen von Chinas bewaffneter Volkspolizei. Die hat im benachbarten
       Shenzhen in den letzten Wochen schon entsprechende Einsätze geübt. Die von
       Peking lancierten Videoaufnahmen davon wurden in Hongkong als Drohung
       verstanden.
       
       Laut Recherchen der Agentur Reuters, die am Montag veröffentlicht wurden,
       hat China seine Truppenzahl und die auf die Niederschlagung von
       Demonstrationen spezialisierten Einheiten der bewaffneten Volkspolizei in
       Honkong bereits verdoppelt. Die Agentur beruft sich dabei auf eigene
       Beobachtungen und Äußerungen ungenannter westlicher Diplomaten. Hongkonger
       Regierungsstellen wollten dies weder bestätigen noch dementieren.
       
       ## Verstärkung und kein Austausch
       
       China hatte im August zahlreiche Sicherheitskräfte in das autonome Hongkong
       geschickt und dies als routinemäßigen Austausch des Personals bezeichnet.
       Laut Reuters hätten aber keine chinesischen Sicherheitskräfte um diese Zeit
       die Stadt verlassen.
       
       In Peking demonstrierte die Volksrepublik an ihrem 70. Gründungstag
       militärische Stärke. 15.000 Soldaten marschierten an der Staats- und
       Parteiführung und ihren Gästen, darunter 250 Repräsentanten Hongkongs,
       vorbei. Gezeigt wurden die neueste Interkontinentalrakete Dongfeng
       (Ostwind) 41, die laut Fachleuten mit ihren zehn Atomsprengköpfen die USA
       erreichen kann.
       
       1 Oct 2019
       
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