URI: 
       # taz.de -- Brand in französischer Chemiefabrik: Wie bei einer Ölpest
       
       > Nach dem Brand in einer Chemiefabrik in Rouen in der Normandie werfen
       > Umweltorganisationen den Behörden vor, die Folgen herunterzuspielen.
       
   IMG Bild: Rauch über der Rubrizol-Fabrik in Rouen am 26. September
       
       Paris taz | Nach einem Brand in der westfranzösischen Chemiefabrik Lubrizol
       in Rouen (Normandie) geraten die Behörden unter Druck. Aus noch unbekannten
       Gründen war am Donnerstag in der Fabrik ein Brand ausgebrochen. Schwarze
       Rauchwolken breiteten sich rasch auf viele Kilometer Länge aus. Die
       Behörden bemühten sich, die Bevölkerung zu beruhigen: Es bestehe keine
       akute Giftgefahr, sagte der Präfekt, der auf wiederholte Messungen der
       Luftqualität verwies. Vorsichtshalber aber blieben alle Schulen und Krippen
       in der weiteren Umgebung des Brandherds geschlossen.
       
       Haben die Behörden die Risiken unterschätzt oder heruntergespielt? Das
       behaupten Umweltorganisationen und BürgerInnen, die inzwischen Klage gegen
       unbekannt eingereicht haben. Die lokalen Behörden und die Regierung
       versprechen „völlige Transparenz“.
       
       Doch bis heute ist unbekannt, welche Chemikalien in dem Werk gelagert
       waren, das vor allem industrielle Schmiermittel produziert. Die Fabrik ist
       wegen der Katastrophenrisiken in der „Seveso“-Kategorie eingestuft. In
       Seveso ist es 1976 zu dem bis dahin schlimmsten [1][Dioxinunfall] der
       Industriegeschichte gekommen.
       
       Zahlreiche Menschen klagen seit dem Brand über Kopfschmerzen und andere
       Beschwerden. „Es gibt eine Psychose-Stimmung“, sagt Damien Adam, ein
       Abgeordneter der Regierungspartei LREM. Sein sozialistischer Kollege
       Christophe Bouillon dagegen hat Verständnis für die Angst: „Einerseits sagt
       man den Leuten, alles ist in Ordnung, und gleichzeitig wird ihnen gesagt,
       sie sollen besser keine Eier essen, und die Landwirte werden aufgefordert,
       ihre Kühe einzuschließen.“
       
       ## Ernte ungeniessbar
       
       Dass die zum Teil verheerende Verschmutzung durch schmierigen Ruß kein
       Hirngespinst ist, hat der Bienenzüchter Pierre Berrubé der Zeitung Le Monde
       vorgeführt: Mit seiner Hand schiebt er ein weißes Taschentuch in den
       Bienenstock -- beim Rausziehen ist es schwarz. Auf Mais- und Weizenfeldern
       in einer Umgebung von bis zu 30 Kilometern finden sich dieselben schwarzen
       Rückstände wie bei einer Ölpest. Viele Landwirte ahnen, dass sie ihre Ernte
       nicht als Futtermittel verwenden können oder dass ihre Milchprodukte für
       ungenießbar erklärt werden.
       
       Man meisten schockiert sie indes, dass die für die Sicherheit zuständigen
       Behörden das Ausmaß der Katastrophe mutmaßlich unterschätzt hätten oder gar
       verharmlosen wollten. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage,
       wie es kommt, dass auch nach dem schweren Unglück in der
       [2][Düngemittelfabrik AZF], bei dem 2001 31 Menschen starben und 2500
       verletzt wurden, noch immer „Seveso“-Anlagen in unmittelbarer Nähe von
       Wohnquartieren betrieben werden. „Man hat nicht alle Lehren aus AZF
       gezogen“, meint der Abgeordnete Bouillon zur Katastrophenprävention in
       Rouen.
       
       1 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Dioxin-Fund-in-Hamburg/!5546649
   DIR [2] /Urteil-zu-AZF-Katastrophe-in-Frankreich/!5152185
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
       ## TAGS
       
   DIR Chemieunfall
   DIR Schwerpunkt Frankreich
   DIR Brand
   DIR Evakuierung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Chemieunfall auf der Krim: Späte Evakuierung
       
       Erst zwei Wochen nach einem Chemieunglück wurden Schüler auf der von
       Russland annektierten Halbinsel evakuiert – und informiert.
       
   DIR Nach Chemieunfall in China: Den Hahn zugedreht
       
       Nach einem Chemieunfall im Nordosten Chinas wurde der Millionenstadt Jilin
       das Trinkwasser abgestellt. Offizielle Stellen behaupten inzwischen, der
       betroffene Fluss sei wieder sauber.
       
   DIR Urteil zu AZF-Katastrophe in Frankreich: Chemieunfall mit 31 Toten ungesühnt
       
       Ein französisches Gericht vermag keine Schuld für die Explosion der
       AZF-Fabrik nahe Toulouse am 21. September 2001 festzustellen. Die
       Angeklagten wurden freigesprochen.