# taz.de -- Israel nach der Wahl: Groko, Groko oder keine Groko?
> Sowohl Wahlsieger Gantz als auch Netanjahu fordern eine
> „Einheitsregierung“. Doch die große Frage ist: Welche Rolle spielt
> Netanjahu darin?
IMG Bild: Wechseln sich die beiden in Zukunft einfach ab? Netanjahu (r.) und Gantz, hier im Jahr 2013
Berlin taz | Nach der Parlamentswahl in Israel haben sowohl Regierungschef
Benjamin Netanjahu (Likud) als auch sein Herausforderer Benny Gantz
(Blau-Weiß) zur [1][Bildung einer Regierung der nationalen Einheit
aufgerufen]. „Benny, wir müssen eine breite Einheitsregierung aufstellen“,
sagte der Regierungschef. „Die Nation erwartet von uns beiden,
Verantwortung zu zeigen und dass wir zusammenarbeiten.“
Doch so einfach wird es nicht. Das Konzept „Einheitsregierung“ ist momentan
nur der kleinste gemeinsame Nenner, nachdem die Israelis in der
Parlamentswahl am Dienstag erneut für ein Patt gesorgt haben: Weder ein
Rechtsbündnis unter Netanjahus Likud noch ein Mitte-links-Bündnis unter
Wahlsieger Benny Gantz haben eine regierungsfähige Mehrheit in der Knesset.
Die große Frage nun ist, [2][ob die Ära Netanjahu zu Ende geht]. Ein volles
Jahrzehnt hielt er sich ununterbrochen an der Macht. Ein Ende der
politischen Karriere Netanjahus ist möglich, aber bei weitem nicht
garantiert. Hier sind die denkbaren Optionen:
Groko mit den Frommen
Das schwebt Netanjahu vor. Eine solche „Einheitsregierung“ aus Likud,
Blau-Weiß und den traditionellen Likud-Verbündeten, den ultraorthodoxen
Parteien Schas und UTJ, hätte rechnerisch eine komfortable Mehrheit.
Das Problem: Gantz hat eine Große Koalition unter Netanjahus Führung
ausgeschlossen. Und Netanjahu hat bislang nicht signalisiert, den Hut zu
werfen und Platz zu machen für einen oder eine NachfolgerIn an der Spitze
des Likud. Denkbar wäre, dass Netanjahu als Minister in der Regierung
bleibt und Gantz als Regierungschef akzeptiert. Eine andere Variante wäre
das Rotationsprinzip: Gantz und Netanjahu wechseln sich als Regierungschef
in einer Großen Koalition ab.
Groko mit Lieberman
Ein Zusammengehen von Likud, Blau-Weiß und Israel Beitenu, der Partei des
ehemaligen Verteidigungsministers Avigdor Lieberman wäre machbar. Es wäre
das erste Mal seit Jahrzehnten, dass die ultraorthodoxen Parteien nicht
Teil einer Regierungskoaltion sind.
Das Problem: Siehe oben. Gantz will zwar eine Regierung mit dem Likud,
nicht aber mit Netanjahu bilden.
Mitte-Links-Koalition ohne Netanjahu
Benny Gantz könnte eine Koalition ohne den Likud anstreben und so
Regierungschef werden. Netanjahu nähme den Hut. Eine Mitte-Links-Koalition
mit Blau-Weiß, der Arbeitspartei, der Demokratischen Union und der
Vereinten Liste, einem Zusammenschluss hauptsächlich arabischer Parteien,
käme allerdings nur auf 57 Mandate und bliebe unter der erforderlichen
Mehrheit von 61 der 120 Knesset-Sitze. Es bräuchte also: Liebermans Israel
Beitenu.
Das Problem: Der Nationalist Lieberman und die arabische Vereinte Liste
sind sich spinnefeind. Und auch Gantz hat eine Koalition mit der Vereinten
Liste ausgeschlossen.
Rechte Koalition ohne Gantz
Sollte Gantz mit einer Regierungsbildung scheitern, könnte erneut Netanjahu
von Staatspräsident Reuven Rivlin mit der Aufgabe beauftragt werden. Der
rechts-religiöse Block aus Likud, dem Jamina-Parteienblock unter Führung
von Ex-Justizministerin Ajelet Schaked und den ultraorthodoxen Parteien
Schas und UTJ käme aber nur auf 55 Mandate. In diesem Fall könnte Netanjahu
versuchen, das Blau-Weiß-Bündnis von Benny Gantz und Jair Lapid zu spalten
und Lapid für seine rechte Koalition zu gewinnen.
Das Problem: Blau-Weiß hat vor der Wahl fest versprochen, dass das Bündnis
bestehen bleibt.
Wie geht es weiter?
Ab Sonntag will sich Rivlin mit Vertretern der in der Knesset vertretenen
Parteien treffen. Wahrscheinlich wird er zunächst Gantz mit der
Regierungsbildung beauftragen. Gantz hätte dann sechs Wochen Zeit, um eine
Koalition auf die Beine zu stellen. Die Frage wäre dann, ob sich Gantz und
Netanjahu ohne Gesichtsverlust vor ihren WählerInnen einigen können (etwa
unter Verweis auf das Rotationsprinzip).
Sollte Gantz keine Koalitionsbildung gelingen – weil Netanjahu eine Große
Koalition beispielsweise nur unter seiner Führung eingehen würde – ginge
der Auftrag der Regierungsbildung doch noch einmal an Netanjahu. Der hätte
dann nur noch vier Wochen Zeit, bevor es wieder zu einer Neuwahl käme.
Sind Neuwahlen eine Option?
Ja, allerdings wäre es die [3][dritte Parlamentswahl innerhalb eines
Jahres] und das will in Israel wohl niemand. Fraglich wäre auch, ob das
Ergebnis deutlich anders ausfallen würde. Womöglich stünden die Israelis
nach einer Neuwahl ein drittes Mal vor einem Patt.
19 Sep 2019
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## AUTOREN
DIR Jannis Hagmann
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