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       # taz.de -- Neuer Vorwurf gegen Lübcke-Mörder: Auch einen Iraker niedergestochen?
       
       > Die Bundesanwaltschaft weitet die Vorwürfe gegen den mutmaßlichen
       > Lübcke-Mörder aus: 2016 soll er einen Geflüchteten schwer attackiert
       > haben.
       
   IMG Bild: Stephan Ernst nach seiner Festnahme, Anfang Juli 2019
       
       Berlin taz | Die Liste der Vorwürfe gegen Stephan Ernst, den mutmaßlichen
       Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke, wird länger. Die
       Bundesanwaltschaft teilte am Donnerstag mit, dass sie dem Kasseler
       Rechtsextremisten [1][nun auch einen Messerangriff auf einen irakischen
       Geflüchteten im Januar 2016 vorwirft]. Ermittelt werde wegen versuchten
       Mordes und gefährlicher Körperverletzung.
       
       Ernst wird bereits vorgeworfen, am 1. Juni den Kasseler
       Regierungspräsidenten Lübcke mit einem Kopfschuss vor dessen Haus ermordet
       zu haben. Seit dem 15. Juni befindet er sich in Haft. Die Tat hatte er
       zunächst gestanden, als Motiv gab er an, er habe sich über die Kritik
       Lübckes an Geflüchtetengegnern geärgert. Später zog Ernst sein Geständnis
       zurück.
       
       Der Verdacht, dass Ernst auch für den bislang unaufgeklärten Messerangriff
       auf einen irakischen Geflüchteten in Kassel verantwortlich sein könnte,
       beruht nach taz-Informationen auf einer seiner Äußerungen in seinem
       Geständnis. Ernst soll von einem Streit mit einem Geflüchteten an besagtem
       Tag berichtet haben. Konkret nach dem Messerangriff befragt, bestritt Ernst
       indes eine Täterschaft.
       
       Der 22-jährige Iraker war am 6. Januar 2016 von einem bislang unbekannten
       Radfahrer mit einem Messer in den Rücken gestochen worden, in der Nähe
       seiner Asylunterkunft in Kassel-Lohfelden – und unweit auch des Hauses von
       Stephan Ernst. Das Opfer wurde damals schwer verletzt. Den Täter konnte die
       Polizei bis zuletzt nicht ermitteln.
       
       ## Eine „heimtückische“ Tat
       
       Der Vorwurf, dass Ernst der Messerstecher gewesen sein könnte, war schon im
       Sommer publik geworden. Bisher ermittelte dazu die Staatsanwaltschaft
       Kassel, ließ auch noch mal sein Haus durchsuchen. Nun glaubt die
       Bundesanwaltschaft genügend Indizien zu haben, um die Tat mit einem
       „Anfangsverdacht“ Stephan Ernst vorwerfen zu können – und übernimmt auch
       diese „wegen der besonderen Bedeutung“.
       
       Die Bundesanwaltschaft spricht von einer „heimtückischen“ Tat. Ernst soll
       sich dem Iraker „unbemerkt von hinten genähert und ihm dann unvermittelt
       mit einem Messer in den Rücken gestochen haben“. Ausschlaggebend für die
       Tat sei „die rechtsextremistische Weltanschauung des Beschuldigten
       gewesen“. Ernst hatte schon in den neunziger Jahren schwere Straftaten
       gegen Migranten verübt, darunter einen [2][Brandanschlag auf ein Wohnhaus,
       eine Messerattacke und einen versuchten Rohrbombenanschlag auf eine
       Asylunterkunft].
       
       ## Hätten Behörden Ernst im Blick behalten müssen?
       
       Mit dem neuen Vorwurf steht immer mehr in Zweifel, dass Stephan Ernst ab
       2009 tatsächlich politisch nicht mehr auffällig war – wie
       Sicherheitsbehörden bis heute behaupten. Er sei deshalb, so
       Verfassungsschutz und Polizei, damals von ihrem Radar verschwunden – bis
       zur Mordtat an Lübcke. Schon zuletzt hatte der Bundesgerichtshof auf
       Ermittlungserkenntnisse verwiesen, wonach Ernst [3][auch nach 2015 noch mit
       dem Mitbeschuldigten Markus H. rechte Demonstrationen besucht habe].
       
       Zudem hatte Ernst mit H. im Oktober 2015 die Veranstaltung mit Lübcke
       besucht, auf welcher der CDU-Politiker Geflüchtetengegnern sagte, sie
       könnten Deutschland ja auch verlassen. Markus H. filmte die Aussage und
       stellte sie ins Internet – darauf setzte sich eine rechte Hasswelle gegen
       Lübcke in Gang. Und Ernst gestand Ermittlern, dass dies der Ausgangspunkt
       seines „Hasses“ gegen den Politiker war.
       
       Der Verteidiger von Ernst, Frank Hannig, wies den neuen Tatvorwurf des
       Messerangriffs zurück. Er habe Akteneinsicht gehabt, sagte Hannig der taz.
       „Und diese Vorwürfe sind an den Haaren herbeigezogen.“
       
       19 Sep 2019
       
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