URI: 
       # taz.de -- Verschwörungsguru Ganser in München: Schlimmer ist das Publikum
       
       > Der Schweizer Daniele Ganser bedient in einem Münchener Theater das
       > alternative Milieu mit allerlei 9/11-Geraune. Der Applaus ist ihm gewiss.
       
   IMG Bild: September 2019, Malibu: US-Fahnen für jedes Opfer des Terroranschlags vom 11. September 2001
       
       Das Münchner [1][„Linkes Bündnis gegen Antisemitismus“] hatte gewarnt:
       „Befürchtet wird die Verbreitung rechtsradikaler und
       verschwörungstheoretischer Inhalte.“ Die von Grünen- und Linken-Jugend
       getragene Gruppe wandte sich damit sich gegen einen Vortrag des Schweizer
       Historikers und Autors Daniele Ganser in München. Dieser sprach davon
       unbeeindruckt am Donnerstag gleich zwei Mal im [2][Theater Leo 17] in
       Schwabing, das einer Waldorfschule gehört.
       
       16.35 Uhr vor dem Haus. Kein linker Protest. Stattdessen ist Daniele Ganser
       da und lässt sich Selfie für Selfie für Selfie fotografieren – von Fans.
       Bestgelaunt besticht er schon jetzt mit ausnehmender Freundlichkeit. „Ich
       mag diesen Saal sehr“, sagt er. Sein Publikum ist klar der
       linksalternativen Szene zuzuordnen: Jung, mehrheitlich unter 30, viele
       Männer mit Vollbart, die Frauen tragen bunte Blusen.
       
       „Kriegspropaganda – wie unsere Gedanken und Gefühle gesteuert werden“,
       lautet Gansers Vortrag, Eintritt 27 Euro. Zu Beginn projiziert er ein paar
       teils jahrzehntealte Fotofälschungen aus Zeitungen an die Leinwand, das
       sorgt für Lacher. Etwa wie einst der Kopf von Lady Diana so gedreht wurde,
       dass es so aussieht, als küsse sie ihren Freund Dodi Al-Fayed.
       
       ## Die große Vermischung
       
       „Wir sind als Menschen leicht zu täuschen“, sagt Ganser, während er von der
       einen Seite der Bühne zu anderen geht. Von „Lügenpresse“ spricht er nicht,
       da ist er zu clever. Aber er stellt mal rasch die Süddeutsche Zeitung in
       eine Reihe mit der Internetseite „KenFM“, die rechtspopulistische
       Verschwörungstheoretiker protegiert. Oder er ruft auf, mal Spiegel Online
       mit dem russischen Propagandasender „Russia Today“ zu vergleichen. Wahr?
       Falsch? Wer will es wissen?
       
       In dieses produzierte Unbehagen stößt er die Hauptthese seines Vortrages:
       Es geht um „WTC7“. Wer sich da nicht so auskennt: Das ist das dritte
       Hochhaus des World Trade Centers, das infolge der Terroranschläge vom 11.
       September 2001 mit Verzögerung einstürzte.
       
       Brand oder Sprengung? Die Frage elektrisiert plötzlich den Saal. Nach
       offizieller Version wurden viele Teile der durch die Flugzeuge getroffenen
       Gebäude nebenan in WTC7 geschleudert, es brannte aus. Ganser aber meint: Es
       muss von innen gesprengt worden sein, nur so ließe sich erklären, dass es
       innerhalb weniger Sekunden pfeilgerade einstürzte. Das Video mit dieser
       Szene zeigt er immer und immer wieder.
       
       Nun rattern die Gedanken, Daniele Ganser selbst zieht keine
       Schlussfolgerungen. Im Internet sind sie leicht zu finden: Die USA hätten
       das Gebäude selbst gesprengt, etwa weil dort geheime Staatsbedienstete
       untergebracht gewesen seien. Und wer? Jene, die die Anschläge auf die
       beiden bekannten Türme organisiert hätten. Die Amis waren es also selbst,
       nicht Al-Qaida, lautet die These, die verbreitet werden soll.
       
       ## Gegen das „Merkel-Regime“
       
       Auf taz-Anfrage teilt das Waldorf-Theater Leo 17 mit, dass es lediglich
       Vermieter sei. Ganser habe sich per Unterschrift bekannt, „keine
       rechtsextremen, rassistischen, antisemitischen oder antidemokratischen
       Inhalte“ zu verbreiten.
       
       Das hat er, der vom Hochschul-Wissenschaftsbetrieb ausgeschlossen ist, auch
       nicht getan. Er lobt aber Internetseiten, die krudeste
       Verschwörungstheorien verbreiten und wo gegen das „Merkel-Regime“ gehetzt
       wird. Auf Youtube ist ein Video von 2014 zu sehen, in dem Ganser 80 Minuten
       lang mit dem von ganz links nach ganz rechts geschwenkten Jürgen Elsässer
       und mit Karl-Heinz Hoffmann diskutiert, dem Gründer der rechtsradikalen
       einstigen „Wehrsportgruppe Hoffmann“.
       
       Verstörender als der Fall Ganser ist sein Publikum, 800 Leute insgesamt.
       Sie applaudieren stehend, als er am Ende „Liebe, Wahrheit, Mut“ beschwört.
       Am U-Bahn-Eingang unterhalten sich dann zwei junge Männer. „Ein Super-Typ.
       „Eine supergeile Aura.“ Sie beschließen, etwas trinken zu gehen.
       
       20 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://lbga-muenchen.org/
   DIR [2] http://www.leo17.de/index.php/home.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Patrick Guyton
       
       ## TAGS
       
   DIR 9/11
   DIR Verschwörung
   DIR Goldener Aluhut
   DIR 9/11
   DIR Rudolf Steiner
   DIR Ballhaus Naunynstraße
   DIR Klaus Lederer
   DIR Klaus Lederer
   DIR Schwerpunkt AfD
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Theaterstück über Männer von gestern: Große Metapher, kleiner Junge
       
       Zwei Stücke am Schauspiel und am Theater Rampe, beide in Stuttgart, widmen
       sich den problematischen Männern von gestern, darunter ist Rudolf Steiner.
       
   DIR Ballhaus Naunynstraße in Berlin: Jenseits weißer Definitionsmacht
       
       Das Ballhaus Naunynstraße in Berlin-Kreuzberg ist zu einem Theater für
       internationale People of Color und Schwarze Deutsche geworden.
       
   DIR Kommentar Lederer und das Babylon: Einmischen erlaubt
       
       Kultursenator Lederer hat Position gegen Verschwörer bezogen, eine
       Preisverleihung an Ken Jebsen wurde abgesagt. Von Zensur kann keine Rede
       sein.
       
   DIR Kommentar Lederer und das Babylon: Illegitimer Maulkorb
       
       Der Kultursenator darf zwar kritisieren, aber Druck gegen eine unliebsame
       Veranstaltung ausüben darf er nicht. So klar ist der Fall Jebsen auch
       nicht.
       
   DIR „Wissenskongress“ von AfD-Funktionären: Für alle Verschwörungsfans was dabei
       
       Daniele Ganser, der sich mit 9/11-Theorien befasst, sagt die Teilnahme an
       dem rechten Kongress ab. Dafür sind Eva Herman und ein UFO-Experte dabei.