URI: 
       # taz.de -- Aktionstag gegen die Erderhitzung: Klimastreik beginnt in Deutschland
       
       > Zu Fuß, per Fahrrad: Hunderttausende sind für eine bessere Klimapolitik
       > auf der Straße. Die Koalition verspätet sich mit ihrem Klimaschutzpaket.
       
   IMG Bild: Vor dem Klimastreik: Teilnehmer versammeln sich am Freitag vor dem Brandenburger Tor
       
       Berlin taz/dpa/rtr | In Deutschland hat am Freitagmorgen die
       [1][Protestwoche für eine bessere Klimapolitik] mit Blockaden und
       Fahrradkorsos begonnen. Hunderttausende wollten für eine bessere
       Klimapolitik im Rahmen des globalen Klimastreiks von Fridays for Future auf
       die Straße gehen. Der größte Protestort von insgesamt etwa 500 in
       Deutschland war Berlin.
       
       Mehrere Hundert Radfahrer legten hier bereits ab 7.30 Uhr für etwa eine
       Stunde den Berufsverkehr rund um den Ernst-Reuter-Platz in der westlichen
       Innenstadt lahm, indem sie immer im Kreis herumfuhren. Später bewegte sich
       der Pulk nach Kreuzberg, um dort den Verkehr rund um den Moritzplatz zum
       Erliegen zu bringen, wie die Polizei mitteilte. Laut Bündnis „Ungehorsam
       für Alle“ beteiligten sich zu Beginn rund 500 Menschen. Die Polizei sprach
       dagegen von zu Beginn etwa 180 und später noch 70 Radfahrern.
       
       Auf der Jannowitzbrücke im Ostteil der Stadt sperrten kurzfristig
       [2][einige Klima-AktivistInnen mit Flatterbändern die Fahrbahn]. Auch sie
       gehörten dem Aktionsbündnis „Ungehorsam für Alle“ an, der sich Mitglieder
       von Ende Gelände, Extinction Rebellion mit vielen weiteren politischen
       Gruppen angeschlossen haben. Hannah Eberle, Sprecherin des Bündnisses,
       sagte zu den Aktionen: „Heute sollte niemand mit dem Auto zur Arbeit
       fahren, alle Menschen sollten sich am Streik beteiligen. Heute gibt es
       wichtigeres, als dem Alltag nachzugehen. Unser Alltag richtet globale
       Zerstörung an, deswegen stören wir heute genau diesen Alltag.“
       
       Vor dem Kanzleramt in Berlin versammelten sich bereits eine gute Stunde vor
       dem offiziellem Demonstrationsbeginn Dutzende SchülerInnen, um ihren
       Forderungen an die Bundesregierung Nachdruck zu verleihen. Gleichzeitig
       strömten Demonstrations-TeilnehmerInnen aus allen Richtungen zum Treffpunkt
       am Brandenburger Tor, wo am Mittag die „Fridays for Future“-Demonstration
       starten sollte. Hier werden mehrere Tausend Menschen erwartet.
       
       In Freiburg 17.000 Menschen auf der Straße 
       
       Für den Nachmittag sind außerdem eine Bootsdemonstration auf der Spree im
       Berliner Regierungsviertel und ein [3][Rave-Umzug mit Musik] angekündigt.
       Aus dem Umfeld von Extinction Rebellion heißt es, dass im Anschluss an die
       große Demonstration dezentrale Aktionen und punktuellen Blockaden geplant
       sind. Diese sollen erst nach dem offiziellen Teil des von Fridays for
       Future ausgerufenen Klimastreiks beginnen.
       
       In Freiburg waren im Zug der globalen Klimastreiks 17.000 Menschen auf der
       Straße. Von dieser Zahl ging ein Polizeisprecher zu Beginn der Versammlung
       aus, die Tendenz war steigend. Neben Jugendlichen hätten sich auch viele
       Erwachsene versammelt. „Das ist ein eindrucksvolles und starkes Signal der
       Bürger“, sagte Oberbürgermeister Martin Horn (parteilos).
       
       Das Bündnis Fridays for Future hatte explizit nicht nur Schüler und
       Studenten, sondern auch Arbeitnehmer aufgerufen, sich an dem globalen
       „Klimastreik“ zu beteiligen. Auf der Nordseeinsel Spiekeroog demonstrierten
       gleichzeitig rund 400 Menschen. Auf einem Plakat stand: „Wer das
       Klimaproblem nicht ernst nimmt, ist selbst das Problem!“
       
       ## Steinmeier unterstützt Protestierende
       
       Fridays for Future bekamen sogar den Segen von ganz oben: Bundespräsident
       Frank-Walter Steinmeier unterstützte die Protestierenden wie 31 weiteren
       Staats- und Regierungschefs [4][mit einem Appell, der mehr Ehrgeiz im Kampf
       gegen die Klimakrise forderte]. Vor dem Klimagipfel der Vereinten Nationen
       in New York am Montag erklären sie darin: „Unsere Generation ist die erste,
       die den rasanten weltweiten Temperaturanstieg zu spüren bekommt, und
       wahrscheinlich die letzte, der es noch gelingen kann, eine drohende
       weltweite Klimakrise abzuwenden.“
       
       Im Kanzleramt verspäten sich derweil die Spitzen der Koalition mit der
       Präsentation ihres Klimapakets. Die Verhandlungen hatten am Donnerstagabend
       begonnen und die gesamte Nacht hindurch gedauert. Bundeskanzlerin Angela
       Merkel (CDU), Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und die Mitglieder des
       Koalitionsausschusses wollten am Freitag bei einer Pressekonferenz erst um
       14.30 Uhr über ihre Beschlüsse zum Klimaschutz informieren. Dies teilt das
       Bundespresseamt mit. Zuvor werde um 13.00 Uhr das Klimakabinett tagen.
       Bislang war 11 Uhr terminiert gewesen. Gegen 12.15 Uhr verschickten die
       Agenturen Eilmeldungen: Die Koalition habe sich auf ein Klimaschutzpaket
       geeinigt.
       
       Zuvor hatten am frühen Morgen bereits [5][in Australien die Proteste für
       eine bessere Klimapolitik] begonnen. Auf dem fünften Kontinent wurden
       insgesamt 300.000 DemonstrantInnen gezählt. Auch in Hongkong, den
       Philippinen, Thailand und Indien demonstrierten Hunderte und Tausende
       Menschen.
       
       In Deutschland sah sich indes der britische Billigfluganbieter Easyjet
       durch die deutschen Klimaschutzpläne mit einer möglichen Erhöhung der
       Luftverkehrsteuer benachteiligt. „Die Pläne sind für mich eher
       Protektionismus, um bestimmte Geschäftsmodelle einiger Fluggesellschaften
       zu verteidigen. Bei der Verringerung der CO2-Emissionen helfen sie nicht“,
       sagte Easyjet-Europachef Thomas Haagensen der „FAZ“. „Die Pläne ergeben
       Sinn, wenn man Anbieter mit Drehkreuzen im Inland verschonen möchte.“
       
       Grünen-Chef Robert Habeck forderte gleichzeitig von der Bundesregierung
       beim Klimaschutz einen großen Wurf. „Wir brauchen einen richtig großen
       Schritt, nicht das Rumgetrippel“, sagt Habeck bei RTL/n-tv. Bisher ließen
       die Vorschläge alles beim Alten. „Nur obendrauf kommt noch ein erneuerbares
       Overlay sozusagen, wie so eine Sahnehaube auf dem Kaffee. Das reicht
       natürlich nicht.“
       
       20 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.fridaysforfuture.org/
   DIR [2] https://twitter.com/XRBerlin/status/1174937714233204741
   DIR [3] https://twitter.com/ReclaimYourClub/status/1174981279491620867
   DIR [4] https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Berichte/DE/Frank-Walter-Steinmeier/2019/09/190920-Klimaschutzinitiative.html
   DIR [5] /Aktionstag-gegen-die-Erderhitzung/!5627741
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andrew Müller
   DIR Kai Schöneberg
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Schwerpunkt Klimawandel
   DIR Schwerpunkt Klimaproteste
   DIR Lesestück Meinung und Analyse
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Schwerpunkt Fridays For Future
   DIR Greta Thunberg
   DIR Anti-Atom-Bewegung
   DIR Kabinett
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Aufstieg der Grünen zur Volkspartei: Bündnis 90/Die Erben?
       
       Um Volkspartei zu werden, müssten sich die Grünen entscheiden, ob sie ihre
       eigene Wählerschaft stärker besteuern wollen.
       
   DIR Umweltbeschwerde bei der Unicef: Junge AktivistInnen wollen mehr
       
       Wegen Umweltverschmutzung reichen Jugendliche bei der Unicef eine
       Sammelbeschwerde gegen fünf Länder ein. Deutschland gehört dazu.
       
   DIR Aktionstag gegen die Erderhitzung: Hunderttausende für prima Klima
       
       In Deutschland kommen viel mehr Protestierende als erwartet: Die
       Klimastreiks sind so gut besucht wie noch nie. Von unseren
       Inlandskorrespondenten.
       
   DIR Aktionstag gegen die Erderhitzung: So streikt die Welt
       
       Stell Dir vor, es ist Klimastreik – und (fast) alle gehen hin: Vielerorts
       weltweit wird bunt, divers und fantasievoll demonstriert. Von unseren
       Korrespondent*innen.
       
   DIR Aktionstag gegen die Erderhitzung: Klimastreiks starten in Australien
       
       Greta Thunberg ist begeistert, in Australien sind bereits 300.000 Menschen
       auf der Straße und in Berlin verhakeln sich die Koalitionäre.
       
   DIR Sieben Thesen zur Klimabewegung: Kampf gegen die Hydra
       
       Der bislang größte Erfolg einer sozialen Bewegung in Deutschland war der
       Atomausstieg. Eine Blaupause für das „Wie weiter?“ nach dem Klimastreik?
       
   DIR Uneinigkeiten im Klimakabinett: Warten auf den großen Wurf
       
       Während auf der Straße gestreikt wird, berät im Kanzleramt das
       Klimakabinett. Vor allem beim CO2-Preis fällt eine Einigung schwer.