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       # taz.de -- Sechs Hamburger Grüne flüchten zur SPD: Grüne Selbstzerstörung
       
       > Sechs grüne Abgeordnete aus Hamburg-Mitte wechseln zur SPD. Auslöser
       > waren Islamismus-Vorwürfe. Internes Papier belegt: Landesvorstand ist
       > längst zurück gerudert.
       
   IMG Bild: Einst grün, nun rot: die Gruppe der sechs Abgeordneten aus Hamburg-Mitte
       
       Hamburg taz |Der politische Schaden ist immens: Nach einer parteiinternen
       [1][Schlammschlacht um Islamismus-Vorwürfe] verkündeten am Mittwoch sechs
       Abgeordnete der Bezirksversammlung Mitte, von den Grünen zur SPD-Fraktion
       wechseln zu wollen. Zuvor hatten sich die Abtrünnigen bereits zur Fraktion
       „Grüne 2“ zusammengetan. Mit der SPD-Fraktion laufen bereits Gespräche.
       
       Das Pikante: Die Islamismus-Vorwürfe [2][gegen den Abgeordneten Fatih Can
       Karismaz] hat der grüne Landesvorstand längst fallen gelassen. Das geht aus
       einem internen Papier des Landesvorstands hervor. Darin heißt es: Der
       Beschuldigte „konnte die gegen ihn aufgekommenen Bedenken nachvollziehbar
       ausräumen“.
       
       Meyrem Çelikkol, die zu den sechs Abtrünnigen gehört, erklärte dazu: „Dass
       diese schwerwiegenden, öffentlich gemachten Anschuldigungen haltlos waren,
       hat der Landesvorstand nie publiziert, geschweige denn sich bei Fatih dafür
       entschuldigt.“
       
       Die sechs Kommunal-ParlamentarierInnen hatten ihren gleichzeitigen Austritt
       aus der grünen Partei am Dienstagabend auf den – postalischen – Weg
       gebracht. Damit kamen sie einem von den Hamburger Grünen angestrebten
       Parteiausschluss zuvor – nicht ohne noch einmal schwerwiegende Vorwürfe in
       Richtung des Landesvorstandes zu schicken. Dieser hätte mit seiner
       „rassistischen Vorverurteilung“ die grüne Fraktionsgemeinschaft in Mitte
       zerstört und damit „die eigene Partei schwer geschädigt“.
       
       ## Beispiellose Selbstzerstörung
       
       Der Parteiwechsel beendet nun vorläufig einen beispiellosen grünen
       Selbstzerstörungsprozess. Im Mai waren die Grünen aus den Hamburger
       Bezirkswahlen als strahlender Sieger hervorgegangen, eroberten vier der
       sieben Hamburger Bezirke von der SPD, darunter mit 29,3 Prozent auch
       überraschend den traditionell „roten“ Bezirk Mitte.
       
       Doch die Freude währte nur kurz. Über das Abendblatt machte die
       Landeschefin Anna Gallina publik, dass die Parteispitze zwei der gewählten
       Abgeordneten, Shafi Sediqi und Fatih Kaismaz, wegen islamistischer
       Bestrebungen verdächtige.
       
       Der Bericht war Ausgangspunkt einer massiven Presseberichterstattung über
       die beiden angeblichen Islamisten, die Sediqi nach eigenen Bekunden den Job
       kostete. Gleichzeitig wirkten Gallina und ihr Vorstands-Vize Martin Bill
       darauf hin, dass die beiden Beschuldigten erst einmal nicht in die
       Grünen-Fraktion in Mitte aufgenommen wurden. Vier gewählte grüne
       Abgeordnete solidarisierten sich mit den Ausgeschlossenen, gründeten mit
       ihnen die Fraktion „Grüne 2“. Der Landesvorstand wiederum antwortete mit
       einem Parteiausschlussverfahren gegen die sechs Abtrünnigen.
       
       „Der Umgang innerhalb der Grünen mit uns war niederschmetternd“, sagt
       Meyrem Çelikkol. Die Gruppe habe einen „klaren Schlussstrich“ ziehen müssen
       und wirft vor allem dem grünen Landesvorstand vor, „Unwahrheiten verbreitet
       und mit Vorverurteilungen an die Medien gegangen zu sein“.
       
       ## Neue Machtkonstellation
       
       Mit dem Parteiwechsel der sechs Abgeordneten ändert sich nun auch die
       Machtkonstellation im Bezirk. Mit ihrem Beitritt hätte die SPD 20
       Abgeordnete und zusammen mit der CDU eine hauchdünne Mehrheit mit 26 von 51
       Sitzen.
       
       Die Christdemokraten beschlossen noch am Dienstagabend,
       Koalitionsverhandlungen mit der SPD aufzunehmen. Für den grünen
       Kreisvorsitzenden in Mitte, Farid Müller, würde eine solche Koalition an
       „Wahlbetrug“ grenzen. Müller „verurteilt“ nicht nur den avisierten
       Parteiwechsel seiner ehemaligen Parteifreunde, sondern auch eine Große
       Koalition, die „den Wählerwillen“ nicht „widerspiegeln“ würde. Müller,
       aufgrund der Krise gerade erst zum Kreischef gewählt, hatte ein rot-grünes
       Minderheitsbündnis für den Bezirk ins Gespräch gebracht.
       
       „Leider hat Müller das bislang nur über die Medien und nicht mir direkt
       kommuniziert“, geht der mächtige SPD-Kreischef Johannes Kahrs auf Distanz
       zu seinem Amtskollegen. Er selbst wünsche „eine stabile Verbindung“ mit
       parlamentarischer Mehrheit, da sei das Müller’sche Minderheitsmodell „nicht
       so toll“.
       
       Kommenden Mittwoch will die SPD entscheiden, ob sie die sechs Ex-Grünen
       aufnimmt und mit der CDU Koalitionsgespräche führt. Den Grünen in Mitte
       wirft Kahrs in ihrem internen Konflikt „ein Kollektivversagen, ein
       Aufwerfen schwerster Vorwürfe, ohne sie belegen zu können“ vor.
       
       Es sei „mindestens verantwortungslos, wie man zwei Menschen als Islamisten
       und Radikale in der Öffentlichkeit bloßstellen kann und nichts bewiesen
       wird“, sagte Kahrs. Die grüne Spitzenkandidatin Katharina Fegebank müsse
       sich zu den Vorfällen endlich „erklären“, da die Landesvorsitzende Anna
       Gallina „eher Teil des Problems, als teil der Lösung“ sei.
       
       Gallina selbst bedauerte am Mittwoch nur, „dass es so weit gekommen ist“,
       während sich ihr Kollege Bill darüber freute, dass die sechs Abgeordneten,
       endlich der „Aufforderung des Grünen-Landesvorstands“ nachkämen, „die
       Partei zu verlassen.“
       
       3 Oct 2019
       
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