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       # taz.de -- Zustände im Kinderheim Jänschwalde: Kein Anspruch auf Wohlverhalten
       
       > Warum trifft es nach der Haasenburg mit „Neustart“ wieder ein Heim in
       > Brandenburg? In der DDR herrschte der Anspruch, Menschen regelkonform zu
       > ändern.
       
   IMG Bild: Isolation und Abschottung, ob das das Richtige für Jugendliche ist?
       
       Brandenburgs Jugendministerin Britta Ernst (SPD) hat zügig reagiert, seit
       die Vorwürfe [1][zum Fall „Neustart“] bekannt wurden. Dass Missstände
       behoben, etwa Milchglasfolien an den Fenstern entfernt wurden, zeigt
       zugleich, dass an der Sache etwas dran ist. Es ist richtig, dass die
       strenge Eingangsphase untersagt wurde, [2][der Aufnahmestopp ist
       folgerichtig]. Und es ist gut, dass Ernsts Mitarbeiter ohne Erzieher mit
       den Bewohnern gesprochen haben. Gut wäre, sie auch zu fragen, ob sie dort
       bleiben möchten, und, falls nicht, Alternativen anzubieten.
       
       Einige ehemalige Bewohner sagten der taz, das Heim gehöre geschlossen. Es
       gibt zwar auch Ehemalige, die im Netz schreiben, die harte Zeit dort habe
       ihnen geholfen. Das wiegt jedoch nicht auf, dass sich junge Menschen durch
       die Heimzeit schwer geschädigt sehen. Die Frage ist, ob dieser Ort dazu
       taugt, jungen Menschen ins Leben zu helfen.
       
       Die Frage ist aber auch, warum es nach der Haasenburg wieder Brandenburg
       trifft. Heime mit umstrittenen Konzepten gibt es im ganzen Land. Aber
       bestimmte rigide Methoden, etwa entwürdigende Klopf-Regeln beim
       Toilettengang, trifft man selten. Auch die Beschreibung der Defizite der
       Jugendlichen lässt aufhorchen: „nicht sozialangepasst“, „Norm- und
       Regelverweigerung“. Das erinnert an die Definition der „Schwererziehbaren“
       in der DDR. Die systematische Einordnung von Kindern in „schwererziehbar“
       und „normal“ gab es nur dort, nicht in der BRD. So nachzulesen im Gutachten
       der Bundesregierung zur DDR-Heimerziehung. Auch im Westen gab es schlimme
       Heime, aber es gab auch Revolte und eine Phase der Aufarbeitung.
       
       In der DDR, so das Gutachten, hatte der Staat den Anspruch, den
       sozialistischen Menschen zu erziehen. Die Idee: Menschen so zu ändern, dass
       sie sich nicht nur regelkonform verhalten, sondern die Regeln auch noch
       vernünftig finden – und dafür ihren Willen zu brechen. Heute haben Staat
       und Gesellschaft nicht das Recht dazu. Es verstößt gegen die Rechte von
       Kindern, ihnen mit Zwang Wohlverhalten abzuverlangen. Was vernünftige
       Regeln sind, gilt es immer wieder neu auszuhandeln.
       
       3 Oct 2019
       
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