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       # taz.de -- Hitze bei Leichtathletik-WM: Die Pille davor
       
       > Hitzeprävention zum Schlucken: Wie sich Ausdauersportler mit einer
       > Elektro-Kapsel gegen extreme Temperaturen wappnen wollen.
       
   IMG Bild: Dominique Scott nach dem 5000-Meter-Lauf
       
       Der Mythos war schon geboren, da hatte die WM in Doha noch gar nicht
       begonnen. Eine „Antihitzepille“ sollte die Läufer vorm Kollaps bewahren.
       Beim [1][Marathon der Frauen um Mitternacht] zeigte das Thermometer 32
       Grad, und die Luft war ziemlich feucht. Ähnliches wird auch wieder
       erwartet, wenn die Geher an diesem Freitag (22.30 Uhr) über die 20
       Kilometer starten. Die Pille, um die es geht, ist nicht größer als eine
       normale Tablette und wiegt nur 1,7 Gramm. Sie enthält aber kein Medikament,
       sondern nur Elektronik. Sie misst die Kerntemperatur des Körpers und sendet
       diese über eine Funkverbindung an ein spezielles Sportarmband, das der
       Läufer mit sich trägt.
       
       Der Leichtathletik-Weltverband kam vor der WM mit der Wunderpille um die
       Ecke und empfahl: einfach schlucken und loslaufen. Im Praxistest unter
       Palmen stellt sich nun aber heraus: klappt nicht. Denn die Kapsel selbst
       macht erst mal gar nichts – und kann wohl auch nicht so leicht zur
       Notfallversorgung eingesetzt werden.
       
       „Die Hitzekapsel dient lediglich dem Monitoring der Körperkerntemperatur“,
       erklärt Matthias Kieb von der Charité Berlin. Man könne damit vor allem
       vorbeugen. Die Kapsel selbst verhindere aber erst einmal nichts. Und ein
       Echtzeit-Monitoring gestaltet sich bisher schwierig: „Die Reichweite des
       Systems ist aktuell bei etwa einem Meter.“ Auch wenn ein Live-Monitoring
       möglich wäre, wird dies im Wettkampf in Doha wahrscheinlich nur in den
       wenigsten Fällen erfolgen.“ Die Auswertung durch eine spezielle Software
       erfolge meistens „im Nachgang“, sagt er.
       
       ## Eingebautes Eisfach
       
       Kieb und sein Kollege Paul Schmidt-Hellinger betreuen seit 2015 die
       deutschen Mittel- und Langstreckenläufer. Auch ihr Team hat die
       Hightech-Kapsel aus Großbritannien getestet. In Doha setzen sie aber eher
       auf eine eigene Entwicklung. Eine simple wie geniale Sache: das Wüsten-Cap
       mit eingebautem Eisfach. Von Betreuern gereichte Pads können beliebig oft
       auf Kopf und Nacken ausgetauscht werden. Den Gehern habe das bis jetzt sehr
       geholfen, sagen die Sportmediziner, und soll es auch am Freitag wieder.
       
       Kieb hält den Wettkampfeinsatz der Hitzekapsel aber auch ohne
       Echtzeiteinsatz für sinnvoll. Je mehr Daten er hat, desto besser. Zumindest
       mittelfristig lässt sich damit etwas anfangen. Zum Beispiel bei der
       Vorbereitung aufs nächste Großereignis bei ähnlichen Rahmenbedingungen.
       „Die Korrelation zwischen Messwerten der Pille, Wettkampfergebnis und
       Wohlbefinden kann entscheidende Hinweise und Erkenntnisse zum Beispiel für
       die Olympischen Spiele in Tokio liefern.“ Die Kapsel sei für alle
       Sommersportarten mit mehr als zwei Minuten Dauer interessant, sagt Kieb.
       Eine einzelne kostet um die 80 Euro. Der Zwei-Gramm-Gadget wird wie eine
       normale Pille geschluckt und in der Regel am Folgetag wieder unverdaut
       ausgeschieden.
       
       Die IAAF führt während der Weltmeisterschaft genau Protokoll. Eine Studie
       soll bei der Weiterentwicklung helfen, wahrscheinlich nicht nur aus Sorge
       um die Gesundheit der Sportler. Rund um Doha war immer wieder von der
       Eroberung neuer Märkte die Rede. Die Leichtathletik sei ja global. Da kann
       man nicht einfach Staaten Events verbieten, nur weil sie zum Beispiel in
       der Wüste liegen. Vor allem nicht, wenn sie so viel Geld bieten können wie
       Katar, das durch Erdgas und Öl reich geworden ist.
       
       Also wird weiter an der Hitzekapsel geforscht. Schon ein vereinfachtes
       Echtzeit-Monitoring würde ja helfen. Betreuer könnten dann an der Strecke
       beobachten, rechtzeitig Kühlwesten, Eis-Pads und Getränke reichen. Oder den
       Sportler vor Schaden bewahren und das Stoppsignal geben. Bilder wie die aus
       Doha von Athleten, die kollabieren, ließen sich so verhindern.
       
       3 Oct 2019
       
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