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       # taz.de -- Streichung von Subventionen: Ecuador im Ausnahmezustand
       
       > Der Benzinpreis steigt, weil das Land Sparauflagen des IWF erfüllen muss.
       > Dagegen regt sich Widerstand. Die Transportarbeiter*innen streiken.
       
   IMG Bild: Protestierende und Polizei am Donnerstag in Quito
       
       Buenos Aires taz | Mit blockierten Straßen und Autobahnen haben
       Arbeiter*innen in Ecuador am Donnerstag das Land weitgehend lahmgelegt.
       Vielerorts brannten Barrikaden und Autoreifen, kam es zu Plünderungen. Über
       270 Personen wurden vorübergehend festgenommen. Schulen blieben
       geschlossen. „Um Chaos zu verhindern, habe ich den nationalen
       Ausnahmezustand verhängt“, [1][sagte Präsident Lenín] Moreno am Donnerstag.
       
       Die Proteste der im Transportwesen beschäftigen Arbeiter*innen richten
       sich gegen eine Anhebung der Treibstoffpreise. Der Ausnahmezustand, der
       zunächst für 60 Tage gilt, verleiht der Regierung nun weitgehende
       Vollmachten. Unter anderem kann die Bewegungsfreiheit eingeschränkt und
       eine Zensur der Medien verhängt werden. Soldaten können an öffentlichen
       Plätzen eingesetzt werden, Häfen, Flughäfen und Grenzen können geschlossen
       werden.
       
       Offen ist die Frage, ob Moreno mit diesen Maßnahmen nicht überreagiert hat.
       Nach Angaben des für die Beobachtung der Proteste zuständigen Sekretariats
       für Risikomanagement kam es zwar landesweit an 281 Orten zu
       Demonstrationen. Daran beteiligt hätten sich aber lediglich knapp 21.000
       Menschen. Bei den Blockaden von 215 Straßen und Autobahnen wurden 14
       Personen verletzt. Moreno selbst hatte kurz nach der Verhängung des
       Ausnahmezustandes eingeräumt, dass die Situation bereits „ziemlich unter
       Kontrolle“ war.
       
       Am Dienstag hatte der Präsident ein milliardenschweres Sparprogramm
       verkündet. Ein Kernpunkt ist die Streichung der jahrzehntelangen
       Subventionen für Treibstoffe in dem erdölreichen Land. Zukünftig sollen
       jährlich 1,3 Milliarden US-Dollar eingespart werden. Am Donnerstag stieg
       der Benzinpreis deshalb von 1,85 Dollar pro Gallone (etwa 3,78 Liter) auf
       2,30. Der Preis für Diesel verdoppelte sich. Das brachte das Fass zum
       Überlaufen.
       
       Im März hatte Ecuador den Internationalen Währungsfonds (IWF) um einen
       Standby-Kredit in Milliardenhöhe gebeten, um die Staatsverschuldung in den
       Griff zu bekommen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Regierung zur Senkung
       des Haushaltsdefizits, zur Flexibilisierung des Arbeitsrechts und zu einer
       Steuerreform. Schließlich bewilligte der IWF 4,3 Milliarden Dollar. 652
       Millionen wurden sofort überwiesen, der Rest erfolgt nach Prüfung, ob
       Ecuador die zugesagten Verpflichtungen einhält. Zu diesen gehört das
       Sparpaket.
       
       ## Austritt aus der Opec
       
       Ecuador leidet unter dem gesunkenen Ölpreis. Vor wenigen Tagen hatte die
       Regierung in Quito den Austritt aus der Opec zum Jahresende angekündigt.
       „Diese Maßnahme steht im Einklang mit dem Plan der Regierung, die
       öffentlichen Ausgaben zu senken und neue Einkünfte zu generieren“, hieß es.
       Ecuador will mehr fördern, als die von der Opec für das Land festgelegte
       Quote zulässt.
       
       Erfolglos hatte die Transportarbeitergewerkschaft die Aussetzung der
       Subventionsstreichungen gefordert und für Donnerstag zum Streik aufgerufen.
       Moreno machte aber unmissverständlich klar, dass eine Rücknahme nicht in
       Frage komme, und war ins Zentrum der Proteste nach Guayaquil gereist.
       „Meine Anwesenheit hier soll verhindern, dass diejenigen, die das Land
       ausgeplündert haben, weiter plündern“, sagte Moreno. Nach einem letzten
       gescheiterten Gespräch mit der Transportgewerkschaft legte er nach: „Zu
       diesen Putschisten sagt Ecuador Nein.“ Er kündigte einen harten Einsatz von
       Polizei und Militär an, sollte es zu weiteren Krawallen kommen.
       
       Eine prompte Reaktion auf den Ausnahmezustand kam von Morenos politischem
       Widersacher Rafael Correa. Der in Belgien lebende frühere Präsident und
       ehemalige Weggefährte Morenos sagte, der Kongress habe die Befugnis, den
       Ausnahmezustand aufzuheben. Er könne feststellen, ob Moreno seine Pflichten
       verletzt habe, und ihn schließlich seines Amtes entheben. „Wir alle kennen
       Morenos Zynismus und seine psychologischen Probleme. Wenn er etwas sagt,
       ist immer das genaue Gegenteil der Fall“, sagte Correa, dessen politischer
       Einfluss nach wie vor groß ist.
       
       Die Gewerkschaft der Transportarbeiter*innen kündigte eine Verlängerung
       des Streiks an.
       
       4 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?time_continue=123&v=S2mZuejFeAc%5D
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
       
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