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       # taz.de -- Dopingverdacht bei Leichtathletik-WM: Rundenwunder von Doha
       
       > Die Weltmeisterin Salwa Eid Naser aus Bahrain läuft bei der WM
       > phantastisch schnell. Ihre 400-Meter-Zeit ruft allerdings Skeptiker auf
       > den Plan.
       
   IMG Bild: Staunt über ihre eigene Schnelligkeit: Salwa Eid Naser nach dem WM-Finale
       
       Die Frau, die früher Ebelechukwu Agbapuonwu hieß, läuft nicht nur schön,
       sie tut es auch verdammt schnell. In Doha hat Salwa Eid Naser am
       Donnerstagabend den 400-Meter-Lauf in 48,14 Sekunden gewonnen. Sie flog
       locker und leicht über die Tartanbahn und ließ sogar die Olympiasiegerin
       von Rio, Shaunae Miller-Uibo, hinter sich. Stehen blieb eine sagenhafte
       Zeit, die drittbeste jemals in der Welt gelaufene. Nur zwei Athletinnen
       waren jemals schneller, Marita Koch im Jahr 1985 (47,60) bei ihrem
       Weltrekord in Canberra und Jarmila Kratochvílová 1983 (47,99).
       
       Letztere haben ihre Leistungen in der Hochphase des staatlich gelenkten
       Anabolikadopings erzielt. Die Effekte der Vermännlichung durch Steroide,
       jene berühmten blauen Pillen, ließen sich nicht verheimlichen. Der Körper
       von Koch und noch deutlicher der von Kratochvílová waren nichts anderes als
       bewegliche Mahnmale des Sportbetrugs. Sie trugen die Deformationen eines
       medaillengeilen Systems offen zur Schau.
       
       Salwa Eid Naser, die in Westafrika als Tochter einer nigerianischen Mutter
       und eines Vaters aus Bahrain geboren wurde und die seit 2014 für das Land
       ihres Vaters an den Start geht, kommt zierlich, ja fast schon unauffällig
       daher. Nichts an ihrem Erscheinungsbild erinnert an Koch oder
       Kratochvílová, und doch muss sich die erst 21-Jährige fragen lassen, wie es
       dazu kommt, dass sie wie selbstverständlich in eigentlich verschlossene
       Dimensionen des Stadionlaufs vorgestoßen ist. Diese Fragen müssen erlaubt
       sein, weil in den vergangenen gut 30 Jahren auch nur eine Läuferin
       annähernd an die Altrekorde aus der Pillen-Ära herangekommen ist: die
       Französin Marie-José Perec in den 90ern.
       
       Zu den Vorbildern, die Salwa Eid Naser inspiriert haben, gehört laut Nasers
       Darstellung auch [1][Rakia Al-Gassra], eine ehemalige bahrainische
       Sprinterin, die wie anfangs auch Naser mit einem Hidschab, langem Arm- und
       Beinkleid lief. Al-Gassra verstieß freilich 2009 gegen die
       Antidopingregeln. Ihr Epistestosteron-Wert war zu hoch. Die Läuferin wurde
       zwei Jahre gesperrt. Es gibt eine ganze Reihe von vor allem eingebürgerten
       bahrainischen Läuferinnen und Läufern, die positiv getestet wurden. Zu
       ihnen gehören Rashid Ramzi, seines Zeichens Weltmeister über 800 und 1.500
       Meter, die Marathonläuferin Eunice Jepkirui Kirwa, Langstreckenspezialistin
       Ruth Jebet oder der Fußballer Hamad Rakea Al Anezi.
       
       ## Baustelle Anti-Doping-Behörde
       
       Angesichts dieser Häufung steht die Frage im Raum, ob in Bahrain womöglich
       ähnlich systemisch gedopt wird wie in der marokkanischen Leichtathletik;
       den entsprechenden Nachweis führte am Donnerstag die
       [2][ARD-Dopingredaktion in einer Dokumentation], die das Antidoping-Regime
       des nordafrikanischen Landes als Farce entlarvte.
       
       Zuletzt erwischte es übrigens auch die bahrainische 400-Meter-Spezialistin
       Kemi Adekoya. Sie hatte sich mit dem Steroid Stanozolol gedopt und ist
       seitdem gesperrt. Sie wurde trainiert vom Bulgaren Janko Bratanow.
       Bratanow, der erst in Katar seine Dienste anbot und später in Bahrain,
       hatte auch die neue Wunderläuferin Salwa Eid Naser unter seine Fittiche
       genommen. Sie rühmt seine Fähigkeiten als Trainer, will in ihm eine
       Vaterfigur erblickt haben, der sie gelehrt habe, sich auf das Richtige zu
       fokussieren.
       
       Der Fairness halber sei gesagt, dass Naser nicht aus dem Nichts kam. Bei
       der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren gewann sie die Silbermedaille, im
       Folgejahr lief sie mehrfach unter 50 Sekunden schnell. So lange es keinen
       Befund gibt, gilt Salwa Eid Naser als unschuldig, doch der Verdacht schwebt
       auch über dieser Athletin wie ein Fluch. Es mag nur ein Zufall sein, aber
       wenn man dieser Tage auf die Internet-Repräsentanz der bahrainischen
       Antidoping-Behörde klickt, dann landet man auf einer virtuellen Baustelle.
       
       4 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Ruqaya_Al_Ghasra
   DIR [2] https://www.daserste.de/sport/leichtathletik-wm/videosextern/geheimsache-doping-spur-nach-nordafrika-100.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Markus Völker
       
       ## TAGS
       
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