# taz.de -- Adbusting-Prozess: Satire oder Sachbeschädigung?
> Über eine erste Anklage wegen Adbusting entscheidet am Dienstag das
> Berliner Amtsgericht.
IMG Bild: Vor der türkischen Botschaft in Berlin soll der Angeklagte ein Satire-Plakat angebracht haben
„Mimimimi Free Boehmi Satire darf alles humorlose Kackbratze“. Ein Plakat
mit diesem Inhalt beschäftigt am Dienstag das Berliner Amtsgericht. Um 12
Uhr beginnt in Raum 571 in der Turmstraße 91 der Prozess gegen einen Mann,
der wegen Sachbeschädigung und schweren Diebstahls angeklagt ist. Er soll
das Plakat im April 2016 in einem Werbekasten vor der türkischen Botschaft
in Tiergarten angebracht und dafür ein anderes entfernt haben.
Damals beschäftigte der Streit um ein Gedicht die Öffentlichkeit, in dem
der Satiriker Jan Böhmermann den türkischen Präsidenten Recep Tayyip
Erdoğan beleidigte. Das satirische Pro-Böhmermann-Plakat war eine
Adbusting-Aktion – eine überspitzte Verfremdung oder Umdeutung eines
Werbeplakats. Der Prozess wurde anberaumt, weil der Beschuldigte
Widerspruch gegen einen Strafbefehl von 3.000 Euro eingereicht hat.
Beschuldigt wird er, fünf Werbekästen in Berlin mit Plakaten bestückt zu
haben, die Parolen wie „Nazis essen heimlich Falafel“, „Lieber solidarisch
statt solide arisch“ oder „Wer kein Selbstbewusstsein hat, braucht ein
Nationalbewusstsein“ trugen.
In keinem der Fälle hatte die betroffene Werbefirma selbst Anzeige
gestellt. Die Staatsanwaltschaft selbst erkannte ein öffentliches Interesse
in der Verfolgung der UrheberInnen der satirischen Plakate. Dafür
investierte die Justiz gehörigen Ermittlungsaufwand, wie ein
Redaktionsmitglied des Blogs maqui.blogsport.eu, der
Kommunikationsguerillaaktionen aller Art dokumentiert, der taz berichtete.
So sei im Juni 2017 während der G20-Protese in Hamburg ein Berliner
kontrolliert worden, der ein satirisches Plakat im dortigen Hauptbahnhof
angebracht haben soll. Seine Daten gingen an das Berliner
Landeskriminalamt, das daraufhin eine Menge YouTube-Videos anschaute, die
Adbusting-Aktionen dokumentieren, sowie Aufnahmen, die ein Anwohner von den
nun verhandelten Adbusting-Aktionen in Berlin gemacht hatte. Die Ermittler
wollen die in Hamburg kontrollierte Person wiedererkannt haben und
erwirkten zwei Durchsuchungsbeschlüsse. Dabei wurden Plakate, Schablonen
und Kleidung beschlagnahmt, die angeblich bei den Aktionen getragen wurden.
Das Verfahren dürfte auch von JuristInnen mit Interesse verfolgt werden.
Bisher sind bundesweit keine Anklagen wegen Adbusting-Aktionen bekannt.
8 Oct 2019
## AUTOREN
DIR Peter Nowak
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