URI: 
       # taz.de -- Brexit gefährdet Zucht: Irland geht vor die Windhunde
       
       > Fast alle Windhunde in Großbritannien stammen aus Irland. Was passiert
       > mit ihnen nach dem Brexit? Züchter sind besorgt, Tierschützer freuen
       > sich.
       
   IMG Bild: Hobbyzüchter Pat O’Donohue mit Windhunden: „Ich liebe es“
       
       FANORE taz | Die Hunde sind außer Rand und Band. Sie rennen aufgeregt auf
       der Wiese herum und springen immer wieder an ihrem Herrchen hoch. Dieses
       haut ihnen ab und zu auf die lange Nase, vergeblich.
       
       Das Herrchen heißt Pat O’Donohue. Er ist 39 Jahre alt und stammt aus
       Fanore, einem kleinen Dorf an der irischen Westküste. Mit 18 wanderte er
       nach Kanada aus und arbeitete dort in einem Irish Pub. In Kanada lernte er
       die Mexikanerin Patricia kennen, die beiden heirateten, zogen nach Fanore
       zurück und übernahmen das Wirtshaus von Pats Eltern.
       
       „Ich suchte nach einem Hobby“, sagt Pat, und weil Windhunde billiger als
       Pferde sind, legte er sich ein paar zu. Schon bald hatte er 30 Hunde.
       
       Er züchtet sie, gibt sie dann einem Freund, der sie trainiert und für
       Rennen fit macht. Den Gewinn, wenn es denn einen gibt, teilen sie sich.
       Aber Pat muss auch das Deckgeld und das Futter bezahlen. Da bleibt nichts
       übrig. „Es ist eben ein Hobby“, sagt er. „Ich liebe es.“
       
       ## Brexit befeuert alte Forderung
       
       Doch der Brexit bedroht sein Hobby. Die meisten irischen Hunde werden nach
       England exportiert, rund 7.000 Tiere im Jahr. 85 Prozent der Windhunde, die
       auf englischen Hunderennbahnen einem Plastikhasen hinterherhetzen – Hatz
       auf lebende Hasen ist in Großbritannien verboten, anders als in Irland –
       stammen aus Irland.
       
       Innerhalb der EU ist der Hundetransport unproblematisch. [1][Nach dem
       Brexit dürfte es irgendwann Kontrollen und Zölle geben]. Die britische
       Regierung will sogar den grenzüberschreitenden Transport von lebenden
       Tieren ganz verbieten – eine alte Forderung von Tierschützern.
       
       Was soll Irland dann mit seinen Hunden machen? Auf der Grünen Insel werden
       jetzt schon rund 16.000 Welpen jedes Jahr geboren. Dem Schicksal des
       Überschusses ging das irische Fernsehen RTÉ mit versteckter Kamera nach.
       Die Dokumentation, die im Juni ausgestrahlt wurde, hat Aufsehen erregt.
       Conor Ryan zeigt in seinem Film, dass die Hunde mit Drogen vollgepumpt
       werden, und wenn sie trotzdem zu langsam sind, werden sie getötet. Mehr als
       6.000 Hunde im Jahr ereilt dieses Schicksal.
       
       Windhunde gelten juristisch nicht als Hunde, sondern als Nutztiere. Deshalb
       ist das Landwirtschaftsministerium für sie zuständig. Um einen Windhund
       legal einschläfern zu lassen, muss man 80 Euro zahlen. Aber es gibt
       Abdecker, die den Job heimlich für zehn oder zwanzig Euro erledigen.
       
       ## Illegal nach China exportiert
       
       Den Hunden werden vorher die Ohren abgeschnitten oder mit Säure verätzt,
       damit man die Besitzer nicht anhand der eintätowierten Nummer
       identifizieren kann. Und zahlreiche Hunde werden illegal über England nach
       China exportiert, wo sie lebendig in siedendem Öl gekocht werden. Auch das
       ist in Ryans Film zu sehen.
       
       Die Dokumentation hat großen Schaden für die Windhundindustrie angerichtet.
       Drei Unternehmen – Barry’s Tea, FBD Insurance und der Tierfutterhersteller
       Connolly’s Red Mills – haben ihre Sponsorenverträge fristlos gekündigt.
       
       „Seit sie die Dokumentation gesehen hat, will meine Mutter, dass ich meine
       Hunde verkaufe“, sagt Pat O’Donohue, „denn mit solchen Machenschaften will
       man nichts zu tun haben. Aber schwarze Schafe gibt es doch überall.“ Die
       meisten seiner Hunde hat er bereits vor der Ausstrahlung des Films
       verkauft. „Wenn der Brexit nicht wäre, hätte ich meine Hunde nicht
       verkauft“, sagt er. „Wenn der Brexit kommt, ist der englische Markt für
       irische Hunde erst mal zu.“ Lediglich sechs Hunde hat er behalten, und
       demnächst will er vier davon verkaufen. „Das reicht, wenn man es als Hobby
       betreibt.“
       
       Gerard Dollard, der Geschäftsführer des irischen Windhundeverbandes Bord na
       gCon, sagt, der Sterling-Währungsverfall im Zuge des Brexit habe erhebliche
       Folgen für die irischen Züchter. „Die Windhundindustrie ist jährlich rund
       300 Millionen Euro wert“, sagt er. „Wir müssen unbedingt dafür sorgen, dass
       es so wenig Bürokratie wie möglich nach dem Brexit gibt. Insbesondere geht
       es uns um die Ausfuhr der Windhunde nach Großbritannien, denn das ist eine
       wichtige Einnahmequelle für Züchter.“
       
       ## Immer weniger Publikum
       
       Das größte Windhunderennen Irlands findet in Clonmel in der Grafschaft
       Tipperary statt. Jedes Jahr kommen 10.000 Zuschauer und der Veranstalter
       behauptet, dass es der lokalen Wirtschaft bis zu 16 Millionen Euro
       einbringt. Die 70 „Coursing Clubs“ organisieren rund 80 Veranstaltungen im
       Jahr. Hinzu kommen illegale Veranstaltungen, zum Beispiel auf Whiddy
       Island, einer kleinen Insel vor der Südküste, bei der auch der Vorstand von
       Bord na gCon nicht fehlt, wie die versteckte Kamera von RTÉ gezeigt hat.
       
       Doch Hunderennen ziehen in Irland und auch in Großbritannien immer weniger
       Publikum an. Allein in London gab es früher 33 Stadien für Hunderennen,
       davon ist kein einziges mehr übrig. Der Brexit ist nicht die einzige Gefahr
       für Irlands Hundezüchter.
       
       In Irland will der Staat nun für eine Hunderentenkasse sorgen. Von 16,8
       Millionen Euro Subventionen pro Jahr werden bisher lediglich 400.000 für
       ausgemusterte Hunde zur Seite gelegt. Künftig sollen es zehn Prozent sein.
       Ob das in Anbetracht des Brexits reicht, ist zu bezweifeln. Wenn die Hunde
       nicht mehr so einfach nach England exportiert werden können, gibt es einen
       noch größeren Hundeüberschuss.
       
       John Fitzgerald von der Kampagne zur Abschaffung grausamer Sportarten freut
       sich: „Ich frage mich, ob es nicht einen Silberstreif am dunklen Horizont
       für Irland gibt. Vielleicht nicht für die Menschen, aber wahrscheinlich für
       die Hunde, die so furchtbar leiden müssen. Ich begrüße jede Entwicklung,
       die das Ende dieser grausamen Industrie beschleunigt. Das wäre auch der
       Todesstoß für die Hasenhatz. So könnte der Brexit nicht nur die Rettung für
       die Windhunde, sondern auch für den irischen Hasen bedeuten.“
       
       10 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Brexit-und-die-Zukunft-Grossbritanniens/!5628202
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Irland
   DIR Hunde
   DIR Tierschutz
   DIR Europäische Kulturhauptstadt
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Schwerpunkt Brexit
   DIR Schwerpunkt Brexit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Neue Auflagen für Tierhaltung: Wenn der Hund mit Anwalt droht
       
       Landwirtschaftsministerin Klöckner (CDU) möchte das Leben von Hunden
       verbessern. Weil die sich für Sommerloch-PR eignen?
       
   DIR Galway ist Kulturhauptstadt Europas: Wie Barcelona im Regen
       
       Ihr Weg zur europäischen Kulturhauptstadt war holprig. Doch die irische
       Stadt Galway hat Potenzial: Studierende, Festivals, Straßenkünstler.
       
   DIR Großbritannien und die EU: Im Armenhaus der Brexiteers
       
       In Ebbw Vale hat die EU nicht gegeizt: Krankenhaus, Sportzentrum, Schulen.
       Doch Thelma Lawrence's Enkel sind arbeitslos. Sie hofft auf den Brexit.
       
   DIR Brexit-Verhandlungen vor dem EU-Gipfel: Licht am Ende des Tunnels?
       
       Brüssel und London sind in geheimen Gesprächen – im EU-Jargon „Tunnel“
       genannt. Ein paar Details um eine Zollpartnerschaft drangen aber heraus.
       
   DIR Brexit-Streit um Nordirland: Es könnte grenzwertig werden
       
       Grenzkontrollen auf der irischen Insel könnte die Wirtschaft empfindlich
       treffen. Auch die letzten britischen Vorschläge treffen auf Kritik.
       
   DIR Neue Hoffnung im Brexit-Streit: Eine Formel für die Grenze zu Irland?
       
       Nur wenige Tage bleiben für eine Brexit-Lösung vor dem EU-Gipfel. Nach
       einem konstruktiven Gespräch mit Irland soll es nun neue Verhandlungen
       geben.
       
   DIR Nach Johnson-Merkel-Gespräch zu Brexit: Die Radikalen machen wieder mobil
       
       Britische Populisten begleiten die Brexit-Verhandlungen mit Ressentiments
       gegen Deutschland. Das EU-Lager kontert mit Unterstellungen.
       
   DIR Grünen-Parteitag in Großbritannien: Für ein besseres politisches Klima
       
       Die britischen Grünen wollen der Brexit-Aufgeregtheit eine „höfliche Art“
       entgegensetzen. Außerdem setzen sie auf Klima als Zukunftsthema.
       
   DIR Brexit und die Zukunft Großbritanniens: Eine englische Erfindung
       
       Der Brexit müsste eigentlich Eexit heißen. Denn Schotten, Waliser und
       Nordiren möchten mehrheitlich in der Europäischen Union bleiben.
       
   DIR Streit um Brexit: Bloß nicht Nein sagen
       
       Die EU reagiert ausgesprochen vorsichtig und diplomatisch auf die neuen
       Pläne aus London. Dahinter steckt ein taktisches Kalkül.