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       # taz.de -- Kaserne wird umbenannt: Nazi-Held hat ausgedient
       
       > In Rotenburg/Wümme haben die Soldaten für die Umbenennung ihrer Kaserne
       > nach einem Freiheitskämpfer votiert. Dafür brauchte es etwas Nachhilfe.
       
   IMG Bild: Gilt nicht mehr als traditionsstiftend: der Name Lent vor dem Kasernentor
       
       Hamburg taz | Statt nach einem [1][Nazi-Kampfflieger] wird die Jägerkaserne
       in Rotenburg/Wümme künftig wohl nach einem Offizier aus den
       Befreiungskriegen gegen die napoleonische Besatzung benannt. Das zumindest
       haben die Soldaten des Jägerbataillons 91 vorgeschlagen, das in der Kaserne
       zu Hause ist.
       
       Wie die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der
       Linken ergab, prüft jetzt der Inspekteur des Heeres den Vorschlag. Danach
       werden noch die Stadt und der Landkreis gehört. Schließlich muss
       Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) dem
       Vorschlag zustimmen.
       
       Der jetzt auf den Weg gebrachten Umbenennung ging eine mehrjährige Debatte
       voraus. Noch vor zwei Jahren [2][sperrten sich] die Mehrheiten im Stadtrat,
       Kreistag und auch die Soldaten gegen eine Umbenennung. Landrat Hermann
       Luttmann (CDU) mailte der dpa: „Eine Änderung würde nur dazu führen, dass
       in weiten Teilen der Öffentlichkeit der falsche Eindruck entsteht
       beziehungsweise verfestigt wird, Helmut Lent sei ein Nazi gewesen. Das hat
       weder er noch seine Familie verdient.“
       
       Allerdings dokumentiert ein Erinnerungsbuch seiner Witwe Lena einen Brief
       des Geschwaderchefs an seine Jagdflieger-Kommandeure vom August 1944. Darin
       forderte er sie auf, „in leidenschaftlicher und fanatischer Weise bis zum
       letzten Blutstropfen zu kämpfen“. Feige Besatzungen müssten ausgerottet
       werden.
       
       ## Ritterkreuz mit Brillanten
       
       Als Träger des Ritterkreuzes mit Eichenlaub, Schwertern und Brillanten war
       Lent so dekoriert wie Erwin Rommel. Die Brillanten erhielt er für seinen
       100. Nachtabschuss als Jagdflieger.
       
       Nach dem neuen [3][Traditionserlass], den die damalige
       Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) im März 2018 herausgab,
       reicht militärische Leistung aber nicht mehr aus, um als Vorbild zu taugen.
       „Heute kann nur ein soldatisches Selbstverständnis mit Wertebindung, das
       sich nicht allein auf professionelles Können im Gefecht reduziert, sinn-
       und traditionsstiftend sein, weswegen die ‚Lent-Kaserne‘ umzubenennen ist“,
       antwortete die Bundesregierung der Linken.
       
       Zwar sei es auf Grundlage eingehender Einzelfallbetrachtung grundsätzlich
       möglich, Wehrmachtsangehörige in das Traditionsgut der Bundeswehr
       aufzunehmen. Die Abwägung müsse aber die Frage der persönlichen Schuld
       berücksichtigen und „eine Leistung zur Bedingung machen, die vorbildlich
       oder sinnstiftend in die Gegenwart wirkt, etwa die Beteiligung am
       militärischen Widerstand gegen das NS-Regime oder besondere Verdienste um
       den Aufbau der Bundeswehr“.
       
       Sinn stiften soll jetzt Johann Christian von Düring (1792 bis 1862), ein
       hannoverscher Forstbeamter und Freikorpsführer. Als im Frühjahr 1813 die
       Erhebung gegen Napoleon begann, stellte er nach Angaben der [4][Deutschen
       Biographie] auf eigene Faust eine Truppe von Forstleuten auf und machte bei
       den beiden Feldzügen mit, die mit der Niederlage Napoleons bei Waterloo
       endeten.
       
       ## Grab im Eichenhain
       
       Nach ein paar weiteren Jahren beim Militär wurde er Forstmeister zu
       Rotenburg und Northeim. Zwischenzeitlich leitete er die Ausbildung des
       Kronprinzen Georg von Hannover. In Rotenburg betrieb er umfangreiche
       Aufforstungen. Zu diesen gehört ein Eichenhain, der heute zum Gelände der
       Jägerkaserne gehört und in dem Dürings Grabmal steht.
       
       Wohl deshalb findet sich unter den weiteren Namensvorschlägen, die
       diskutiert wurden, auch „Eichen-Kaserne“ – neben „Graf Yorck von
       Wartenburg-Kaserne“. So hieß einer der Widerständler vom 20. Juli, aber
       auch der preußische General, der ohne die Einwilligung seines Königs mit
       seinem Korps von den Franzosen zu den Russen überlief.
       
       Mit Blick auf Düring sagt die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (Die
       Linke): „Die Bundeswehr wird noch ausführen müssen, worin genau die
       geforderte ‚Wertebindung‘ des neuen Namensgebers liegt.“ Positiv sei, dass
       die Ehrung eines Wehrmachtsangehörigen, der bis zu seinem Tod für das
       NS-Regime kämpfte, endlich aufhöre; negativ, „dass die Soldaten am Standort
       zu dieser Entscheidung von ganz oben gezwungen werden mussten“.
       
       Das verrate, dass die Wehrmacht im Alltag vor Ort immer noch in gutem Ruf
       stehe – völlig unverdient, wie Jelpke findet, denn sie sei eine
       verbrecherische Truppe gewesen, die einem verbrecherischen Zweck gedient
       habe. „Menschen, die die Wehrmacht glorifizieren, dürfen in Deutschland
       nicht an die Waffe gelassen werden“, fordert sie.
       
       15 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Historikerstreit-um-Bundeswehr-Kaserne/!5418861
   DIR [2] /NS-Tradition-der-Bundeswehr/!5424216
   DIR [3] https://www.bmvg.de/de/aktuelles/der-neue-traditionserlass-23232
   DIR [4] https://www.deutsche-biographie.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
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