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       # taz.de -- Proteste in Indonesien: Angst vor neuem Gesetz
       
       > Wegen eines geplanten Gesetzes gingen in ganz Indonesien Menschen auf die
       > Straße. Die Änderung würde Grundrechte beschneiden.
       
   IMG Bild: Studenten protestieren am 25. September in Jakarta
       
       Berlin taz | Am 24. September gab es bei Protesten in Indonesien mehr als
       300 Verletzte, die meisten davon waren Teilnehmende. Den zweiten Tag in
       Folge gab es Demos gegen die Revision des Strafrechts. Diese würde
       demokratische, aber auch Frauen- und Minderheitenrechte einschränken.
       
       Zehntausende, vor allem Studierende, marschierten in mehreren Städten des
       Inselstaats. Die meisten kamen nach Jakarta, allein 3.000 Protestierende
       versammelten sich vor dem Parlament. Sie forderten, mit Parlamentssprecher
       Bambang Soesatyo zu reden. Der hatte vorher in einer Pressekonferenz offen
       gelassen, bis wann das Gesetz verschoben werden soll. Das gab wohl den
       letzten Anstoß zu den Straßenschlachten mit der Polizei. Während einige
       Demonstrierende Reifen anzündeten und die Polizei mit Steinen bewarfen,
       konterte diese mit Tränengas und Wasserwerfern.
       
       Unter anderem soll mit dem Gesetz außerehelicher Sex und das Zusammenleben
       von Paaren ohne Trauschein mit Gefängnis bestraft werden. Ein weiterer
       Punkt ist die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes: Wenn eine
       Unverheiratete schwanger wird, würde sie für eine Abtreibung bis zu vier
       Jahre ins Gefängnis gehen – außer sie wurde vergewaltigt oder es besteht
       ein medizinischer Notfall. Auch Beleidigungen des Präsidenten würden unter
       Strafe gestellt werden.
       
       Letzten Freitag hatte der indonesische Präsident Joko Widodo das Gesetz
       nach massiver Kritik verschoben. Das Parlament hätte am Dienstag darüber
       abstimmen sollen.
       
       Aktivist*innen hatten Angst, dass das Gesetz doch noch im September kommt.
       Am 1. Oktober wird das [1][im April gewählte Parlament] vereidigt und
       einige Abgeordnete könnten versuchen, es noch vor Beginn der neuen
       Legislaturperiode durchzubringen, so die Befürchtung.
       
       Menschen gingen auch wegen eines Gesetzes, das letzte Woche verabschiedet
       wurde, auf die Straße. Dieses verbietet der Anti-Korruptionsbehörde, ohne
       richterliche Anordnung Telefongespräche abzuhören. Das würde den Einfluss
       der Behörde deutlich schwächen.
       
       ## „Schleichende Islamisierung“
       
       Der Indonesienexperte von Human Rights Watch [2][Andreas Harsono schreibt],
       dass das [3][Gesetz internationalem Recht widerspräche]. Frauen müssten
       eigene Entscheidungen treffen können, ob und wann sie Kinder wollen. Dass
       zudem außerehelicher Sex sowie das Zusammenwohnen kriminalisiert werden
       soll, würde Frauen und Homosexuelle besonders treffen. Die Ehe für
       homosexuelle Paare gibt es in Indonesien nicht.
       
       Der Aufschub der Novelle letzten Freitag kam überraschend. Präsident Widodo
       erklärte dazu, man müsse noch „noch weitere Überlegungen“ zu einigen
       enthaltenen Elementen anstellen.
       
       Für konservative Muslime wäre das Gesetz ein großer Sieg. Viele der 628
       Artikel enthalten Anlehnungen an eine konservative Auslegung der Scharia,
       islamisches Recht. Harsono sieht in dem Gesetzesentwurf einen Hinweis auf
       die „schleichende Islamisierung“ des Landes. Die Bevölkerung Indonesiens
       ist zu etwa 87 Prozent muslimisch.
       
       Zwei Jahre würde es dauern, bis das Gesetz in Kraft tritt. Wenn, dann wären
       auch nicht verheiratete Tourist*innen betroffen. Das Gesetz soll nämlich
       gleichermaßen für Ausländer*innen gelten.
       
       25 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wahl-in-Indonesien/!5593888
   DIR [2] https://www.hrw.org/news/2019/09/23/indonesias-president-urges-delay-criminal-code-vote
   DIR [3] https://www.hrw.org/news/2019/09/23/indonesias-president-urges-delay-criminal-code-vote
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franziska Bauer
       
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