URI: 
       # taz.de -- Kandidatur für SPD-Vorsitz: „Ich bin Olaf Scholz nicht ähnlich“
       
       > Klara Geywitz kandidiert im Team mit Olaf Scholz für den
       > SPD-Parteivorsitz. Sie besteht aber darauf, als eigenständige Person
       > wahrgenommen zu werden.
       
   IMG Bild: Die SPDlerin Klara Geywitz will nicht das „dekorative Salatblatt“ neben Olaf Scholz sein
       
       taz: Frau Geywitz, Sie halten die SPD für die Dramaqueen der Parteien.
       Warum wollen Sie eigentlich SPD-Vorsitzende werden? 
       
       Klara Geywitz: Weil die SPD nicht nur zu Dramen fähig ist, sondern auch zu
       Leidenschaft. Das merke ich bei den Regionalkonferenzen, wo hunderte
       Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen für Themen brennen.
       
       Hat Sie etwas bei den Konferenzen überrascht? 
       
       Wir sind 16 auf der Bühne. Man muss sich kurz fassen und schnell auf den
       Punkt kommen. Funktioniert überraschend gut.
       
       Ein SPD-Mann aus Brandenburg hat Ihnen im Spiegel die Fähigkeit
       abgesprochen, die SPD zu führen. Ihnen fehle Herzenswärme… 
       
       …und ich wäre maximal geeignet, eine Hühnerfarm zu leiten. Mich hat das
       Sprachbild irritiert. Ich kenne einige Hühnerzüchter und weiß, dass Hühner
       sehr soziale Wesen sind und man im Umgang mit ihnen besser empfindsam ist.
       
       Herbert Wehner oder Franz Müntefering wären wegen mangelnder menschlicher
       Wärme kaum für unfähig erklärt worden, Fraktion oder Partei zu führen. Ist
       das frauenfeindlich? 
       
       Männer und Frauen werden in der Politik noch immer unterschiedlich
       beurteilt. Männer können anziehen, was sie wollen, Frauen werden oft nach
       ihrem Äußeren beurteilt. Männer können auch mal energisch und laut werden,
       das gilt als dynamisch. Wenn Andrea Nahles so auftrat, wurde das als
       schwierig empfunden. Das sind jahrhundertealte Wahrnehmungsmuster. Die
       ändern sich nicht so schnell.
       
       [1][Sie kandidieren mit Olaf Scholz zusammen] und haben vor ein paar Wochen
       angekündigt, nicht das „dekorative Salatblatt“ an seiner Seite zu sein. Ist
       es, als Unbekannte in der Bundespolitik, doch schwieriger als gedacht,
       Kontur zu gewinnen? 
       
       Als ich zum ersten Mal eine Kiwi gegessen habe, habe ich gesagt: Schmeckt
       wie eine Mischung aus Apfel und Pflaume. Ein Freund hat gesagt: Nee,
       schmeckt wie eine Kiwi. Es ist naheliegend, dass ich mit Olaf Scholz
       verglichen werde, weil man mich nicht so gut kennt. Aber ich bin Olaf
       Scholz nicht ähnlich, ich bin Klara Geywitz. Und wir treten als ein Team
       an.
       
       Ist es schwieriger, als sie ursprünglich angenommen hatten, das klar zu
       machen? 
       
       Nein, ich hatte mir das schlimmer vorgestellt. Ein Grund für meine
       Kandidatur ist: Viele im Osten haben das Gefühl, dass ihre Geschichte in
       den gesamtdeutschen Erzählungen nicht vorkommt und dass die Eliten
       westdeutsch sind. Das versuche ich ein wenig zu ändern.
       
       Olaf Scholz hat in einem Interview mit der FAZ behauptet, die [2][Kritik
       der Grünen am Klimapaket] sei zu zaghaft, zu „neoliberal“. Teilen Sie das? 
       
       Er meint damit die Forderung einer wesentlich höheren
       Kohlendioxid-Bepreisung. Die Leute brauchen Zeit, um sich umzustellen, ein
       anderes Auto zu kaufen oder die Ölheizung auszuwechseln. Wir brauchen Zeit,
       um den öffentlichen Nahverkehr auszubauen und eine Millionen Ladesäulen für
       Elektroautos zu bauen. Wir Sozialdemokraten wollen Klimaschutz, aber der
       muss von der Gesellschaft akzeptiert werden.
       
       Beim CO2-Preis von 10 Euro pro Tonne Emission steigt der Spritpreis nur um
       drei Cent pro Liter. Niemand fährt deshalb einen Kilometer weniger Auto… 
       
       Aber laut Klimapaket wird die CO2 Bepreisung danach jährlich steigen. Auch
       die KfZ-Steuer wird sich nach der CO2-Emission richten. Das wird eine
       Lenkungswirkung haben – nur später. Und so, dass die Leute sich darauf
       einstellen können.
       
       Es gibt Modelle, etwa von Ottmar Edenhofer, den C02 Preis hoch anzusetzen
       und das Geld direkt zurück an die Bürger zurückzugeben. Das wäre sozial
       gerecht und lenkt trotzdem den Verbrauch. Reiche fliegen mehr, tanken mehr,
       heizen mehr als Ärmere. Warum unterstützt die SPD das nicht? 
       
       Es gibt auch ärmere Leute, etwa in Brandenburg, die mit einem alten Auto zu
       einem weit entfernten Arbeitsplatz fahren und zu Hause eine Ölheizung
       haben. Auch an sie müssen wir denken.
       
       Auch wenn man so die Klimaziele, auf die sich Deutschland in Paris
       verpflichtet hat, verfehlt? 
       
       Dieses harte Urteil überrascht mich. Der wesentlichste Erfolg der SPD beim
       Klimapaket ist die jährliche Überprüfung der Maßnahmen.
       
       Die Regierung überprüft sich selbst. 
       
       Ja, wer sonst? Die Ministerien müssen, wenn die C02-Reduzierung nicht
       ausreicht, innerhalb von drei Monaten nachsteuern. Ich vertraue diesem
       Prozess.
       
       Ist das Soziale nicht nur eine Ausrede, um die nötige Radikalität beim
       Klimaschutz zu vermeiden? So viel Sorge um die Armen hört man von Union,
       FDP und SPD sonst selten… 
       
       Für die SPD weise ich das strikt zurück. Die Situation ist komplex, die
       Gesellschaft driftet auseinander. Bei der Brandenburg-Wahl am 1. September
       habe ich in Potsdam mein Direktmandat an eine Grüne verloren. In der
       Lausitz hat die AfD 36 Prozent bekommen. Manche haben Angst vor dem
       Klimawandel, andere davor, dass das Geld am Ende des Monats nicht reicht.
       Wir als Sozialdemokraten müssen für beide Politik machen.
       
       2 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Scholz-und-Geywitz-fuer-SPD-Vorsitz/!5617432
   DIR [2] /Anton-Hofreiter-ueber-das-Klimapaket/!5627886
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
   DIR Klara Geywitz
   DIR SPD
   DIR Olaf Scholz
   DIR Klara Geywitz
   DIR SPD
   DIR Frauen in Führungspositionen
   DIR SPD-Basis
   DIR Saarbrücken
   DIR Klara Geywitz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR SPD-Parteivorsitz: Stichwahl für Esken und Geywitz
       
       Die SPD-Mitglieder haben sich entschieden: Saskia Esken und Norbert
       Walter-Borjans treten in einer Stichwahl um den Parteivorsitz gegen Klara
       Geywitz und Olaf Scholz an.
       
   DIR Zukunft der GroKo: Kleinkram-Koalition
       
       Was mit der GroKo passiert, hängt aktuell nicht von inhaltlichen
       Beschlüssen ab. Entscheidend ist eher die Stimmungslage der SPD-Basis.
       
   DIR Andrea Nahles hört auf: „Machen Sie’s gut!“
       
       Nach Jahrzehnten löst sich Andrea Nahles nun endgültig von der SPD. Damit
       endet nicht nur ihre Karriere – sondern auch eine politische Ära.
       
   DIR SPD sucht neue Parteivorsitzende: Hurra, sie leben noch
       
       Kein Krawall, kein Geschrei – und kein wirklicher Favorit. Wie sieben Duos
       und ein Einzelbewerber um den SPD-Vorsitz kämpfen.
       
   DIR SPD-Regionalkonferenz in Saarbrücken: Das Rennen ist offen
       
       Die SPD sucht basisdemokratisch eine neue Spitze. Der Anfang der langen
       Kandidatenkür in Saarbrücken gestaltet sich erstaunlich lebendig.
       
   DIR Scholz und Geywitz für SPD-Vorsitz: Müdes Lächeln, klare Sprache
       
       Die Brandenburger Abgeordnete Klara Geywitz kandidiert mit Vizekanzler Olaf
       Scholz für den SPD-Vorsitz. Ihr Auftritt in Berlin ist bemerkenswert.