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       # taz.de -- Proteste in Russlands Hauptstadt: Otpuskai – lass frei!
       
       > Mehr als 20.000 Menschen forderten in Moskau die Freilassung
       > oppositioneller Demonstranten. Die Staatsgewalt ließ sie gewähren.
       
   IMG Bild: Moskau am Sonntag: Tausende Oppositionelle sind auf der Straße
       
       Moskau taz | „Otpuskai“ – lass frei! Unter diesem Motto haben am Wochenende
       auf dem Sacharow Boulevard in Moskau mehr als 20.000 Menschen demonstriert.
       Freiheit fordern sie für jene Dutzenden Demonstranten, die im Vorfeld der
       Moskauer Stadtparlamentswahlen Anfang September von Sicherheitskräften
       festgenommen und unter fadenscheinigen Begründungen zu mehreren Jahren
       Haftstrafen verurteilt worden waren.
       
       Der stetige Protest hatte in Moskau in den letzten Wochen zu mehreren
       Freilassungen, Änderungen des Strafmaßes und Wiederaufnahmen von
       Gerichtsverfahren geführt. Am Montag befasst sich ein Berufungsgericht mit
       dem Fall [1][Pawel Ustinows]. Der Schauspieler wurde zu dreieinhalb Jahren
       Lager verurteilt, obwohl er an der inkriminierten Demo im Juli gar nicht
       teilgenommen hatte. Die Sozialisierungswelle war gewaltig. Schauspieler,
       Lehrer, Ärzte und Popen sprachen sich für den jungen Schauspieler aus.
       
       Tatjana Felgengauer, Moderatorin von Radio Echo Moskwy, führte durch das
       Programm. Es ist der Sender, der die Rolle des Widerspruchs in Moskau noch
       wahrnehmen kann. Losungen wie „Umfassende Amnestie“ oder „Freiheit für alle
       politischen Gefangenen“ versackten unterdessen auf dem weiten Prospekt
       zwischen fernen Häuserfronten. Parolen waren am Sonntag nicht angesagt.
       
       Sie sei gekommen, um sich gegen alles auszusprechen: die Entmündigung bei
       den Wahlen, bei denen oppositionelle Kandidaten nicht zugelassen wurden und
       die Willkürjustiz, die allen Angst einflößen wolle, sagte die 20jährige
       Lucia Petrowna beherzt. Vielen schien es ähnlich zu gehen.
       
       ## Auch Alexej Nawalny ist wieder auf der Straße
       
       Der Politologe Dmitrij Oreschkin sieht unterdessen die Gefahr, dass sich
       der Protest totlaufen könnte. „Die Machthaber lassen eine Demo zu, dann
       noch eine und beim dritten Mal kommt keiner mehr“. Das sei die Strategie
       der Verantwortlichen. Ein bisschen von dieser Atmosphäre lag auch gestern
       über der Veranstaltung. Obwohl einige freigelassene „Straftäter“ und
       verhinderte Abgeordnete an der Veranstaltung teilnahmen.
       
       Auch der Kopf des russischen Protestes, [2][Alexei Nawalny,] war wieder mit
       von der Partie. Ihm gelingt es fast immer, die Massen in Schwingungen zu
       versetzen. Und sei es nur mit der Erzählung, wie Sicherheitskräfte in
       schwarzen Masken die Büros des Antikorruptionsfonds im ganzen Land
       durchsuchen. Sie nähmen nicht einmal danach oder vor Gericht die Masken ab.
       
       „Sind es nicht diese Leute, die tatsächlich Angst haben?“, fragt Nawalny
       rhetorisch und erntet kräftigen Beifall. Er schafft es immer wieder, den
       Demonstranten das Gefühl zu vermitteln, in einem Boot zu sitzen. Sie sollen
       an der Sache dranbleiben – an der „Moskauer Sache“, so heißt diese Welle
       der jüngsten Proteste und Verhaftungen im Vorfeld der Wahlen.
       
       30 Sep 2019
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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