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       # taz.de -- Flüchtlingslager bei Bihać: Illegale Hilfe im bosnischen Wald
       
       > In Vučjak leben die Migranten im Elend. Nun hat die Polizei von Bosnien
       > und Herzegowina ausländische Helfer aus dem Flüchtlingslager geworfen.
       
   IMG Bild: Die Verhältnisse im Lager Vučjak sind teilweise katastrophal
       
       Sarajewo taz | Nachdem die Gesundheitsministerin des Kantons Una-Sana in
       Bosnien und Herzegowina vergangene Woche die Ausländerbehörde auf die
       Helfer im umstrittenen [1][Flüchtlingslager Vučjak] im Wald außerhalb der
       nordbosnischen Stadt Bihać losschickte, ist die Lage für die rund 700
       „Bewohner“ des Lagers noch unerträglicher geworden. Zusammen mit bosnischer
       Polizei kamen Vertreter der Ausländerbehörde ins Lager und nahmen die
       ausländischen Helfer im Krankenzelt kurzerhand mit.
       
       Auf der Polizeistation mussten die ungarische Ärztin, die deutsche
       Krankenschwester und der slowenische Sanitäter 150 Euro Strafe bezahlen,
       weil sie unangemeldet und ohne Mitglied einer zugelassenen
       Hilfsorganisation zu sein, einfach freiwillig dem deutschen Journalisten
       Dirk Planert zur Seite standen, der sich seit Monaten um die Migranten
       kümmert. Sie mussten das Land verlassen.
       
       Die Migranten protestierten zwar, doch das alles bleibt ohne Konsequenzen.
       Dirk Planert ist es fortan untersagt, jegliche humanitäre und medizinische
       Hilfe zu leisten. Es geht vor allem um die Wunden, die jenen Migranten
       [2][von der kroatischen Polizei] zugefügt werden, als sie versuchten, nach
       Kroatien zu gelangen und dort festgenommen, geschlagen und dann nach
       Bosnien zurückgeschickt werden.
       
       Die bosnischen Krankenhäuser weigern sich in der Regel, diese Migranten als
       Patienten aufzunehmen. Deshalb haben Planert und die Freiwilligen seit
       Monaten Geld und Sachspenden aus dem Ausland organisiert, um dort gemeinsam
       mit dem lokalen Roten Kreuz einen Notdienst aufzubauen.
       
       ## Eine Müllhalde für alleinstehende junge Männer
       
       Das Lager Vučjak steht auf einer Müllhalde und ist für alleinstehende junge
       Männer bestimmt. Migrantenfamilien, Frauen, Kinder und ältere Männer sind
       dagegen in der Fabrikhalle der ehemaligen Firma Bira in Bihać
       untergebracht. Im Frühjahr hatten die verantwortlichen Politiker nach
       Protesten aus der Bevölkerung die jungen Männer aus der Stadt Bihać
       entfernt, nachdem es zu Konflikten in der Stadt gekommen war – vor allem
       Frauen klagten darüber, ständig mit jungen Migranten konfrontiert zu
       werden.
       
       Der Bürgermeister der Stadt Bihać, Šuhret Fazlić, und der Präsident des
       Kantons Una-Sana, Mustafa Rustić, sind von der Situation offenbar
       überfordert. Peter van der Auweraert, Chef der UN-Migrationsorganisation
       IOM in Bosnien und Herzegowina, fordert von den bosnischen Politikern,
       endlich aktiv zu werden. Das Lager Vučjak müsse aufgelöst werden.
       
       Schon im Sommer hatte de Auweraert vorgeschlagen, neue und winterfeste
       Lager in Bosnien zu errichten. Geld und Material wären bereitgestanden.
       Doch die bosnischen Gemeinden weigerten sich, auf ihren Gebieten neue Lager
       zuzulassen. Jetzt, heißt es seitens IOM, sei es für die Errichtung
       winterfester Zeltlager zu spät, man müsste die Migranten in leerstehenden
       Häusern oder Fabrikanlagen unterbringen.
       
       IOM habe dazu schon Vorschläge gemacht, sagt der Vertreter und fordert vom
       Sicherheitsminister des Gesamtstaates in Sarajevo und den Spitzen der
       Behörden im Una-Sana-Kanton, endlich Entscheidungen zu treffen. Und er
       fordert von den Repräsentanten der EU in Bosnien, in diesem Sinne auf die
       Gemeinden und bosnischen Politiker einzuwirken. „In Sarajevo haben wir ein
       Gebäude, da ist es möglich, mehr Migranten unterzubringen, aber das reicht
       nicht, wir müssen die Vučjak-Leute in der Region Una-Sana unterbringen. Das
       muss angesichts des Winters jetzt schnell gehen.“
       
       Das Stadtparlament wird am Mittwoch über die Lage in Vučjak beraten. 45.000
       Migranten wurden seit 2015 in Bosnien und Herzegowina registriert, 7.000
       seien zurzeit da, sagt Peter van der Auweraert. Es sind also 38.000
       Menschen trotz der Abschottungspolitik Kroatiens und trotz aller
       Hindernisse auf ihrem Weg nach Zentraleuropa durchgekommen.
       
       30 Sep 2019
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Erich Rathfelder
       
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