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       # taz.de -- Proteste gegen hohe Mieten: Nur deckeln – oder auch senken?
       
       > Am Donnerstag werden Tausende für einen landesweiten Mietendeckel
       > demonstrieren – und für eine Enteignung der Deutschen Wohnen.
       
   IMG Bild: Mieterdemonstration im April in Berlin
       
       BERLIN taz | Zwei Wochen bevor der Berliner Senat seinen Gesetzentwurf für
       einen landesweiten Mietendeckel verabschieden will, wird das ohnehin raue
       Debattenklima deutlich giftiger. Am Wochenende postete Tobias Scheidacker,
       Anwalt und Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins Kreuzberg, ein
       eigenes Gutachten, wonach die Einführung des Mietendeckels zur fristlosen
       Kündigung von Mietern berechtigt. Grund: Wegfall der Geschäftsgrundlage.
       
       „Die richtige Strategie aus Eigentümersicht ist deshalb, zu überlegen,
       welche Mieter am Tag des Inkrafttretens des Mietendeckelgesetzes gekündigt
       werden sollen, weil man unter den neuen gesetzlichen Vorgaben an sie nicht
       vermietet hätte“, schreibt Scheidacker. In Berlin vergeht derzeit zwar kaum
       ein Tag, ohne dass Immobilienverbände gegen das geplante Gesetz Sturm
       laufen; Scheidackers Drohung mit massenhafter Mieterkündigung stellt
       dennoch eine neue Eskalationsstufe dar.
       
       Im Winter hatten führende Berliner Sozialdemokraten einen landesweiten
       Mietendeckel ins Spiel gebracht, nachdem die bundesweit geltende
       Mietpreisbremse den Anstieg der Berliner Mieten kaum reduziert hatte.
       
       Im Juni beschloss der Senat [1][erste Eckpunkte], Ende August legte
       Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) [2][einen ersten
       Gesetzentwurf vor]. Demnach werden alle Mieten für fünf Jahre grundsätzlich
       eingefroren, Erhöhungen sind nur in Höhe der jährlichen Inflationsrate bis
       zu einer bestimmten Obergrenze möglich. Das wären je nach Baujahr und
       Ausstattung des Hauses zwischen 3,92 Euro und 9,80 Euro pro Quadratmeter.
       
       ## „Richtig deckeln, dann enteignen“
       
       Dazu kommen Modernisierungszuschläge bis höchstens 1,40 Euro pro
       Quadratmeter. Mieter können auf Antrag auch bereits überhöhte Mieten
       reduzieren – allerdings nur, wenn die Mietbelastung mehr als 30 Prozent des
       Einkommens des Haushalts beträgt. Lompscher hat mit dem Entwurf die ersten
       Kritikstürme von Vermieterseite berücksichtigt, die nach der
       Veröffentlichung der Eckpunkte losbrachen. Dort war die Möglichkeit eines
       Inflationsausgleichs noch offengelassen worden.
       
       Für den Donnerstag haben Initiativen zu einer Großdemonstration unter dem
       Motto „Richtig deckeln, dann enteignen“ aufgerufen. Bis zu 10.000
       Teilnehmer werden erwartet. Lompschers Entwurf geht ihnen nicht weit genug.
       Aber vor allem befürchten sie weitere Verwässerungen, wenn der Senat am 15.
       Oktober das Gesetz beschließt. „Die Immobilienlobby hofft auf Michael
       Müller“, sagt Michael Prütz vom Bündnis „Deutsche Wohnen & Co enteignen“,
       das zur Demonstration aufruft.
       
       Müller sieht ebenso wie andere Sozialdemokraten vor allem die
       Absenkungsmöglichkeit als Problem an. „Wir brauchen ein schlankes,
       machbares Gesetz, das juristisch haltbar ist“, sagt Iris Spranger,
       mietenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, der taz.
       „Wenn das Gesetz vor den Gerichten nicht besteht, haben wir Chaos.“ Und vor
       Gericht wird der Mietendeckel ohnehin landen, weil Opposition und Vermieter
       bestreiten, dass Länder überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz haben.
       
       Die SPD, die in den Umfragen hinter Linken und Grünen liegt, hatte den
       Mietendeckel auch ins Spiel gebracht, um dem zuvor angekündigten
       Volksbegehren von Prütz und seiner Initiative zur Enteignung der Deutschen
       Wohnen und anderer Immobilienkonzerne den Wind aus den Segeln zu nehmen.
       
       Seit Juli prüft die SPD-geführte Senatsverwaltung für Inneres dessen
       Rechtmäßigkeit. Die Initiatoren fürchten, dass Innensenator Andreas Geisel
       (SPD) die Frage dem Landesverfassungsgericht zur Prüfung übergibt und das
       Volksbegehren dann auf Eis liegt. Auch deshalb gehen sie am Donnerstag auf
       die Straße.
       
       3 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2019/pressemitteilung.820537.php
   DIR [2] https://www.stadtentwicklung.berlin.de/aktuell/pressebox/archiv_volltext.shtml?arch_1908%2Fnachricht6785.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Reeh
       
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