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       # taz.de -- Anhaltende Krise in Hongkong: Vermummen ab jetzt verboten
       
       > In Hongkong hat die Regierung ein Vermummungsverbot für die Proteste
       > erlassen. Dennoch erklärt Regierungschefin Carrie Lam nicht formell den
       > Notstand.
       
   IMG Bild: Maskiert in die Mittagspause: Anti-Regierungs-DemonstrantInnen in Hongkong
       
       Hongkong dpa | Unter Berufung auf ein Notstandsgesetz aus der britischen
       Kolonialzeit hat die Hongkonger Regierung ein Vermummungsverbot für die
       anhaltenden Proteste erlassen. Wie Regierungschefin Carrie Lam am Freitag
       vor der Presse mitteilte, sei die Entscheidung auf einer Kabinettssitzung
       gefallen.
       
       Das Verbot von Masken oder anderer Vermummung gilt von Samstag an bei
       öffentlichen Versammlungen in der chinesischen Sonderverwaltungsregion. Es
       wird mit bis zu einem Jahr Gefängnis geahndet.
       
       Das Vorgehen ist höchst umstritten, weil sich die Regierung Hongkongs
       angesichts der Demonstrationen erstmals seit mehr als einem halben
       Jahrhundert auf das Notstandsgesetz beruft. „Die öffentliche Ordnung ist in
       einem gefährlichen Zustand“, sagte Lam. Die Gewalt habe zugenommen. Die
       TäterInnen hätten fast immer ihre Gesichter bedeckt. „Wir können nicht
       erlauben, dass die Situation immer schlimmer wird.“
       
       Obwohl die Regierungschefin das Notstandsgesetz bemühte, betonte sie: „Das
       bedeutet nicht, dass Hongkong im Notstand ist.“ Auch werde nicht formell
       der Notstand ausgerufen. Sie hoffe, dass Hongkong mit dem Vermummungsverbot
       wieder zu Frieden zurückkehre. Dem Parlament werde die Vorschrift auf der
       nächsten Sitzung am 16. Oktober vorgelegt werden, um sie zu einem Gesetz zu
       machen.
       
       ## „Für Notfälle und bei öffentlicher Gefahr“
       
       Die Polizei kann künftig auch jede Person in der Öffentlichkeit bei
       hinreichendem Verdacht auffordern, zur Identifizierung einen Gesichtsschutz
       abzulegen. Wer dem nicht folgt, muss mit Strafen bis zu sechs Monaten Haft
       rechnen. Lam trat mit ihrem ganzen Kabinett vor die Presse, um
       Geschlossenheit zu demonstrieren. Hinter ihnen stand auf einem großen
       Wandbildschirm die Parole „Schätzt Hongkong – Beendet die Gewalt“.
       
       Das Gesetz „für Notfälle und bei öffentlicher Gefahr“ wurde 1922 von den
       britischen Kolonialherren erlassen und erst zweimal angewandt: um im selben
       Jahr einen Streik von Seeleuten niederzuschlagen, der den Hafen lahmgelegt
       hatte, sowie 1967 bei Unruhen und Protesten prokommunistischer Kräfte gegen
       die britische Kolonialherrschaft.
       
       Das Gesetz unter Kapitel 241 ermöglicht der Regierungschefin auch noch
       weitere Notstandsmaßnahmen, „die als notwendig im öffentlichen Interesse
       betrachtet werden“. Ausdrücklich genannt werden unter [1][anderem Zensur,
       erleichterte Festnahmen und Haftstrafen, Hausdurchsuchungen, Beschlagnahme
       und die Unterbrechung von Kommunikationsnetzwerken].
       
       DemonstrantInnen in Hongkong tragen Masken und vielfach auch dicht
       schließende Brillen, um sich vor Tränengas oder Pfefferspray zu schützen.
       Außerdem wollen sie verhindern, dass die Polizei sie identifiziert – etwa
       mit Software für Gesichtserkennung. Pro-Pekinger Abgeordnete in Hongkong
       haben schon länger ein Verbot von Gesichtsmasken gefordert.
       
       ## Betroffen sind auch JournalistInnen
       
       Wie das Vermummungsverbot in der Praxis durchgesetzt wird, muss sich
       zeigen. Betroffen sind auch JournalistInnen, die über Demonstrationen
       berichten und sich ähnlich mit Gesichtsmasken gegen Tränengas schützen. Mit
       der Entscheidung auf Grundlage des Notstandsgesetzes umgeht die Regierung
       sonst notwendige Beratungen im Parlament, das auch erst Mitte des Monats
       wieder zusammentritt.
       
       Die deutliche Verschärfung des Vorgehens gegen die DemonstrantInnen
       erfolgte kurz nach dem Besuch von Lam in Peking, wo sie am Dienstag an der
       Militärparade und den Feiern der kommunistischen Führung zum 70.
       Gründungstag der Volksrepublik teilgenommen hatte.
       
       Die seit fünf Monaten anhaltenden Demonstrationen waren zum Jahrestag
       eskaliert. [2][Erstmals wurde ein Demonstrant angeschossen] – ein
       18-jähriger Student. Rund einhundert Menschen wurden verletzt. Auch wurden
       269 DemonstrantInnen festgenommen – soviel wie nie zuvor an einem Tag. Seit
       Ausbruch der Proteste sind damit rund 2000 Menschen festgenommen worden.
       
       Die Proteste richten sich gegen die Regierung und den wachsenden Einfluss
       der Pekinger Führung in Hongkong. Die DemonstrantInnen fordern eine
       unabhängige Untersuchung von Polizeigewalt, einen Straferlass für die
       Festgenommenen, eine Rücknahme der Einstufung ihrer Proteste als „Aufruhr“
       sowie freie Wahlen.
       
       4 Oct 2019
       
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