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       # taz.de -- Schläge und blaue Flecken: Keine bleibenden Schäden
       
       > Ein blauer Fleck wird mit der Zeit grün, dann gelb. Er ist Zeugnis des
       > schönen Gefühls, wenn sich zwei Menschen einvernehmlich Gewalt antun.
       
   IMG Bild: Nicht nur Kochlöffel sind gut geeignet, um einvernehmlich blaue Flecken zu zufügen
       
       Ein blauer Fleck ist eine Verletzung von Blutgefäßen ohne offene Wunde. Der
       Fleck erscheint ein paar Stunden, nachdem ich die Schläge mit dem hölzernen
       Kochlöffel erhalten habe. Mit jenem Kochlöffel, den aus der Küche zu holen
       mir befohlen wurde – ich habe gehorcht, in freudiger Erwartung. Blaue
       Flecke heißen auch, eher hässlich-medizinisch, Hämatom, oder,
       altmodisch-direkt, Bluterguss. Meine Oma sprach das immer „Bluter-Guss“
       aus, sodass ich mir als Kind vorstellte, jemand gieße mit einer großen
       Kanne flüssige Blutwurst aus dem Fenster.
       
       Der blaue Fleck ist erst mal noch nicht blau. Unmittelbar nach den Schlägen
       ist die Haut geschwollen, zumindest bei straffem Gewebe. Sie können sich
       also freuen, wenn sie eine Schwellung haben, dass auf Ihrem Bindegewebe
       ordentlich Zug ist. Manchen Leuten ist das ja wichtig. Das Blut rinnt nun
       ins umliegende Gewebe und der Blutfarbstoff Hämoglobin, der Eisen enthält,
       färbt die Gegend um die verletzte Stelle rot ein. Das passiert, während wir
       beide uns noch in den Armen liegen und ausruhen. Denn Prügeln ist
       erschöpfend, auch für den oder die, die prügelt.
       
       Während wir noch chillen und uns [1][schmutzige Sachen zuflüstern], haben
       die Blutplättchen zu arbeiten angefangen. Wenige Stunden nach der
       Verletzung sind die Äderchen bei idealtypischem Heilungsverlauf wieder
       geschlossen, es rinnt kein frisches Blut nach. Der blaue Fleck wird jetzt
       wirklich blau. Das haben wir aber nicht mehr mitbekommen, weil wir längst
       schlafen.
       
       ## Nichts wird zurückbleiben
       
       Nach dem Ausschlafen und dem gemeinsamen Frühstück darf der Fleck dann
       schon wieder die Farbe wechseln, weil ich mittlerweile beschlossen habe,
       dass ich heute nicht nochmal Schläge brauche. Das Hämoglobin wird also
       abgebaut zu Biliverdin, welches die Stelle grünlich färbt; während wir uns
       verabschieden und sagen, dass wir das bald wieder machen sollten; während
       ich die Zigarettenstummel und Bierflaschen entsorge und das Geschirr
       abwasche – ja, auch den Kochlöffel.
       
       Der besondere Moment, der entsteht, wenn zwei Menschen sich einvernehmlich
       Gewalt antun, er hält noch ein bisschen vor. Ein oder zwei Tage bleibt das
       High, die Ausgeglichenheit, die erhöhte Empfindsamkeit für Sinneseindrücke
       und für die eigene Gefühlswelt. Das sporadische Zwicken in der
       malträtierten Gegend reißt sogar noch ein paar Tage länger immer mal wieder
       angenehm aus der Betäubtheit des Alltags heraus und erinnert: Du hast
       jemand dich schlagen lassen, und du hast es genossen. Du Schelm.
       
       Dann nimmt die Wirkung ab und zugleich wird das Biliverdin weiter zersetzt,
       zu Bilirubin, das zwar rot klingt, aber tatsächlich gelb ist. Und gelb wird
       dann auch der Fleck, bevor er verschwindet und nichts zurücklässt. Keine
       bleibenden Schäden. Das ist eine der häufigsten Grenzvereinbarungen unter
       SM-Liebenden. Heißt: Wir wollen uns nichts wirklich Destruktives antun.
       Höchstens etwas, das ein bisschen so aussehen könnte. Auf den ersten Blick.
       
       19 Oct 2019
       
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