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       # taz.de -- Bernd Lucke an der Uni Hamburg: Infantiler Protest
       
       > AfD-Gründer Bernd Lucke kehrt als Professor zurück an die Uni Hamburg.
       > StudentInnen verhindern seine Vorlesung. Das geht zu weit.
       
   IMG Bild: Okay, Studis wollen keinen „Professor Lucke“ – verständlich. Aber warum diese Form von Protest?
       
       Bernd Lucke ist Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg. Das
       mag man in den vergangenen Jahren vergessen haben, weil Lucke zuletzt als
       Politiker Karriere gemacht hatte. Er gründete 2013 die damals gerne als
       Professorenpartei bezeichnete AfD, feierte Erfolge, zog ins EU-Parlament
       ein, verließ die AfD dann 2015 im Streit mit dem rechten Flügel, gründete
       eine neue Partei, blieb damit erfolglos. Nun ist Bernd Lucke also wieder
       Professor. War er ja auch immer gewesen, er war bloß seit 2014 als
       Vollzeitpolitiker beurlaubt.
       
       Schon als vor einigen Wochen bekannt wurde, dass Lucke die Lehre in Hamburg
       wieder aufnehmen würde, hagelte es Kritik von Studierendenvertretern.
       „Lucke hat mit der AfD ein Monster geschaffen und sich anschließend feige
       aus der Verantwortung gezogen“, hieß es aus dem Asta. So ein Mensch gehöre
       an keine Uni. Lucke äußerte sich damals nicht.
       
       [1][Am Mittwoch will Lucke seine erste Vorlesung halten: „Makroökonomie
       II“. Es kommt anders]. Bevor er ein Wort sagen kann, übernehmen
       Protestierende den Hörsaal. Spannen Regenschirme auf, skandieren „Hau ab,
       hau ab“ und „Nazischweine raus aus der Uni“. Pfeifen, johlen, entrollen
       Transparente.
       
       Lucke verzieht keine Miene. Später setzt er sich in die vierte Reihe des
       Hörsaals zu den Studierenden, die gekommen sind, um etwas über
       Makroökonomie zu lernen. Dort sitzt er, plaudert mit einer Studentin, mal
       guckt er wütend, wird weiter beschimpft, mit Papierkügelchen beworfen.
       Später kommt es zu kleineren Rangeleien. Erst nach zwei Stunden verlässt
       Lucke den Hörsaal und geht unter Polizeischutz zur nächsten S-Bahn.
       
       ## Es gab keine Auseinandersetzung
       
       Der Asta verteidigt sich später. Man habe lediglich zu Protest vor der Uni
       aufgerufen. Lucke bedankt sich später bei seinen StudentInnen, die „ihm
       Rückendeckung gegen den Mob gegeben haben.“ Die Unileitung und die Grüne
       Wissenschaftssenatorin nehmen ihren Professor später nicht in Schutz,
       sondern sprechen umständlich von Universitäten als Orte, „die diskursive
       Auseinandersetzung auch über kontroverse gesellschaftliche Sachverhalte und
       Positionen führen und aushalten müssen“.
       
       Zu eben dieser diskursiven Auseinandersetzung ist es am Mittwoch aber nicht
       gekommen, weil StudentInnen Lucke niederbrüllten.
       
       Es ist legitim, dass sich ein paar hundert StudentInnen vor der Vorlesung
       vor der Universität versammelten, um auf Luckes Vergangenheit aufmerksam zu
       machen. Darauf, dass er den Weg bereitet hat für eine rechtsextreme Partei,
       den Grundstein gelegt hat für die Stimmungsmache gegen „Lügenpresse“, dass
       er mal „entartet“ gesagt und sich teils nur vage von deutlich rechteren
       Aussagen damaliger Parteifreunde distanziert hatte. Der Asta wirft Lucke
       aber nicht nur seine politische Vergangenheit vor, sondern auch seine
       „Ideologie freier Märkte“.
       
       Lucke daran zu hindern, seine Vorlesung zu halten, geht zu weit.
       Universitäten sind Orte des Diskurses. Dazu gehören unterschiedliche
       Meinungen. Diesen Diskurs haben die Protestierenden nicht zugelassen.
       
       ## Was ist die Steigerung von „Nazischwein“?
       
       Besonders die Art und Weise verstört. „Nazischweine raus aus der Uni“,
       skandierten die StudentInnen. Wenn Lucke ein „Nazischwein“ ist, was ist
       dann Thilo Sarrazin, was ist Alice Weidel – und vor allem: [2][Was ist
       Björn Höcke? Ein „Turbo-Nazischwein“?]
       
       Wenn Höcke mal auf die Idee käme, wieder als Geschichtslehrer zu arbeiten,
       soll ihm bitte unbedingt jeder Protest der Welt entgegenschlagen. Lucke
       aber ist kein Nazi, er steht – soweit bekannt – auf dem Boden der
       Verfassung. Man muss ihn, seine ökonomischen und politischen Positionen
       nicht mögen. Ihm aber die Lehre von Makroökonomie durch infantilen Protest
       verbieten zu wollen, ist kontraproduktiv. Es spielt den Rechten in die
       Hände, überlässt ihnen mal wieder die Opferrolle.
       
       Mangelnde Differenzierung führt zu Verharmlosung. Der Protest der Linken
       sollte sich auf die eigentlichen Nazis konzentrieren. Sonst wird er
       irgendwann nicht mehr ernst genommen.
       
       17 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
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