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       # taz.de -- Werder nach dem Remis gegen Berlin: Des Trainers Dialektik
       
       > Werder Bremen vergibt beim 1:1 gegen Hertha BSC viele Chancen.
       > Werder-Trainer Florian Kohfeldt blickt trotzdem optimistisch auf das
       > große Ganze.
       
   IMG Bild: Ein Dank den Fans, dann geht die Arbeit sofort weiter: Werder-Trainer Florian Kohfeldt am Samstag
       
       Bremen taz | „Woran arbeiten Sie?“, wurde Herr K. gefragt. Herr K.
       antwortete: „Ich habe viel Mühe, ich bereite meinen nächsten Irrtum vor.“
       
       Ganz so philosophisch wie Herr Keuner in den Geschichten von Bertolt Brecht
       antwortet Florian Kohfeldt zwar nicht auf die Fragen der Journalisten.
       Dennoch ist die Gesprächsrunde mit dem Werder-Trainer nach
       Bundesliga-Spielen immer auch eine Lehrstunde für die Fragenden. Geht es
       dabei meist um taktische und psychologische Aspekte, gab der Fußballlehrer
       nach dem Spiel gegen Hertha BSC eine Kurzeinführung in die Kunst der
       Dialektik, die Brecht erfreut hätte.
       
       In diesem Fall hatte Kohfeldt ein Spiel zu erklären, das seine Mannschaft
       mit dem 1:0 in der 8. Minute durch Josh Sargent früh in die gewünschte
       Richtung brachte und das sie bis zur 70. Minute durch eine Vielzahl schön
       herausgespielter Chancen für sich hätte entscheiden können. Und aus dem
       aufgrund einer Unachtsamkeit in der 71. Minute und dem daraus
       resultierenden Ausgleichstreffer durch Dodi Lukébakio doch nur ein Punkt
       hängen blieb.
       
       „Es fühlt sich wie eine Niederlage an. So wie das Spiel läuft, musst du es
       gewinnen“, sagte Kohfeldt und bemängelte die fehlende Konsequenz im Umgang
       mit den eigenen Chancen sowie im Abwehrverhalten beim Ausgleichstreffer.
       „Aber gleichzeitig – und das gehört zum schwierigsten Teil meines Jobs –
       muss ich schon eine Stunde nach Spielschluss auch an das große Ganze
       denken“, fuhr er fort. „Heute haben wir Mittel gezeigt, um Spiele zu
       gewinnen. Diese Mittel müssen wir jetzt weiterentwickeln.“
       
       ## Systemwechsel während des Spiels
       
       In einer gefühlten Niederlage die Mittel für künftige Erfolge zu erkennen –
       und diese dann auch noch präzise benennen zu können – das hebt Kohfeldt
       deutlich von der üblichen Schwarz-Weiß-Malerei der Fußballszene ab.
       
       Diese Mittel bestehen bei Werder unter Kohfeldts Regie hauptsächlich aus
       schnellem Kombinationsspiel, in dem Quer-, Steil- und Vertikalpässe bei
       gegenläufigen Bewegungen und guter Staffelung der Offensivkräfte fließend
       ineinandergreifen und zu Chancen führen. Dazu kommt wie gegen Hertha die
       Fähigkeit, während des Spiels das System wechseln zu können – in diesem
       Fall von der bis zum Gegentor praktizierten Fünferkette mit Nuri Şahin als
       Mittelmann hin zur Raute mit dem eingewechselten Philipp Bargfrede als
       einzigem Sechser.
       
       Schon während der Woche hatte Kohfeldts Herz nach eigenen Worten „höher
       geschlagen“, weil es nach Länderspielpause und Rückkehr einiger verletzter
       Spieler „Top-Einheiten“ auf dem Trainingsplatz gab, in denen die für das
       Kombinationsspiel nötigen Automatismen erarbeitet werden konnten. Dass es
       dennoch nur zu einem Punkt reichte, versuchte niemand auf Werders Seite
       damit zu erklären, dass immer noch einige Topkräfte verletzt sind oder
       geschont wurden.
       
       Die Innenverteidigung mit Christian Groß, der erst vor Kurzem als
       Dreißigjähriger sein Bundesliga-Debüt gegeben hat und dem lange verletzten
       Miloš Veljković stand erneut sicher. Und der erst kurz vor dem Spiel vom
       Länderspiel mit der USA-Auswahl zurückgekehrte Sargent war trotz Jetlags
       bis zu seiner Auswechslung wach und gefährlich.
       
       ## Mehr Entschlossenheit
       
       Dennoch blieb der Eindruck, dass mit Niklas Moisander und Ömer Toprak in
       der Abwehr sowie Yuya Osako und Niclas Füllkrug im Angriff der kleine Tick
       mehr Entschlossenheit vorhanden wäre, um so ein enges Spiel gegen einen
       starken Gegner für sich zu entscheiden.
       
       Zumindest Toprak und Osako könnten am kommenden Samstag bei Bayer
       Leverkusen wieder auf dem Platz stehen. Allerdings befürchten manche
       Beobachter, das Team könnte bereits jetzt zu viele Punkte verloren haben,
       um das Saisonziel, die Qualifizierung für einen europäischen Wettbewerb, zu
       erreichen.
       
       Im Moment trennen Werder auf Platz 11 fünf Punkte von diesem Ziel. „Ich
       habe eben noch einmal meine Mathe-Leistungskurs-Kenntnisse bemüht“, sagte
       Herr K. „und festgestellt, dass es der achte Spieltag war: 34 minus 8 sind
       26 – dementsprechend ist das noch sehr, sehr viel Zeit, um Punkte zu
       sammeln und über Saisonziele zu reden.“
       
       20 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Lorenzen
       
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