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       # taz.de -- Berlin beschließt Mietendeckel: Experiment für die Mieter
       
       > Für Linken-Chef Riexinger ist der Berliner Mietendeckel ein „Signal“ an
       > den Rest der Bundesrepublik. Andere Politiker und Verbände hingegen üben
       > Kritik.
       
   IMG Bild: Hoffnungsschimmer oder düstere Aussichten? Am Mietendeckel scheiden sich die Berliner Geister
       
       Berlin taz | Die Einigung zum Berliner Mietendeckel stößt auf Zustimmung
       und Kritik. „Dass die Mieterhöhungen in Berlin für fünf Jahre gestoppt und
       gedeckelt werden, ist ein wichtiger Erfolg linker Politik“, sagte
       Linken-Parteichef Bernd Riexinger der taz. „Von Berlin kann ein Signal für
       alle Initiativen ausgehen, die auch in anderen Bundesländern oder
       Stadtstaaten einen Mietendeckel fordern.“
       
       Ein Bündnis aus Wirtschafts- und Bauverbänden will hingegen in einem
       offenen Brief an den Berliner Senat protestieren und befürchtet „negative
       Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft“, heißt es in einer
       Ankündigung.
       
       Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin hatte sich am Freitag auf den
       [1][Mietendeckel geeinigt], am Dienstag will der Senat das entsprechende
       Gesetz auf den Weg bringen. Laut der Einigung sollen die Mieten in Berlin,
       rückwirkend zum 18. Juni 2019, für fünf Jahre eingefroren werden. Ab dem
       Jahr 2022 können Vermieter die Miete dennoch in Höhe eines
       Inflationsausgleichs von 1,3 Prozent pro Jahr erhöhen. Das Einfrieren gilt
       nach Angaben der Grünen für 1,5 Millionen Mietwohnungen, aber nicht für
       Neubauten, die ab Januar 2014 bezugsfertig wurden, und nicht für den
       sozialen Wohnungsbau, dessen Mieten ohnehin preisgebunden sind.
       
       Durch das neue Gesetz dürfen überdies Mieten bei Wiedervermietungen nicht
       mehr über die Höhe der Vormiete angehoben werden. Falls die Vormiete schon
       höher war als eine bestimmte, künftige Tabellenmiete, kann die Miete vom
       Neumieter auf diese Tabellenmiete abgesenkt werden.
       
       Die Tabellenmiete bezieht sich auf die Werte im Mietspiegel von 2013 plus
       einen Aufschlag von 13 Prozent. Wirft man einen Blick in den Mietspiegel,
       dann lässt sich bei einer 80 Quadratmeter-Altbauwohnung in guter Lage
       beispielsweise eine künftige Tabellenmiete von 640 Euro nettokalt
       errechnen. Die neue Miete im Wohnungsangebot dürfte dann nicht mehr über
       dieser Grenze liegen.
       
       ## Mietsenkungen mit „Wucherregelung“ möglich
       
       Für Bestandsmieter, also Leute, die bereits einen Mietvertrag haben, gilt
       eine „Wucherregelung“, die in bestimmten Fällen Absenkungen erlaubt. Dieser
       Paragraf soll erst in neun Monaten in Kraft treten. Danach dürfen hohe
       Mieten auch in bereits bestehenden Verträgen gesenkt werden, wenn sie mehr
       als 20 Prozent über der Tabellenmiete liegen. Sie dürfen dann höchstens die
       Tabellenmiete plus 20 Prozent betragen. Allerdings sollen je nach Lage noch
       Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden. Bei einer einfachen Lage sollen
       dies Abschläge von 28 Cent, bei einer guten Lage Zuschläge von 74 Cent der
       Quadratmeter sein.
       
       Im oben genannten Beispiel bei einer Tabellenmiete in guter Lage von 8 Euro
       der Quadratmeter könnte eine Wuchermiete dann – inklusive der Zuschläge –
       auf eine Höhe von 10,34 Euro nettokalt der Quadratmeter begrenzt werden.
       Bei einer 80 Quadratmeter-Wohnung wären dies 827 Euro nettokalt. Nur eine
       Bestandsmiete, die darüber liegt, könnte als „Wuchermiete“ in diesem
       Beispiel abgesenkt werden.
       
       Diese Mietobergrenzen werden in den Angeboten auf dem Wohnungsmarkt oft
       übertroffen, wie jeder Berliner Wohnungssuchende erlebt. Laut dem Portal
       Immowelt liegen die Angebotsmieten in Berlin derzeit bei 11,60 Euro
       nettokalt der Quadratmeter. Allerdings sind in diesen Angeboten auch
       Neubauwohnungen mit berücksichtigt, die ja nicht unter den Mietendeckel
       fallen.
       
       Um Mietpreiserhöhungen durch Modernisierungen zu erschweren, gibt es auch
       hierzu eine Regelung beim Mietendeckel: Modernisierungsmaßnahmen dürfen
       ohne Genehmigung nur in Höhe von einem Euro pro Quadratmeter auf die Miete
       umgelegt werden, hier gilt eine Anzeigepflicht. Für darüber hinausgehende
       Modernisierungskosten von maximal einem weiteren Euro pro Quadratmeter
       „sollen Förderprogramme genutzt werden“, heißt es in dem Papier, auf das
       sich die Koalition am Freitag einigte.
       
       ## „Rückkehr zur sozialistischen Wohnungspolitik“
       
       Das Gesetz soll Anfang kommenden Jahres in Kraft treten und rückwirkend ab
       Juni 2019 gelten. CDU, FDP und AfD laufen Sturm gegen die Pläne. Union und
       FDP im Bundestag wie im Berliner Abgeordnetenhaus haben
       Normenkontrollklagen gegen das Gesetz in Aussicht gestellt.
       
       „Die Berliner Landesregierung kehrt zurück zur sozialistischen
       Wohnungspolitik“, erklärte der Präsident des Immobilienverbands IVD, Jürgen
       Michael Schick. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte der
       Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, Enteignungen und Mietenstopp
       führten nicht zu mehr Wohnraum, „sondern untergraben die
       Investionsbereitschaft für den Mietwohnungsbau“.
       
       Der Berliner Mieterverein nannte den Mietendeckel dagegen „eine historische
       Chance“. Christian Kühn, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der
       Grünen-Fraktion im Bundestag, sagte der taz: „Mit dem Mietendeckel wird
       juristisches Neuland betreten. Deshalb ist es richtig, dass Umsetzbarkeit,
       Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit sorgsam geprüft sind“.
       
       20 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Berliner-Mietendeckel-beschlossen/!5634640
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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