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       # taz.de -- Die Wahrheit: Fest der fliegenden Windeln
       
       > Das Massenbuhen beim Wahrheitklubtreffen auf der Frankfurter Buchmesse
       > 2019 ließ harte norwegische Hörnerhelme erzittern.
       
   IMG Bild: Der Wahrheitklubvorstand mit den Jieper-Preis-Gewinnern Cordula Körber und Alex Schambeck
       
       Die folgende Klubmitteilung des Wahrheitklubvorstands darf nur von
       Vollmitgliedern gelesen werden. Nichtmitgliedern ist es streng untersagt,
       den Textinhalt zur Kenntnis zu nehmen. 
       
       Frankfurt am Main. Samstag. 14 Uhr. Halle 4.1. Lesebühne neben dem
       taz-Stand. Tag der Gangschleicher und Tütenschlepper. Gerade war das
       alljährliche Wahrheitklubtreffen auf der Frankfurter Buchmesse
       ordnungsgemäß eröffnet und die Anwesenheit des
       Wahrheitklub-Vorstandsvorsitzenden ©Tom, des Exekutivvorstands Michael
       Ringel, des Exekutivorgans Harriet Wolff und des LAMINATORS verkündet
       worden, da musste der strenge Zeremonienmeister Ringel auch schon die
       Prozedur unterbrechen. Die in Massen zum taz-Stand geströmten
       Wahrheitklubmitglieder hatten den LAMINATOR nicht angeaaaht! Jedes Jahr
       dasselbe!
       
       Dabei gibt es doch nur zwei Gesetze beim Wahrheitklubtreffen: Der für die
       Klubausweise zuständige LAMINATOR muss mit einem durchdringenden „Aaaaaah“
       begrüßt werden, und später müssen die Jieper-Preis-Gewinner unfassbar laut
       ausgebuht werden. Im Wahrheitklub ist eben vieles anders und manches
       verkehrt herum.
       
       Als das geklärt war, konnte der Vorstand, der eigens für das Gastland
       Norwegen unter schicken Hörnerhelmen angetreten war, endlich die
       Klubnachrichten verkünden: Der Wahrheit-Fotograf Burghard Mannhöfer feierte
       seinen Geburtstag, brav ehrte ihn das Publikum mit einem
       „Happy-Birthday“-Ständchen. Danach wurde dem „Prospect“ Reinhard Bergmann
       sein Wahrheitklub-Pin verliehen, sodass er fortan Vollmitglied mit der
       Nummer 33333 ist. Denn der Wahrheitklub ist ähnlich organisiert wie die
       Hells Angels, auch wenn seine Mitglieder weniger morden. Man kann dem
       Wahrheitklub nur beitreten, wenn es einen Todesfall gibt und ein Platz für
       einen Nachrücker frei wird. Aber bitte, töten Sie niemanden, um
       Wahrheitklub-Mitglied zu werden!
       
       Punkt zwei der Tagesordnung galt dem legendären Jieper-Preis. Dabei muss
       wie jedes Jahr ein Nonsenssatz in einer Publikation untergebracht werden.
       Der erste Satz vor zwanzig Jahren hieß: „Wer Jieper hat, muss
       schmackofatzen.“ Deshalb der Name.
       
       ## Die große Ente
       
       Dass der Preis ein Brandy der Marke „Gran Duque D’Alba“ ist und in der
       Wahrheit „Die große Ente“ genannt wird, liegt nicht nur an dem Wortspiel,
       sondern in der Person des Großherzogs von Alba begründet, der anno 1547 im
       Schmalkadischen Krieg Wittenberg eroberte und König Karl V. am Grab Luthers
       vorschlug, die Gebeine des Reformators zu verbrennen. Die Knochen eines
       großen Antisemiten verbrennen, kann so falsch nicht sein. Deshalb der
       Brandy.
       
       Apropos Antisemitismus: Der Exekutivvorstand versprach den anwesenden
       Mitgliedern, dass man eines Tages beim Wahrheitklubtreffen an gleicher
       Stelle nach guter norwegischer Sitte aus dem Schädel von Bernd Höcke Brandy
       trinken werde.
       
       Beifall brandete auf, der sofort in lautstarke Buhs umschlug, als Punkt
       zwei der Tagesordnung seiner Vollendung entgegensah: Die Gewinner des
       Jieper-Preies wurden aufgerufen. In diesem Jahr musste passend zum Gastland
       Norwegen der Satz „Wenn Wikinger wild Windeln wickeln, wittern Norweger
       würzigen Wind“ in einer Publikation untergebracht werden. Was die
       Norwegische Botschaft in Berlin einen argen „Schabernack“ und „Fake News“
       genannt hatte.
       
       Doch ein Publizisten-Team ließ sich nicht beirren: die Designcooperative
       Nittenau aus der Nähe von Regensburg. Die Nittenauer stellen den nun
       hoffentlich weltberühmten Regental-Anzeiger her, der das Tal des Flusses
       Regen mit regionalen Nachrichten versorgt – und in eine ebensolche trockene
       Mitteilung zur lokalen Wirtschaftsförderung zauberten die Regentaler den
       Wikinger-Satz hinein.
       
       Dafür erhielten – herzlichen Glückwunsch! – Cordula Körber und Alex
       Schambeck den Jieper-Preis 2019. Was der Wahrheit eine besondere Ehre ist,
       da der Regental-Anzeiger seit Jahren am Unterbringwettbewerb teilnimmt und
       der gute Alex nur der Wahrheit zuliebe nach Frankfurt gekommen ist, leidet
       er doch an einer Reiseallergie, seit er einmal nach sieben Stunden Fahrt in
       einem norddeutschen Ort statt des lebensnotwendigen kraftspendenden Bieres
       nur ein alkoholfreies Jever Fun vorfand. Zum Glück wurde er bei der
       Wahrheit sofort mit Zaubertränken versorgt.
       
       ## Gigantisches Großbuhen
       
       Das gigantische Großbuhen der neidischen Menge ließ die Helmhörner
       erzittern, die Vögel verstummen und die Rehe erstarren … ach, nein! Es gibt
       ja keine Natur in der Halle 4.1 der Frankfurter Buchmesse. Dort geht es
       eher zu wie im Magen eines Riesentrolls: heiß, stickig und rumpelig
       grollend.
       
       Kaum aber waren die Buhs leiser geworden – ein Klingeln! Am Apparat die
       Verleger der Wahrheit aus Münster. Der Oktober Verlag hatte sich einen Tag
       früher von der Buchmesse verabschiedet, weil man unbedingt am Samstag das
       wichtige Drittbundesliga-Spiel zwischen Preußen Münster und Sonnenhof
       Großaspach sehen musste. Nun wollte man wenigstens aus der Kurve des
       Münsteraner Antikstadions fernbuhen. Zu hören war im überlasteten Netz der
       Buchmesse leider lediglich ein Gurgeln.
       
       Und damit rasch zu Punkt drei der Tagesordnung: ©Toms gefürchtetem
       Messespiel. In zäher nächtlicher Gedankenarbeit hatte sich Zeichner ©Tom im
       stillen Kämmerlein diesmal eine Art Windel-Cricket erdacht. Die Mitspieler
       sollten Thors Hammer schwingen und die glücklicherweise nicht gefüllten
       Windeln durch die Halle schmettern. Durch eine für die Wahrheit typische,
       eilig beschlossene Regeländerung mitten im Spiel gewann nicht der weiteste,
       sondern der höchste Schlag und damit das Team von Nele Darmstädter und
       Hans-Hermann Miest. Auch ihnen herzlichen Glückwunsch!
       
       Wie immer klang das Wahrheitklubtreffen unter Strömen sprudelnden
       Zuckerwassers und mit einer Signierstunde von ©Tom aus. Und nächstes Jahr:
       Kanada! Lassen wir dann einen Mountie einreiten? Erschöpft und voller
       Vorfreude verabschiedeten sich die Wahrheitistas mit der Klubdevise:
       „Ridentem dicere verum.“
       
       22 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Michael Ringel
       
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