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       # taz.de -- Pilzesammeln: Nervige Leute mit vollen Körben
       
       > Ein paar Regentage versetzen die ländlichen Pilzenthusiasten in
       > Ausnahmezustand. Uneingeweihte aus der Stadt müssen sich in Acht nehmen.
       
   IMG Bild: Schossen zuletzt wie, nun ja, Pilze aus dem Boden: Pilze
       
       Haben Sie es auch so satt? So dermaßen satt?! Andauernd diese Nachrichten
       und Fotos auf allen Kanälen – darauf irre grinsende Menschen, gegen die Sie
       persönlich im Prinzip im Normalbetrieb nichts einzuwenden hätten? Aber was
       ist schon normal in diesem Pilzherbst? Nach einem verdammt langen und
       wahnsinnig trockenen Sommer regnet es mal ein paar Tage – und zack! Pilze!
       Und sorry, die mit den Pilzen, das sind dann wir aus der Provinz.
       
       In unserem Wald grüßt seit zwei Wochen das eukaryotische Lebewesen sonder
       Zahl. Es winkt uns direkt aus der First Class zu: Steinpilze über
       Steinpilze finden wir, und nein, sie verstecken sich nicht schamhaft, wie
       es gute Sitte wäre. Sie besetzen die Plätze gleich vorn am Wegesrand, damit
       wir uns die Füße nicht nass machen müssen, sondern bequem das Pilzmesser
       zücken können, um sie sauber ganz unten an ihrem sehr dicken Stiel
       abzuschneiden.
       
       Unsere Handyfotos – volle Körbe, irres Grinsen – quittieren Freunde und
       Verwandte in den Städten mit freundlichen Smileys. Was sollen sie schon
       dazu meinen, wenn die Bauern vor den Stadttoren sich die Taschen vollhauen?
       Man wäre ja selbst gern da im Wald und auf der Heide. Aber sorry, ist ein
       bisschen weit bis zu euch, und ab fünf wird’s ja auch schon wieder dunkel.
       
       Wir verstehen das. Tatsächlich ist es ratsam, in den Morgenstunden auf
       Pilzjagd zu gehen. Dann stapfen wir durch die neblige Botanik, verlieren
       uns ab und zu aus den Augen, finden uns aber zuverlässig wieder – wir
       müssen nur den Freudenschreien folgen. Wenn wir fertig sind mit unserer
       Jagd, machen wir uns auf den Weg zurück nach Hause.
       
       ## Das Landleben ist brutal
       
       Wie Wünschelrutengänger halten wir den Blick weiter schräg nach unten und
       scannen das Moos: Wir haben zwar weitaus mehr Pilze, als wir brauchen –
       aber hey, wir wollen uns auch nicht vorwerfen, den einen kapitalen
       Steinpilz allein im Wald zurückgelassen zu haben. Und tatsächlich, da ist
       ja noch einer … nein, es sind vier. Mitkommen, aber dalli!
       
       Am Waldrand treffen wir die freundliche, aus der Stadt ins Umland
       angereiste Familie. Die Kinder tragen bunte Jacken, damit sie im Unterholz
       nicht verloren gehen. Körbchen, Plastikmesserchen – noch sind sie guten
       Mutes. Ihre Eltern schauen auf unsere schweren Taschen, schätzen das
       Gewicht der Steinpilze: Vier Kilo? Fünf? Auf dem Viktualienmarkt kostet
       eins aktuell 38 Euro. Obszön.
       
       Wir grüßen fröhlich und versichern, dass daaaaaaaa hinten noch seeeeeehr
       viiiiiiele Pilze stehen. Ja, auch Steinpilze, aber klar. Zu Hause
       angekommen, schämen wir uns, aber nur ein bisschen. Die lieben bunten
       Kinder, die erwartungsfrohen Eltern – hoffentlich werden sie doch noch was
       finden. Denn wenn sie das Gesetz der Pilzsammler kennen würden, wären sie
       selbstverständlich nicht in die von uns gewiesene Richtung gelaufen.
       Sondern genau in die entgegensetzte. Nicht sauer sein, Leute. Das Landleben
       ist brutal.
       
       22 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Maier
       
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