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       # taz.de -- Expertin über Schiedsgerichtsreform: „Keine Privilegien für Konzerne“
       
       > Die EU will einen Gerichtshof für Investorenklagen. Das würde die
       > Klageprivilegien der Konzerne festigen, sagt Pia Eberhardt von der NGO
       > CEO.
       
   IMG Bild: Hoffentlich keine Verschlimmbesserung: Die UN will die Investitionsschiedsgerichte reformieren
       
       taz: Frau Eberhardt, ab Montag berät die UN-Handelskommission über die
       Reform der [1][Schiedsgerichte], vor denen Investoren Staaten wegen
       politischer Entscheidungen auf Schadenersatz verklagen können. Ist das ein
       später Erfolg der Stopp-TTIP-Bewegung, die diese Klageprivilegien für
       Konzerne in die Öffentlichkeit getragen hat? 
       
       Pia Eberhardt: Ja. Dass die Verhandlungen stattfinden, ist dem Druck der
       Straße und der Debatte in der Öffentlichkeit und den Parlamenten zu
       verdanken. Es zeichnet sich aber ab, dass sie in die falsche Richtung
       gehen.
       
       Als Reaktion auf die Proteste hat der damalige SPD-[2][Wirtschaftsminister
       Sigmar Gabriel einen internationalen Investitionsgerichtshof]
       vorgeschlagen. Die EU hat sich den Vorschlag zu eigen gemacht. Wäre das
       eine gute Lösung? 
       
       Das ist ein Wolf im Schafspelz. Der Vorschlag bedeutet zum bestehenden
       Schiedsgerichtssystem einige Verbesserungen, aber es ist eine
       Festschreibung der Paralleljustiz für Konzerne. Das System, das sich
       dahinter verbirgt, ist das gleiche, gegen das die Menschen zu
       Hunderttausenden auf die Straße gegangen sind. Es gibt auch damit Angriffe
       auf Umweltgesetze oder verbraucherpolitische Maßnahmen. Wie die Chancen für
       diesen Vorschlag aussehen, ist schwer einzuschätzen. Die USA und Japan zum
       Beispiel lehnen ihn ab.
       
       Was wäre eine bessere Alternative? 
       
       Die Alternative ist das Ende der Parallelgerichtsbarkeit. In Europa haben
       wir die unabhängigsten Gerichte der Welt. Vor die müssen Sie und ich
       ziehen, wenn wir ein Problem haben mit einer staatlichen Regulierung. Warum
       sollten wir die mächtigsten Akteure unserer Gesellschaft, reiche
       Investoren, aus dieser Rechtsordnung herausnehmen und ihnen
       Sonderklagerechte geben?
       
       Welche Rolle spielen die [3][Entwicklungsländer] in dem Reformprozess? 
       
       Länder wie Brasilien, Indien und afrikanische Länder wie Südafrika, Marokko
       oder Nigeria haben in den vergangenen Jahren versucht, in ihren
       Investitionsschutzverträgen etwas zu verändern. Sie wollen den Spielraum
       für nationale Regulierungen im öffentlichen Interesse erweitern, Investoren
       in die Pflicht nehmen und ihnen nicht nur Rechte geben. Diese Ideen bringen
       die Länder in den aktuellen Reformprozess ein. Allerdings ist das für sie
       nicht leicht. Das Sekretariat der UN-Handelskommission drängt darauf, vor
       allem das Prozedere der Schiedsgerichtsverfahren zu verändern. Viel wird
       davon abhängen, ob es den Entwicklungsländern gelingt, gemeinsam an einem
       Strang zu ziehen.
       
       Welchen Ausgang der Verhandlungen erwarten Sie? 
       
       Zu befürchten sind zwei Szenarien: Der multilaterale
       Investitionsgerichtshof setzt sich durch oder der Status quo wird mit
       wenigen Korrekturen erhalten. Dann hätten die großen Fragen nach Sinn und
       Unsinn der Schiedsgerichtsbarkeit keinen Platz mehr. Damit würde ein
       umkämpftes Regime, aus dem immer mehr Staaten aussteigen, legitimiert. Das
       Möglichkeitsfenster für tatsächliche Veränderungen auf globaler Ebene wäre
       geschlossen.
       
       13 Oct 2019
       
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