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       # taz.de -- rbb-„Abendshow“-Moderator über Humor: „Lachen bedeutet Freiheit“
       
       > Ingmar Stadelmann spricht über seine Pläne für die rbb-„Abendshow“. Und
       > darüber, wie politisch-korrekter Witz funktioniert.
       
   IMG Bild: „Kontext ist King“, sagt Komiker Ingmar Stadelmann
       
       taz: Herr Stadelmann, die [1][rbb-„Abendshow“] war bislang nicht so witzig.
       Mit Ihnen als Neubesetzung will man die Sendung Richtung Humor und Satire
       pushen. Was wird besser mit Ihnen? 
       
       Ingmar Stadelmann: Ob es besser wird, vermag ich nicht zu sagen, das ist ja
       Geschmackssache. Es wird aber definitiv anders, da ich als Comedian
       Live-Erfahrung mitbringe und eben ein Bühnenmensch bin. Als
       [2][Stand-up-Comedian] jage ich den Gag und suche die Pointe in den
       Situationen, die sich in der Show ergeben. Das unterscheidet mich dann
       schon von meinen Vorgängern.
       
       Am Donnerstag läuft die erste Folge. Was erwartet die Zuschauer*innen? 
       
       Ich habe mir bei den Proben gedacht: Du stehst hier vor einer
       DDR-Deko-Mauer, wirst angestrahlt vom Suchscheinwerfer und Kameras zeichnen
       alles auf – dann lasst uns doch gleich 70 Jahre DDR feiern. Ich werde eine
       Band haben und ein Sidekick wird mich in der Sendung humoristisch
       unterstützen. Und dann haben wir noch den Finanzsenator zu Gast.
       
       Sie haben im Vorfeld der Sendung schon betont, dass es wichtig sei, über
       alles Witze zu machen, über alles zu sprechen, über alles lachen zu können.
       Wieso? 
       
       Weil Lachen Freiheit bedeutet. Wenn wir nicht mehr lachen können, dann sind
       wir nicht mehr frei. Oder wenn vorgegeben wird, über was du zu lachen hast
       und über was nicht. Beleidigen gehört übrigens auch dazu. In einem Land, in
       dem man sich nicht gegenseitig beleidigen kann, ist man auch nicht frei.
       
       Hat die Freiheit Grenzen? 
       
       Klar. Es gibt ein Grundgesetz, an das muss ich mich genauso halten wie
       jeder Dachdecker oder Grundschullehrer auch. Ich denke, am Ende ist
       wichtig, dass die Leute verstehen, aus welcher Richtung verbal geschossen
       wird und warum. Ich glaube, die Irritationen und die Probleme mit Humor
       entstehen immer dann, wenn das nicht klar ist. Wenn Leute also den Eindruck
       bekommen, das es sich eher um eine Form von Menschenhass handelt.
       
       Politisch korrekte Comedy, passt das zusammen? 
       
       Das passt schon zusammen. Bei einer Show von mir in Baden-Baden saßen mal
       Menschen aus einem Hospiz im Publikum. Hinterher kam einer zu mir und
       sagte, es war so befreiend für ihn, so lachen zu können. Für ihn war es das
       jetzt, aber es war noch mal toll. Daraus ist später eine Nummer in meinem
       Solo-Programm geworden, die ich auf der Bühne erzähle. Von den Gags her ist
       der Stand-up natürlich nicht politisch korrekt. Aber die Botschaft dahinter
       ist, wie gut es tun kann, in den schlimmsten und dramatischsten Momenten
       eine befreiende Form des Lachens zu finden. Als Druckabbau und auch um die
       Situation für sich zu bewältigen. Das muss dann auch nicht immer in der
       Formulierung oder in der Ansprache politisch korrekt sein.
       
       Dieses Erlebnis kann ja nun kein Freifahrtschein sein, um künftig nur noch
       politisch inkorrekte Witze zu machen. 
       
       Ich brauch auch keinen „Freifahrtschein“. Wer sollte den ausstellen?
       Politisch inkorrekte Witze sind ja nicht verboten. Wie gesagt, außerhalb
       der persönlichen Scherzgrenze ist nicht außerhalb des Grundgesetzes. Und
       jeder Mensch legt ja seinen eigenen Geschmackskosmos fest. Ich habe auch
       nicht dagesessen und mir gedacht, du brauchst jetzt eine Nummer, in der es
       um Hospize geht, weil das so schön politisch inkorrekt ist. So funktioniert
       Comedy nicht. Sie macht dann Sinn, wenn es aus einer erlebten Situation
       kommt, die das inspiriert hat. Kontext ist King.
       
       Der Kabarettist [3][Dieter Nuhr] kreidet in dem Zusammenhang öfter mal
       „Diskussionsverbote“ an, ähnlich argumentieren gerne auch Rechte. Ist das
       nicht problematisch? 
       
       Ich will jetzt hier nicht Verteidiger für Dieter Nuhr spielen, aber er sagt
       ja nicht, dass es Sprechverbote gibt. Ihm geht es darum, dass aus
       extremistischen Positionen, egal aus welcher Richtung, oft ein totalitärer
       Gedanke entsteht. Der sich dann, egal wie gut die Absicht ist oder war,
       immer negativ auswirkt. So habe ich das zumindest verstanden.
       
       Dieter Nuhr hat erst kürzlich in seiner Sendung Witze über Greta Thunberg
       gemacht und erlebte daraufhin einen Shitstorm auf Twitter. Ihm wurde unter
       anderem vorgeworfen, unverhältnismäßig über Thunberg zu spotten. 
       
       Ich glaube, Dieter Nuhr weiß genau, wen er da triggert. Und er will
       triggern, die Diskussion anregen. Für mich ist der spannendere Teil bei
       Greta eigentlich, wie Leute darauf reagieren. Greta ist ja nur ein
       Auslöser. Man muss sich positionieren im Guten wie im Schlechten.
       Faszinierend finde ich daran, dass viele Menschen sich sagen: Ich senke
       meine eigenen moralischen Ansprüche so weit es geht ab, um meine
       ideologische Überzeugung zu verteidigen.
       
       Sie sagen, Sie versuchen bei ihrem Publikum „das eine oder andere
       gedankliche Fenster zu öffnen“. Wer hat noch gedanklichen Nachholbedarf? 
       
       Das klingt so belehrend. Das bin ich nicht. Im besten Sinne schwebt eine
       gute Stand-up-Show zwischen Eskapismus und einem aufklärerischen Gedanken.
       Und das ohne den moralischen Zeigefinger, weil der macht es schwierig, sich
       zu entspannen. Wenn man zu mir kommt, kriegt man schon brachiale Gags, aber
       es wird auch ganz klar gemacht, was die Position ist. Mein aktuelles
       Programm „Fressefreiheit“ endet damit, dass ich mit den Leuten zusammen
       Argumente sammle für Europa. Die haben zwei Stunden bei mir gesessen, haben
       über alles mögliche gelacht. Über meinem Hund, über den „Islamischen
       Staat“, über Berlin bis zur deutschen Autobahn. Das Letzte aber was sie
       mitnehmen ist Europa und Frieden. So was macht mich glücklich.
       
       24 Oct 2019
       
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   DIR [1] https://www.rbb-online.de/abendshow/
   DIR [2] http://www.ingmarstadelmann.de/
   DIR [3] https://www.fr.de/kultur/timesmager/dieter-nuhr-greta-thunberg-diskussionsverbote-13071806.html
       
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