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       # taz.de -- Umbettung des Diktators Franco: Das Ende einer Kultstätte
       
       > Am Donnerstag wurde der Leichnam des spanischen Diktators Franco
       > umgebettet – von einer monumentalen Gedenkstätte zu einem kleinem
       > Friedhof.
       
   IMG Bild: Angehörige des ehemaligen Diktators Franco tragen den Sarg aus der Basilika im Tal der Gefangenen
       
       Madrid taz | 12.53 Uhr, Donnerstag, der 24. Oktober 2019 – ein Moment, der
       in die Geschichte Spaniens eingehen wird. Die Tür der Basilika im Valle de
       los Caídos – dem Tal der Gefallenen – öffnet sich. Angehörige des 1975
       verstorbenen Diktators Francisco Franco tragen einen Sarg heraus, verladen
       ihn in einen Leichenwagen und rufen: „Viva España! Viva Franco!“
       
       Es war der Auftakt der Überführung der sterblichen Überreste des Generals,
       der Spanien fast 40 Jahre mit eiserner Hand regierte, per Hubschrauber aus
       der monumentalen Gedenkstätte in den Bergen nördlich der spanischen
       Hauptstadt auf den kleinen Friedhof Mingorrubio 15 Kilometer außerhalb
       Madrids. Fortan wird Franco neben seiner Frau Carmen Polo ruhen.
       
       Trotz Sonderprogrammen auf allen Kanälen bekamen die Spanier wenig von dem
       Ereignis zu sehen, das seit Monaten die politische Debatte bestimmt. Auf
       das Gelände des Valle de los Caídos durften nur das staatliche Fernsehen
       TVE und die Nachrichtenagentur EFE. Der Rest der Reporter musste an der
       Einfahrt, sechs Kilometer entfernt, Platz nehmen. Auch in Mingorrubio
       musste die Presse draußen bleiben. Sowohl die Anhebung der 1,5 Tonnen
       schweren Grabplatte vor dem Altar der Basilika im Valle de los Caídos als
       auch die erneute Beisetzung in der Familiengruft fanden hinter
       verschlossener Tür statt.
       
       Vor Ort waren nur 22 Angehörige Francos, die spanische Justizministerin
       Dolores Delgado als Notarin sowie die Arbeiter. Nur zwei Familienmitglieder
       durften der Exhumierung direkt beiwohnen. Der Prior des
       Benediktinerklosters im Valle de los Caídos sowie der Sohn des
       Putschistenführers Antonio Tejero, der sechs Jahre nach Francos Tod am 23.
       Februar 1981 der jungen Demokratie ein Ende setzen wollte, waren für die
       religiöse Zeremonie zuständig. Handys und Kameras waren verboten.
       
       ## Rechtsradikale feiern Franco
       
       Vor der Einfahrt zum Tal versammelten sich Dutzende Rechtsradikale. „Franco
       lebt!“ stand auf ihren Transparenten. Bei den Arbeitern, die die Grabplatte
       entfernten, gingen in den letzten Tagen immer wieder Drohanrufe ein. Ihre
       Telefonnummern und Fotos ihrer Fahrzeuge geistern durch die sozialen
       Netzwerke. Über 16 Monate hatten die Enkel Francos alles versucht, um die
       im Juni 2018 von der sozialistischen Regierung unter Ministerpräsident
       Pedro Sánchez angeordnete und vom Parlament abgesegnete Verlegung zu
       verhindern. Sie verloren jedoch vor allen Instanzen.
       
       Die von 14.000 politischen Gefangenen ab 1940 in den Fels getriebene 260
       Meter lange Basilika wurde 1959 eingeweiht und seither auf Staatskosten
       unterhalten. Ein 153 Meter hohes steinernes Kreuz überragt den Komplex.
       Franco ließ dort über 34.000 Gefallene beider Lager des spanischen
       Bürgerkrieges, darunter den Gründer der faschistischen Falange, José
       Antonio Primo de Rivera, „im Zeichen der Aussöhnung“ beerdigen. Die
       Familien derer, die die Demokratie gegen den Franco-Putsch verteidigt
       hatten, wurden nie gefragt. Ein Drittel ist nicht einmal identifiziert.
       
       Spaniens radikale Rechte verliert mit dem Abtransport des Diktators eine in
       Europa einzigartige Kultstätte. Rund 400.000 Menschen pro Jahr besuchten
       bisher das Tal der Gefallenen. Jedes Jahr kamen am Todestag des Diktators
       Tausende in die Basilika. Die Benediktinermönche und ihr Prior unterstützen
       den Diktatorenkult Sonntag für Sonntag in gut besuchten Messen.
       
       ## Verschwiegenes Mingorrubio
       
       Der Friedhof von Mingorrubio hingegen wird bisher kaum besucht, obwohl hier
       ein Großteil der Würdenträger der Diktatur begraben liegen. So etwa der
       1973 von der baskischen Separatistenorganisation ETA ermordete Admiral
       Carrero Blanco oder der letzte Ministerpräsident der Diktatur, Carlos
       Navarro Arias, der allen durch seine Fernsehansprache am 20. November 1975
       in Erinnerung ist. „Spanier, Franco ist gestorben“, erklärte er mit Tränen
       in den Augen. Bei so manchem knallten in jenem Augenblick die Sektkorken.
       
       Sicher nicht in der Kolonie Mingorrubio gleich neben dem Friedhof. Sie
       wurde in den 1950er Jahren mitten im Wald „Monte de El Pardo“ für die
       Familien von Francos Leibgardisten gebaut. Franco lebte im
       Naturschutzgebiet in einem Palast unweit von Armee- und Polizeikasernen,
       die spanische Königsfamilie hat bis heute in einem anderen Prunkbau ihre
       Residenz.
       
       „Wir haben beschlossen, nicht zu reden. Wir haben Kunden beider Seiten“,
       erklärt der Wirt der einzigen Kneipe in der Siedlung mit weniger als 1.000
       Einwohnern. Fahrräder stehen unabgeschlossen vor den Häusern, Stühle auf
       den Terrassen; undenkbar in der nur 15 Autominuten entfernten Stadt. Die
       wenigen Menschen, die trotz des kalten Herbsttages auf der Waffen-,
       Heldentums- oder Bataillonsstraße anzutreffen sind, legen einen Schritt zu,
       sobald sie auf die Beisetzung angesprochen werden.
       
       Dann bleibt doch noch eine Frau stehen und nennt gar ihren Vornamen:
       Miriam. „Ich bin hier aufgewachsen“, erklärt die Krankenhausangestellte.
       „Mein Vater kam aus einer armen Region und trat nach dem Militärdienst der
       Franco-Garde bei. Er wollte eigentlich nach Frankreich auswandern“, erzählt
       die 52-Jährige. Sie fürchtet jetzt um die Ruhe in dem „paradiesischen Ort“.
       „Ich hoffe, dass es nicht zu Aufmärschen beider Seiten kommt“, erklärt sie.
       Zumindest bei der Beisetzung sollten sich ihre Befürchtungen bestätigen.
       Hunderte Franquisten versammelten sich an der Polizeisperre, wenige Meter
       weiter unten.
       
       ## „Von der Natur überwuchern lassen“
       
       „Wir wollen keine Diskussionen über das Thema“, erklärt eine andere
       Anwohnerin. Die gutnachbarlichen Beziehungen könnten darunter leiden, meint
       die Frau, die vor ein paar Jahren zugezogen ist. Zwar wählt hier nur jeder
       vierte links, doch Mingorrubio ist längst nicht mehr so einfarbig, wie es
       einmal war.
       
       Reden, das ist genau das, was Emilio Silva will. „Es ist die Gelegenheit,
       nachzudenken, wie dieses Land über 40 Jahre gelebt hat. Es ging großzügig
       mit der Diktatur um und war gleichzeitig ungerecht mit deren Opfern. Sie
       erhielten nie die Anerkennung, die sie für den Kampf für die Rückkehr zur
       Demokratie verdient haben“, erklärt der Vorsitzende der Vereinigung zur
       Wiedererlangung der historischen Erinnerung (ARMH). Nach wie vor liegen
       über 100.000 Opfer der Franco-Diktatur irgendwo verscharrt, ohne dass ihre
       Familien die nötige Unterstützung vonseiten der Behörden hätten, sie zu
       suchen und ordentlich beizusetzen.
       
       Regierungschef Sánchez kündigte in einer Ansprache an, dass das Valle de
       los Caídos künftig „ein Ort der Erinnerung an den Schmerz und zur Ehrung
       der Opfer des Hasses“ sein wird. Das wird keine leichte Aufgabe angesichts
       der Symbolkraft der Basilika.
       
       Als erster Schritt müsste das angegliederte Benediktinerkloster geschlossen
       werden. Im Rahmen der Sondersendungen kamen immer wieder verschiedene
       Historiker zu Wort. Die Vorschläge reichten von einem Dokumentationszentrum
       mit didaktischen Führungen bis hin zu „von der Natur überwuchern lassen“.
       
       24 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
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