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       # taz.de -- Billige Entsorgung von Atommüll: Uranzug rollt nach Russland
       
       > Ein weiterer Atomtransport mit radioaktivem und giftigem Uranhexafluorid
       > soll am Montag Deutschlands einzige Urananreicherungsanlage verlassen.
       
   IMG Bild: Demonstration in Gronau: Solche Proteste wird es am Montag wieder geben
       
       Bochum taz | Aus Deutschlands einziger Urananreicherungsanlage (UAA) im
       münsterländischen Gronau soll schon an diesem Montag ein weiterer
       Atomtransport nach Russland rollen. „Wir rufen zu Mahnwachen auf, nachdem
       der Sprecher des Urananreicherers Urenco, Chris Breuer, gegenüber dem WDR
       die Abfahrt eines neuen Uranmüllzugs bestätigt hat“, so Matthias Eickhoff
       vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen.
       
       Starten sollen die Mahnwachen in Gronau um 8 Uhr vor dem Haupttor der UAA
       in Gronau und um 10:45 Uhr am Eingang des Hauptbahnhofs in Münster. Denn
       der Zug, aller Voraussicht nach beladen mit 600 Tonnen radioaktivem und
       hochgiftigen Uranhexafluorid, dürfte einmal mehr mitten durch Münster
       rollen – direkt am Fenster des Wahlkreisbüros der amtierenden
       SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze vorbei. Danach wird die Route
       höchstwahrscheinlich über Hamm und Oberhausen mitten durch das von
       Millionen Menschen bewohnte Ruhrgebiet führen. Enden dürfte der
       Zugtransport dann im Hafen von Amsterdam.
       
       Atomkraftgegner*innen und Umweltschutzorganisationen, darunter der
       Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), Greenpeace Russland und
       die russische Initiative Ecodefense, forderten erneut ein sofortiges Ende
       der Atomexporte. Der Deal zwischen dem UAA-Betreiber Urenco und dem
       russischen Staatskonzern Rosatom sei „zynisch und unmoralisch“ – Russland
       werde damit zur „Atommüllkippe“ der Anlage im nordrhein-westfälischen
       Gronau.
       
       Die dortige UAA verfügt trotz des deutschen Atomausstiegs-Beschlusses über
       eine unbefristete Betriebsgenehmigung, produziert immer neuen Brennstoff
       für Atomkraftwerke weltweit – und damit immer neuen Atommüll. Außerdem
       sichert die UAA zumindest theoretisch Deutschlands Zugriff auf die
       Atomwaffentechnologie: Die an der Grenze zu den Niederlanden verwendeten
       Zentrifugen arbeiten nach dem gleichen Prinzip wie etwa die des
       umstrittenen iranischen Atomprogramms.
       
       ## Umgehung des Atomgesetzes
       
       „Jedes Jahr fallen in Gronau 5.000 Tonnen Atommüll in Form von
       Uranhexafluorid an“, rechnet BBU-Sprecher Udo Buchholz vor. Auf dem
       UAA-Gelände lagerten deshalb schon heute 22.000 Tonnen des abgereicherten
       Materials, das wegen eines massiven weltweiten Überangebots faktisch
       wertlos sei. Die Umdeklarierung des Uranhexafluorids zu „Wertstoff“ diene
       nur zur Umgehung des deutschen Atomgesetzes, das den Export von in der
       Bundesrepublik produziertem Atommüll verbiete. Urenco spare damit an der
       sicheren Entsorgung seiner Abfälle. „Das ist ein Skandal und Russland nicht
       die Lösung“, findet Buchholz.
       
       Urenco-Sprecher Breuer hatte im Gespräch mit der taz erst in dieser Woche
       eingeräumt, dass allein in diesem Jahr bereits sieben Zugtransporte mit
       insgesamt 4.200 Tonnen radioaktivem Material aus Gronau Richtung Amsterdam
       und damit Russland auf den Weg gebracht wurden. Bis Ende 2020 sollen
       mindestens 1.800 Tonnen folgen. Ein weiterer Vertrag mit Rosatom über noch
       einmal 6.000 Tonnen beziehe sich nicht nur auf die UAA Gronau, sondern auch
       auf weitere Standorte.
       
       Urenco, an dem die deutschen Energiekonzerne RWE und Eon jeweils zu einem
       Sechstel beteiligt sind, betreibt Urananreicherungsanlagen auch in den
       Niederlanden, Großbritannien und den USA. Beobachter schätzen den Gewinn,
       den Urenco jährlich in die Kassen von RWE und Eon spült, auf zusammen
       mindestens 100 Millionen Euro.
       
       Auch Umweltpolitiker*innen von Grünen und Linken fordern seit Jahren,
       zumindest die Urenco-Anlage in Gronau sofort zu schließen. So sieht
       Hubertus Zdebel, aus Münster stammender Bundestagsabgeordneter der Linken,
       Umweltministerin Schulze in der Pflicht, die Atom-Exporte nach Russland zu
       stoppen. Auch die grüne Vorsitzende des Bundestags-Umweltausschusses,
       Sylvia Kotting-Uhl, fordert von Schulze die Stilllegung der deutschen UAA –
       schließlich gebe es keinerlei Ideen zur sicheren Entsorgung des dort
       entstehenden „Atommüllbergs“.
       
       27 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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