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       # taz.de -- NewsGuard prüft Medien auf Qualität: Wer schlampt, sieht Rot?
       
       > Das Start-up NewsGuard bietet ein journalistisches Gütesiegel gegen Fake
       > News an. Aber wie trennt man Propaganda von Boulevard?
       
   IMG Bild: Durchblick: Die Mitglieder der First Draft Coalition wollen gegen Fake News vorgehen
       
       Wenn man mit Alina Fichter darüber spricht, was sie aus den vergangenen
       Monaten mitgenommen hat, dann bleibt vor allem dieser Satz hängen: „Ich
       hatte unterschätzt, wie enorm sich Verschwörungstheorien in den sozialen
       Medien verbreiten. Das ist wirklich besorgniserregend.“
       
       Die ehemalige Zeit-Online-Journalistin arbeitet als Deutschland-Chefin
       bei NewsGuard. Das US-amerikanische Start-up hat für den Kampf gegen
       [1][Fake News] und für Medienkompetenz ein Programm entwickelt. Das
       Verkaufsargument: Statt Algorithmen sorgen entsprechend ausgebildete
       Menschen für Orientierung im digitalen Informationsdschungel. Gründer sind
       der Journalist Steven Brill und Gordon Crovitz, ehemaliger Herausgeber des
       Wall Street Journal.
       
       Seit Ende Mai ist NewsGuard auch in Deutschland aktiv. Wer sich die
       Browser-Erweiterung, auch Plug-in genannt, installiert, erkennt an einem
       grünen Haken, ob eine besuchte Nachrichtenwebseite nach Einschätzung von
       NewsGuard vertrauenswürdig ist.
       
       Ein rotes Kreuz steht dagegen für zweifelhafte Quellen. Daneben gibt es
       noch Symbole für satirische Angebote sowie für nutzerbasierte Plattformen –
       also etwa Wikipedia oder YouTube. Das Tool selbst ist kostenlos. Geld, so
       hofft man, könnte später von Werbedienstleistern kommen, die ihren Kunden
       ein geprüftes Anzeigenumfeld anbieten wollen.
       
       ## „Bild“ steht für Qualität
       
       Ihre Entscheidung treffen die NewsGuard-Mitarbeiter anhand von neun klar
       festgelegten Kriterien. Sind Meinung und Nachricht klar getrennt? Sind die
       Eigentumsverhältnisse des Mediums transparent? Gibt es einen offenen Umgang
       mit Fehlern und Korrekturen? Jedes Kriterium wird mit Punkten
       unterschiedlich gewichtet – ab einer Summe von 60 Punkten gibt es den
       grünen Haken, 100 kann man maximal erreichen.
       
       Mittlerweile hat das Team nach Angaben von Fichter 170 deutsche
       Nachrichtenangebote geprüft, weitere sollen folgen. Das Ergebnis ist bisher
       wenig überraschend: Grüne Haken bekommen vor allem die klassischen
       journalistischen Angebote, quer durch alle politischen Lager. Rot sehen
       dagegen vor allem alternative rechtspopulistische Seiten wie Epoch Times
       oder Politically Incorrect (PI-News).
       
       Diskussionsbedarf gibt es dennoch. Steht etwa Bild.de für glaubwürdigen und
       transparenten Journalismus? Ja, sagen die Analysten von NewsGuard und
       verpassen der Seite des Axel-Springer-Verlags einen grünen Haken. Und das
       trotz eines roten Kreuzes in der Kategorie, ob die Bild-Journalisten
       Informationen „verantwortungsbewusst recherchieren und veröffentlichen“
       würden. Für Medienkritiker Moritz Tschermak vom Bildblog ist das nicht
       nachvollziehbar. „Das ist doch eigentlich das zentrale Kriterium. Wie kann
       ein journalistisches Gesamtprodukt noch glaubwürdig sein, wenn die
       Mitarbeiter nicht verantwortungsbewusst arbeiten?“
       
       Auch die Tatsache, dass NewsGuard der Seite bescheinigt, nicht „regelmäßig
       Falschmeldungen“ zu veröffentlichen, sei zumindest diskutabel. Letztlich
       gehe es darum, wie man „regelmäßig“ definiere: „Reicht es, alle paar Monate
       mal einen Knaller rauszuhauen, oder muss das wöchentlich stattfinden?“
       
       ## Meinung vs. Nachricht
       
       Die Antwort auf solche Kritik lautet bei NewsGuard vor allem maximale
       Transparenz und Dialogbereitschaft. Zwei Klicks führen zum ausführlichen
       Bewertungsbericht, in dem neben Quellen und Belegen für die Einschätzung
       auch nachträgliche Korrekturen dokumentiert sind. Bei Bild.de hat NewsGuard
       etwa nach erneuter Prüfung ein rotes Kreuz in der Kategorie „Trennung
       zwischen Meinung und Nachricht“ vergeben.
       
       Jede Bewertung wird den betreffenden Medien zudem vor Veröffentlichung zur
       Stellungnahme vorgelegt. Fichter betont, dass mehrere Angebote bereits
       Verbesserungen vorgenommen hätten. So lege etwa [2][RT Deutsch]
       mittlerweile seine Finanzierung durch die russische Regierung offen.
       
       Insgesamt haben bislang etwa 150.000 Nutzer das Plug-in von NewsGuard
       heruntergeladen. Experten wie der Kommunikationswissenschaftler Philipp
       Müller von der Universität Mannheim bezweifeln aber, dass viele
       Privatnutzer das Tool installieren werden – schließlich würde man sich
       damit selbst mangelnde Medienkompetenz attestieren.
       
       Bei NewsGuard hingegen glaubt man an den Bedarf und setzt auch auf den
       Umweg über die Rechner öffentlicher Einrichtungen, um möglichst viele
       Menschen zu erreichen. Am Dienstag gab das Unternehmen seine Partnerschaft
       mit der Stadtbibliothek Köln bekannt – weitere Kooperationen sollen folgen.
       
       28 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Alexander Graf
       
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