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       # taz.de -- Mutmaßlicher Mord an Oury Jalloh: Kaum mehr als Floskeln
       
       > Oury Jalloh war laut einer neuen Untersuchung vor seinem Feuertod bereits
       > schwer verletzt. Die Reaktion der Politik in Sachsen-Anhalt ist
       > verhalten.
       
   IMG Bild: War es Mord? Oury Jalloh mit seinem in Deutschland geborenen Sohn
       
       Berlin taz | Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt sieht keinen
       Handlungsbedarf in Sachen Oury Jalloh. „Im Fall der Ermittlungen zu den
       Todesumständen von Oury Jalloh ist das OLG Naumburg zu einer Entscheidung
       gelangt“, heißt es auf Anfrage aus dem Magdeburger Innenministerium. Am
       Montag war bekannt geworden, dass der 2005 in einer Polizeizelle verbrannte
       Sierra Leoner [1][vor seinem Tod schwer verletzt wurde.] Erst wenige Tage
       zuvor hatte das OLG Naumburg entschieden, dass es in dem Fall kein neues
       Verfahren geben soll.
       
       Eine politische Bewertung mochte der Sprecher von Innenminister Holger
       Stahlknecht (CDU) nicht abgeben und verweist stattdessen auf das
       Justizministerium. Auch dort hält man sich zurück: „Es ist nicht Aufgabe
       des Justizministeriums oder der Landesregierung, Gutachten in gerichtlichen
       Verfahren einzuschätzen oder zu berücksichtigen“, schreibt ein Sprecher von
       Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) und verweist auf das OLG Naumburg.
       Das wiederum ließ am Dienstag eine Anfrage unbeantwortet.
       
       Nach einem neuen radiologischen Gutachten der Gerichtsmedizin der Goethe
       Universität Frankfurt war Jalloh unter anderem Schädeldach, Nasenbein,
       Nasenscheidewand und eine Rippe gebrochen worden – und zwar offenbar bevor
       er in der Polizeizelle verbrannte. Denn als Oury Jalloh am Morgen seines
       Todestags in Gewahrsam genommen wurde, hatte ein Polizeiarzt ihn untersucht
       und dabei keine Verletzungen festgestellt. Das neue Gutachten hatte die
       private Initiative in Gedenken an Oury Jalloh in Auftrag gegeben.
       
       „Entweder hat der Arzt die Verletzungen ignoriert oder sie entstanden erst
       im Polizeigewahrsam im Dessauer Revier“, schreibt die innenpolitische
       Sprecherin der Linken, Henriette Quade, in einer Stellungnahme. Das
       Gutachten stelle die bisherigen Entscheidungen der Justiz in der Sache
       infrage. Quades Fraktion hatte einen Untersuchungsausschuss gefordert, den
       die regierende Kenia-Koalition aber abgelehnt hatte. „Das war eine
       politische Entscheidung von CDU, SPD und Grünen, die den nicht vorhandenen
       Aufklärungswillen noch einmal festschrieb“, so Quade. „Wieso braucht es
       erst ein extern veranlasstes Gutachten um diese Verletzungen zu entdecken –
       und hat die Justiz tatsächlich alles Notwendige und Mögliche unternommen,
       um den Tod Oury Jallohs aufzuklären?“ Sie forderte neue Ermittlungen.
       Angesichts der Bedeutung des Falles und der Schwere des im Raum stehenden
       Verdachts sei der Generalbundesanwalt „die richtige Instanz dafür“. Der
       allerdings hatte es bislang abgelehnt, sich mit dem Fall zu befassen.
       
       ## Klare Ansagen? Fehlanzeige
       
       Der Rechtsausschuss des Landtags hatte statt eines Untersuchungsausschusses
       die Juristen [2][Jerzy Montag und Manfred Nötzel als externe „Berater“
       eingesetzt], die die Akten begutachten sollen. Diese könnten nun
       „unverzüglich ihre Arbeit aufnehmen“, sagt Sebastian Striegel, der innen-
       und rechtspolitische Sprecher der Grünen im Landtag. Das Gutachten werfe
       „wichtige Fragen auf“.
       
       Doch es ist völlig offen, was der frühestens in einem halben Jahr erwartete
       Bericht der beiden Juristen überhaupt noch für konkrete Wirkung haben kann.
       Der Berater Jerzy Montag lässt wissen, das sei allein Sache der
       „Auftraggeber“, also des Rechtsausschusses. SPD Fraktionssprecher Martin
       Krems-Möbbeck will sich mit seinen Überlegungen dazu lieber nicht zitieren
       lassen.
       
       Stattdessen schickt er lediglich eine glattgebügelte schriftliche
       Stellungnahme: Die Berater sollen „zur Unterstützung der Abgeordneten“ die
       Ermittlungsakten aufarbeiten. Das neue Gutachten „unterstreicht noch
       einmal, wie wichtig diese Aufarbeitung ist.“ Die Voraussetzungen für einen
       „unverzüglichen Beginn“ der Arbeit von Montag und Nötzel „liegen vor“, so
       Krems-Möbbeck. Doch was diese Tätigkeit noch konkret für Folgen haben kann
       – no comment.
       
       29 Oct 2019
       
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   DIR Christian Jakob
       
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