URI: 
       # taz.de -- Urteil gegen Unabhängigkeitspolitiker: Proteste legen Katalonien lahm
       
       > In Barcelona sind Straßen blockiert, zahlreiche Flüge gestrichen, es gibt
       > Verletzte. Zehntausende demonstrieren gegen das Urteil aus Madrid.
       
   IMG Bild: Proteste am Flughafen El Prat in Barcelona in der Nacht zu Dienstag
       
       MADRID taz | Proteste legten am Dienstag den zweiten Tag in Folge weite
       Teile Kataloniens lahm. Überall in der nordostspanischen Region kam es zu
       Straßenblockaden und Unterbrechungen des Schienen- und Flugverkehrs.
       Zehntausende Menschen protestierten damit gegen die [1][Verurteilung von
       sieben Unabhängigkeitspolitikern und zwei Aktivisten] durch das Oberste
       Gericht in Madrid in Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum 2017 zu
       neun bis 13 Jahren wegen „Aufstand“.
       
       Nach der Bekanntgabe des Urteils zogen am Montagnachmittag Tausende zum
       Flughafen von Barcelona und blockierten ihn erfolgreich. Über 100 Flüge
       mussten gestrichen werden. Am Dienstag fielen erneut rund 50 Flüge aus.
       Auch die Zugverbindung nach Frankreich ist unterbrochen. Am Montag hatten
       Demonstranten die Gleise besetzt und eine brennende Barrikade errichtet.
       Die Reparaturarbeiten hielten am Dienstag an.
       
       Sowohl die katalanische als auch die spanische Polizei ging am Flughafen
       von Barcelona brutal gegen die Menschen vor, die zu Tausenden friedlich in
       der Abflughalle protestierten. Neben Schlagstöcken setzte die katalanische
       Polizei Hartschaumgeschosse ein und verletzte damit sieben Personen teils
       schwer. Die spanische Nationalpolizei griff gar zu den in Katalonien per
       Beschluss des Regionalparlaments verbotenen Gummigeschossen. Ein
       Demonstrant verlor dabei ein Auge.
       
       Alleine am Montagabend wurden über 130 Demonstranten ärztlich behandelt.
       Die katalanische Menschenrechtsorganisation Iridia berichtet zudem von acht
       beim Polizeieinsatz verletzten Journalisten. Zu den Protesten hatte die
       Plattform „Demokratischer Tsunami“ mittels sozialer Netzwerke gerufen.
       
       ## Ein Paragraf wird dem Protest zum Verhängnis
       
       Mittlerweile ist die Urteilsbegründung in voller Länge öffentlich
       zugänglich. Demnach ist auch gewaltfreier Widerstand, „auch wenn kein
       weiterer Schritt mehr unternommen wurde, an sich geeignet und ausreichend,
       um die Anforderungen des Verbrechens des Aufstandes zu erfüllen“, heißt es
       dort in einer Interpretation des Aufstandsparagraphen, der künftig den
       meisten sozialen Protesten zum Verhängnis werden könnte. Konkrete Beweise
       für Gewalt bleiben die Richter schuldig.
       
       „Gefängnis ist nicht die Lösung“, schließt sich der Vorstand des FC
       Barcelona den Stimmen von Unabhängigkeitsbefürwortern, Gewerkschaften, dem
       Unternehmerverband und den Bischöfen der Region an, die einen politischen
       Dialog fordern.
       
       „Wir sind davon überzeugt, dass ein Referendum früher oder später
       unvermeidlich ist, denn wie können wir sonst den Bürgern eine Stimme
       geben?“ erklärte der zu 13 Jahren verurteilte frühere katalanische
       Vizeregierungschef Oriol Junqueras.
       
       ## Drohgebärden von Sánchez vor den Wahlen
       
       Doch der in Madrid regierende Sozialist Pedro Sánchez möchte davon nichts
       wissen. Er verstärkte die Polizei und drohte im Vorfeld des Urteils gar mit
       einer erneuten Zwangsverwaltung Kataloniens, wie bereits 2017 unter seinem
       konservativen Vorgänger Mariano Rajoy. Außerdem lehnte er eine Begnadigung
       der Verurteilten ab. [2][Es ist Wahlkampf] – Härte gegenüber Katalonien
       soll im Rest des Landes Stimmen bringen.
       
       Innenminister Fernando Grande-Marlaska bezeichnete den harten
       Polizeieinsatz als „angemessen“ und droht: „Wir werden herausfinden, wer
       hinter der Bewegung Demokratischer Tsunami steckt.“ Nach dem harten Urteil
       versteht jeder, was er damit meint.
       
       Die Kampagne des zivilen Ungehorsams soll mindestens bis Ende des Monats
       weitergehen. Als Höhepunkt ist am 26. Oktober in Barcelona ein
       „transversaler Protest“ gegen das Urteil geplant. Dazu mobilisieren nicht
       nur die Verfechter der Unabhängigkeit Kataloniens, sondern alle, die im
       Urteil eine Gefahr für demokratische Grundrechte sehen.
       
       15 Oct 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Urteil-gegen-Unabhaengigkeitspolitiker/!5632950
   DIR [2] /Spanien-muss-neu-waehlen/!5627378
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
   DIR Katalonien
   DIR Unabhängigkeit
   DIR Carles Puigdemont 
   DIR FC Barcelona
   DIR Katalonien
   DIR Katalonien
   DIR Katalonien
   DIR Spanien
   DIR Spanien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Demos in Katalonien: Der Protest ist nicht zu stoppen
       
       Tausende sind in einem Sternmarsch unterwegs nach Barcelona, um für
       Kataloniens Unabhängigkeit zu demonstrieren. Was treibt sie an?
       
   DIR Nach Urteil zu Unabhängigkeitspolitikern: Dutzende Verletzte bei Protesten
       
       In Katalonien zeigen die Unabhängigkeitsbefürworter ihren Unmut bei Demos,
       Sit-ins und Besetzungen. Dabei kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen.
       
   DIR Urteil gegen Unabhängigkeitspolitiker: Bis zu 13 Jahre Haft
       
       Neun katalanische Politiker und Aktivisten müssen wegen ihres Wirkens beim
       Unabhängigkeitsreferendum ins Gefängnis.
       
   DIR Spanien muss neu wählen: Regierungsbildung gescheitert
       
       Premier Sánchez konnte sich nicht mit den anderen Parteien einigen. Aus
       Kalkül? Seine PSOE dürfte bei einer Neuwahl stärker werden.
       
   DIR Verfahren gegen katalanische Politiker: Spanien blockiert EU-Mandate
       
       Wegen eines Haftbefehls können Puigdemont und andere separatistische
       Politiker ihre Sitze nicht einnehmen. Für deren Anwalt ist das nicht
       rechtmäßig.