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       # taz.de -- Hongkongs Regierungschefin weggebrüllt: Carrie Lams Rede vereitelt
       
       > Im Hongkonger Legislativrat verhindern Abgeordnete der Opposition die
       > Regierungserklärung von Carrie Lam. Danach äußert sie sich per Video.
       
   IMG Bild: Parlamentarier fordern wütend den Rücktritt der Regierungschefin Lam
       
       BERLIN taz | Zweimal hat Hongkongs umstrittene pekingtreue Regierungschefin
       Carrie Lam am Mittwoch vergeblich versucht, im schwer gesicherten
       Legistlativrat ihre jährliche Regierungserklärung abzugeben. Beide Male
       wurde sie sofort von der Opposition im nicht frei gewählten Parlament der
       autonomen chinesischen Stadt niedergebrüllt.
       
       Die in Schwarz gekleideten Abgeordneten riefen Sprechchöre, in denen sie
       die fünf Forderungen der inzwischen seit mehr als vier Monaten andauernden
       Protestbeweguing wiedergaben. In tumultartigen Szenen forderten sie Lam zum
       Rücktritt auf. Sie hielten dabei Protestplakate hoch oder trugen Masken mit
       dem Gesicht von Chinas autoritärem Staats- und Parteichef Xi Jinping, der
       weiter stur zur unbeliebten Lam hält.
       
       Diese verließ schließlich das Stadtparlament, dessen Plenum überhaupt
       erstmals seit der Sommerpause und der Beschädigung durch Demonstranten
       zusammengekommen war.
       
       In ihrer Rede, die sie später per Video verbreiten wollte, kündigte Lam zur
       Minderung sozialer Spannungen Reformen der Wohnungs- und Landpolitik an.
       Das trug ihr prompt den Protest der Immobilienwirtschaft ein, die sich
       gegen Eingriffe in den Markt verwehrte.
       
       ## Lam geht nicht auf Forderungen der Protestbewegung ein
       
       Hongkong hat mit die höchsten Miet- und Immobilienpreise der Welt. Die
       Regierung sieht darin einen Grund für die Unzufriedenheit der Bevölkerung.
       Doch gehörte dies bisher gar nicht zu den expliziten Forderungen der
       Protestbewegung. Die hatte sich vielmehr an der Aufweichung der Autonomie
       der Stadt entzündet, die ihr nach der Formel „ein Land, zwei Systeme“ von
       China zugesagt worden war.
       
       Doch Lam ging überhaupt nicht auf die Forderungen der Protestbewegung ein,
       die sich gegens China wachsende Einmischung in Hongkongs Politik richtet
       und zudem demokratische Reformen verlangt. Die Demonstranten, von denen
       eine Minderheit in den letzten Wochen selbst zunehmend gewalttätiger
       agierte, fordern eine unabhängige Untersuchung der massiven Polizeigewalt,
       die Freilassung der bisher rund 2.200 festgenommenen Demonstranten sowie
       Lams Rücktritt und eben demokratische Reformen.
       
       Die von einem pekingtreuen Gremium eingesetzte Regierungschefin appellierte
       erneut an die Hongkonger Bevölkerung, das Demonstrieren sein zu lassen, der
       Gewalt abzuschwören und zur Normalität zurückzukehren. Die mehrmonatigen
       Proteste haben inzwischen eine Rezession ausgelöst und zur Krise des
       Tourismussektors der Stadt geführt. Doch Lam machte überhaupt keine
       Angebote an die Protestbewegung.
       
       Mehr als 20 Abgeordnete der Demokratiebewegung warfen ihr denn auch vor,
       wichtige politische Fragen nicht gestellt zu haben. „Die
       Regierungserklärung ist irrelevant. Die Regierung ist irrelevant und Carrie
       Lam ist irrelevant“, erklärte der Abgeordnete Kenneth Leung laut der
       [1][South China Morning Post]. „Die Wohnungspolitik spielt nur eine Rolle,
       wenn die Jugend in der Stadt bleibt, aber viele denken darüber nach, sie zu
       verlassen, wenn unsere Grundwerte wie in den letzten Monaten weiter
       aufgegeben werden.“
       
       Lam rechtfertigte sich mit den Worten, es wäre unverantwortlich, politische
       Reformen anzukündigen, wenn ihr dies verfassungsmäßig gar nicht zustünde.
       Bisher verweigert die Regierung in Peking Hongkong jegliche weitergehende
       demokratischen Reformen, obwohl dies nach Meinung der Protestbewegung bei
       der Rückgabe der früheren Kronkolonie an China 1997 versprochen worden war.
       Lam erklärte zudem, es sei zu viel verlangt, von einer einzigen Rede die
       Beendingung der Proteste zu erwarten.
       
       ## US-Repräsentantenhaus verabschiedet Gesetz zu Honkgong
       
       Wenige Stunden zuvor hatte das US-Repräsentantenhaus in Washington das
       sogenannte Hongkong Menschenrechts- und Demokratiegesetz verabschiedet. Es
       muss jetzt noch durch den Senat, wo es Unterstützung beider Parteien gibt,
       sowie von US-Präsident Donald Trump unterzeichnet werden.
       
       Das Gesetz schreibt US-Wirtschaftssanktionen vor, wenn Hongkongs Autonomie
       und Freiheitsrechte verletzt würden. In einem weiteren Beschluss wird die
       Lieferung von Tränengas und Polizeiausrüstung nach Hongkong ausgesetzt.
       
       Die US-Regierung soll laut Gesetz künftig zum Zustand der Hongkonger
       Autonomie und Freiheitsrechte einen jährlichen Bericht erstellen.
       Vorgesehen sind auch Strafmaßnahmen gegen Politiker, die diese Rechte
       verletzen. In Hongkong hatten am Montagabend Zehntausende die
       Verabschiedung des Gesetzes vom US-Kongress gefordert.
       
       Die Regierung in Peking hat heftig gegen das Gesetz protestiert und wirft
       Washington „schwere Einmischung in innere Angelegenheiten“ vor. Hongkongs
       Regierung äußerte ihr Bedauern. Die Regierung in Peking hat seit
       Protestbeginn diese stets als aus dem Ausland gesteuert dargestellt.
       
       NaN NaN
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://South%20China%20Morning%20Post
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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