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       # taz.de -- Comic-Journalismus: Die Kraft der sprechenden Bilder
       
       > Eine Reportage über Gemeinschaftswohnen in Wedding zeigt, wie
       > gezeichneter Journalismus funktionieren kann.
       
   IMG Bild: Ausschnitt aus der Comic-Reportage „Ungewohnt!“
       
       Comiczeichnungen erscheinen in deutschen Zeitungen meist als Karikaturen
       oder auf der Rätselseite neben dem Sudoku. Während es in Ländern wie
       Frankreich oder den USA eine lebendige und traditionsreiche Comicszene
       gibt, die den Kontakt zum Journalismus nicht scheut, ist dieses Genre in
       Deutschland noch sehr unbekannt. Dabei bietet der Comicjournalismus ganz
       besondere Möglichkeiten, ein Thema zu vermitteln.
       
       Comics sind leicht zugänglich und schnell gelesen. Sie locken den Leser
       ästhetisch, auch wenn sich dieser nicht für das Thema interessiert. Sie
       können Ereignisse bildlich darstellen, zu denen es keine Fotos gibt – etwa
       weil Orte schwer zugänglich sind, Protagonistinnen nicht fotografiert
       werden wollen oder die Geschichte in der Vergangenheit spielt. Weil
       Comicfiguren abstrakter sind als Fotos, kann man sich leicht mit ihnen
       identifizieren. Und es gibt eine riesige Bandbreite an Zeichenstilen, die
       der journalistischen Geschichte eine passende – nicht in Worte fassbare –
       Stimmung verleihen können.
       
       Ein Vorteil von Comicreportagen ist, dass die Recherchierenden oft selbst
       auftauchen. Hinter jeder journalistischen Arbeit stecken Menschen, die aus
       ihrem Blickwinkel auf ein Thema schauen. In den meisten Texten hört man
       diese subjektive Stimme nicht. Und als Fotograf auf dem eigenen Foto zu
       erscheinen, ist in der Pressefotografie keine Option. Autorinnen und
       Autoren bleiben zumeist unsichtbar. In Comicreportagen sieht man oft den
       Zeichner oder die Journalistin: wie sie am Flughafen ankommen, wer sie zu
       Gesprächspartnern bringt und wie sie während der Recherche ihre Ansichten
       hinterfragen müssen. Dieser Blick hinter die Kulissen kann die
       journalistische Arbeit nachvollziehbar und glaubwürdig machen.
       
       Reisereportagen aus Krisengebieten oder schwer zugänglichen Regionen sind
       besonders verbreitet im Comicjournalismus. Auch NGOs wie Amnesty
       International oder Ärzte ohne Grenzen geben regelmäßig Arbeiten in Auftrag,
       um ihre komplexen Arbeitsbereiche allgemein zugänglich darzustellen.
       Kritikwürdig ist dabei, dass es in den bekannten Comicreportagen eher
       selten ist, dass eine Zeichnerin und ein Journalist als Team arbeiten. Denn
       das ist natürlich teurer.
       
       Für den Comicjournalismus wäre es allerdings wichtig, dass ausgebildete
       Journalistinnen mit Zeichnern gemeinsam unterwegs sind. Denn
       Comicjournalismus muss nicht einfach nur wahre Ereignisse nacherzählen,
       sondern auch journalistische Kriterien erfüllen: kritisches Nachfragen,
       unparteiische Recherche und den Faktencheck. Nur wenn comicjournalistische
       Teams diese Kriterien ernst nehmen, haben ihre Reportagen eine Chance, als
       gleichwertige Beiträge in deutschen Medien zu erscheinen.
       
       Begegnungsorte für Journalisten und Zeichnerinnen bieten Workshops wie der
       des Deutschen Comicvereins und des Museums für Kommunikation im vergangenen
       Juli. Dort sind mehrere Comicreportagen zum Wohnungsmarkt und
       Mietenwahnsinn entstanden. Der zusammen mit Hannah Brinkmann entstandene
       Comic zeigt, wie Gemeinschaftswohnen in Wedding ist: ungewohnt!
       
       22 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hannah El-Hitami
   DIR Hannah Brinkmann
       
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