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       # taz.de -- Psychologie der Onlinebeschwerden: Loyal oder egal?
       
       > Beschwerden sind schnell abgegeben auf Bewertungsportalen und Fanseiten.
       > Dabei unterliegen sie einer recht simplen Typologie.
       
   IMG Bild: „Tut uns sehr Leid, die Kaffeebohnen sind verbrannt, kommt nicht wieder vor“
       
       Es gibt Menschen, die sich in den sozialen Medien beschweren, wenn sie mit
       der Leistung eines Unternehmens unzufrieden sind, und es gibt solche, die
       das nicht tun. Diese scharfe Analyse von mir ist wissenschaftlich
       untermauert, wie ich kürzlich in der Fachzeitschrift Journal of Business
       Research las. Sabine Einwiller und Wolfgang Weitzl, zwei Forschende von der
       Universität Wien, sind einen Schritt weiter gegangen und haben
       Verfasserinnen und Verfasser von Onlinebeschwerden in Typen unterteilt: die
       Konstruktiven und die Rachsüchtigen, die Loyalisten und die Ungebundenen.
       
       Ein Selbsttest, zu welcher Gruppe Sie gehören: Sie sind wütend, weil der
       Cappuccino nach verbrannten Kaffeebohnen schmeckte und möchten die Nachwelt
       vor dieser traumatischen Erfahrung bewahren? Dann sind Sie rachsüchtig.
       Wenn Sie dem Unternehmen Tipps geben, wie sie künftig Kaffeebohnen nicht
       mehr anbrennen lassen, gehören Sie zur Gruppe der Konstruktiven. Sind Sie
       nur zufällig bei dem Kaffeeröster vorbeigekommen und haben zum ersten Mal
       dort konsumiert? Eindeutig ungebunden. Wurde Ihnen der Cappuccino in Ihrem
       Stammlokal serviert, zählen Sie zu den Loyalisten. Mehr als die Hälfte
       aller Onlinebeschwerden stammt von rachsüchtigen Loyalisten, Menschen mit
       persönlichem Bezug zur Marke, von der sie enttäuscht wurden. Sie lassen
       ihrer Wut online freien Lauf, beispielsweise auf der Facebook-Seite der
       Marke. Ihr Ziel ist es nun, dem Unternehmen zu schaden.
       
       Ohne Social-Media-Team geht es in der Geschäftswelt bekanntlich kaum mehr.
       „Webcare“ ist der Fachbegriff für die Online-Interaktion des Unternehmens
       mit der Kundschaft. Auch da unterscheiden die Forschenden unterschiedliche
       Zugänge: Entweder werden Beschwerden ignoriert, oder es wird das
       Unternehmen verteidigt und Fehler nicht eingestanden. Option drei ist das
       Übernehmen von Verantwortung für die Probleme.
       
       Welche Art von Reaktion wirkt wie gut bei den rachsüchtig Loyalen? Wütend,
       gekränkt und bösartig sind sie schließlich gefährlich für das Unternehmen.
       Was, wenn sie allen ihren Freundinnen von den verbrannten Kaffeebohnen
       erzählen oder negative Rezensionen auf anderen Bewertungsplattformen wie
       Yelp schreiben? Es scheint also naheliegend, dass es nur sinnvoll ist, als
       Unternehmen auf diese möglichst freundlich und schuldbewusst einzugehen.
       Tut uns sehr Leid, die Kaffeebohnen sind verbrannt, kommt nicht wieder vor,
       darf’s ein Gutschein sein?
       
       Die Forscher testeten diese Hypothese mit einem Onlinefragebogen, den knapp
       600 Teilnehmer ausfüllten. Diese mussten sich vorstellen, nach einem
       Restaurantbesuch extrem verärgert und enttäuscht zu sein. Welche Art von
       „webcare“ hat welchen Effekt? Das Ergebnis: Wie das Unternehmen reagiert,
       ist ziemlich egal. Auf extrem angefressene Kunden hat eine zu freundliche
       Reaktion sogar einen negativen Effekt: Die stänkern trotzdem weiter.
       
       31 Oct 2019
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Goldenberg
       
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