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       # taz.de -- FPÖ-Abgeordneter und Nazi-Liedgut: „Ich werde mich NIEMALS schämen!“
       
       > Antisemitische und sexistische Texte aus dem Liederbuch einer
       > Burschenschaft bringen einen Abgeordneten der FPÖ in Österreich in
       > Bedrängnis.
       
   IMG Bild: Böse Menschen haben doch Lieder: der steirische Abgeordnete Wolfgang Zanger
       
       Wien taz | Was so an Liederbüchern in Österreichs schlagenden
       Burschenschaften und FPÖ-nahen Zirkeln herumliegt, sorgt wieder einmal für
       Aufregung. „Rothschild hat das meiste Geld./ Schließlich muß in jedem
       Fache/ einer doch der Größte sein,/ und so ist auch ohne Zweifel/
       festgestellt das größte Schwein“.
       
       Dieser vor Antisemitismus triefende Vers findet sich in einem über 400
       Seiten starken Liederbuch „Liederliche Lieder“, das zum 125. Stiftungsfest
       der Mittelschülerburschenschaft Corps Austria zu Knittelfeld im Jahre 2005
       herausgegeben wurde. Es handelt sich um eine Sammlung, die nur in einer
       Auflage von maximal 70 Stück existieren soll.
       
       Ein Exemplar davon wurde vor wenigen Tagen dem Boulevardblatt Kronen
       Zeitung zugespielt. Seit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sich im
       [1][Ibiza-Video] ausführlich über den Verkauf der „Krone“ an eine
       vermeintliche Oligarchin und die Säuberung der Redaktion von FPÖ-kritischen
       Schreibern phantasiert hat, [2][schreibt die auflagenstärkste Tageszeitung]
       die von ihr einst gehätschelten Rechtspopulisten in Grund und Boden.
       
       So vergaß sie auch nicht auf den Hinweis, dass der steirische
       Nationalratsabgeordnete Wolfgang Zanger Mitglied des Pennalen Corps Austria
       ist. Zanger, der zugab, eines der Liederbücher zu besitzen, sah zunächst
       keinen Anlass, sich von dessen Inhalt abzugrenzen. Trotzig [3][postete] er:
       „Zur Abwechslung darf ich mal wieder herhalten als Feind Nummer 1. Aber
       entgegen aller Erwartungen stehe ich dazu. Ja ich habe dieses Buch vor
       Jahren als Geschenk erhalten“.
       
       ## „Extrem widerlich und zutiefst antisemitisch“
       
       Der FPÖ-Publizist Andreas Mölzer erklärte die umstrittensten Texte als
       parodistische Polemik katholischer Burschenschafter gegen Deutschnationale.
       Er kenne diese „Sammlung von Spott-, Schmäh- und Trinkliedern
       verschiedensten Inhalts“ und könne die Aufregung nicht verstehen: „Wenn ich
       das richtig sehe, ist das eine dieser Strophen, die ein Spottlied auf den
       Rassenwahn und Herrenmenschendünkel der Nationalsozialisten ist“.
       
       Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen
       Widerstandes sieht im Rothschild-Text einen klaren Appell an antisemitische
       Verschwörungstheorien. Das Lied, in dem es heißt „Heil Hitler, ihr alten
       Germanen, ich bin der Tacitus“, sei tatsächlich ein Spottlied katholischer
       Verbindungen. Er fragt sich nur, „wieso eine Verbindung, die eigentlich
       persifliert wird, so einen Text in ihr eigenes Liederbuch übernimmt. Tut
       sie es aus Selbstironie oder weil sie den Text ganz unironisch gut findet?“
       
       Um Schadensbegrenzung bemüht ist Mario Kunasek, Chef der FPÖ Steiermark,
       der fürchtet, dass ihm die Polemik in drei Wochen bei den Landtagswahlen
       schaden könnte: „Die in den Medien publizierten Passagen sind widerlich und
       werden von den Freiheitlichen kategorisch abgelehnt“.
       
       ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der gerade mit den Grünen die Möglichkeit einer
       Koalition sondiert, empfindet „die Liedtexte als extrem widerlich und
       zutiefst antisemitisch“. SPÖ-Frontfrau Pamela Rendi-Wagner fordert FPÖ-Chef
       Norbert Hofer auf, „endlich klar gegen Nationalsozialismus und
       Antisemitismus aufzutreten und sein Durchgriffsrecht zu nutzen“. Hofer
       hatte sich bei seiner Wahl vor einem Monat mit Vollmachten ausstatten
       lassen, die es ihm erlauben, auch einfache Mitglieder aus der Partei zu
       werfen.
       
       ## Problembär der FPÖ
       
       Der Abgeordnete Wolfgang Zanger, der sich mit Verspätung dann doch eine
       Distanzierung abrang, ist ein Problembär der FPÖ, der vor einigen Monaten
       im Parlament mit Kraftausdrücken aus der tiefsten Schublade aufgefallen
       war.
       
       Beim ihm zuhause wird offenbar Liedgut gepflegt, das nicht erst in Zeiten
       von #metoo seine Salonfähigkeit eingebüßt haben dürfte. Da heißt es etwa in
       „Wir sind die Schleifer aus Paris“: „Wir schleifen die Messer, die Scheren
       und die Gabel/ und so manches Mädchen unter dem Nabel/ ritzibi ritzba
       ritzibum“.
       
       Oder in „Lieschen, Lieschen, Lieschen“: „So wie früher, früher, früher/
       ohne Gummiüberzieher,/ ohne Hemd und ohne Höschen, /immer wieder zack,
       zack, zack“. Zanger auf Twitter: „Das sind Lieder, die meine Eltern
       gesungen haben. Dafür werde ich mich NIEMALS schämen und auch nicht
       rechtfertigen!!!“
       
       Schon Anfang 2018 trat der niederösterreichische FPÖ-Chef Udo Landbauer
       wegen eines ähnlichen Liederbuchs in seiner Verbindung vorübergehend
       zurück. Die Quarantäne dauerte aber nur wenige Monate.
       
       1 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Regierungskrise-in-Oesterreich/!5596341
   DIR [2] https://www.krone.at/2032954
   DIR [3] https://www.facebook.com/wolfgang.zanger/posts/2762025913816531
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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